Handwerk Special Nr. 69 vom 18. August 1999 - page 12

Kopf- und Handarbeit
Glasmalerei zumKennenlernen &Weiterbilden / seltene Stahlbearbeitung
Lange drehten sich hier, in der aus dem 17. Jahrhundert stammen-
den Getreidemühle Weitz im Tal der Rur, im Ortskern der zwischen
Aachen und Mönchen-Gladbach gelegenen Stadt Linnich, die
Mühlräder. Ende der 80er aber stellte sich für die Stadt die Frage,
was sie mit dem durch den Zahn der Zeit angenagten Gebäude ma-
chen, ob sie es schlicht abreißen oder sanieren und eine neue Nut-
zung dafür suchen sollte. Man entschied sich fürs letztere – auch
dank einer Anregung der in Linnich ansässigen, international re-
nommierten Glasmalerei Oidtmann, restaurierte und erweiterte die
Mühle mit finanzieller Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfa-
len und richtete darin das Deutsche Glasmalerei-Museum ein.
Erforschen und Vermitteln der
Kunst der Glasmalerei. Immer-
hin waren es insbesondere auch
die Werkstätten gewesen, die
wichtige, von der Zerstörung
bedrohte Werke der Glasmale-
rei bewahrten, kopierten und
sammelten, die darüber hinaus
jungen künstlerischen Talenten
dieMöglichkeitgaben,mitTech-
niken und Materialien zu arbei-
tenundzuexperimentieren. Eine
solche Werkstattsammlung, die
der Glasmalerei Oidtmann (eine
der weltbe-
r ü h m t e n
Werkstätten
des Rheinlan-
des), bildet
den Grundstock
des Museumsbe-
standes. Sie wur-
de von der Lei-
tung des Betrie-
bes dem Förder-
verein desMuseums als Firmen-
schenkung überlassen und von
diesem,zwecksFinanzierungder
Vom Klassiker bis zur
Moderne alles unter einem
Museums-Dach in Linnich.
Auf sechs durch einen gläsernen
Aufzug bzw. eine offene Treppe
verbundenen Ebenen stehen
1400 Quadratmeter Ausstel-
lungsfläche zurVerfügung; dazu
kommen ein Museumsshop und
ein Museumscafé, ein Magazin
und eine Fachbibliothek und,
ganz wichtig, eine Glasmalerei-
werkstatt. Hier können Künstler
und Handwerker zusammen ar-
beiten, gibt es museumspädago-
gischen Aktivitäten, Angebote
für die unterschiedlichsten Be-
suchergruppen,
beispielsweise
Lehrlingsgrup-
pen von Hand-
w e r k s k a m -
mern.VonAn-
fang an hatte
festgestanden,
daß ein auf die
Glasmalerei,
also auf eine
Kunstgattung,
die sich ohne-
hin durch eine
intensive Be-
ziehung von
Handwerk und
Kunstauszeich-
net, konzen-
triertes Muse-
um genau jene Beziehung auch
in seiner Konzeption widerspie-
geln müsse.
Glasmalerei live
Das Ende 1997 eröffnete Haus
beschäftigt sich deshalb gleich-
zeitig mit dem Sammeln, dem
malerei ihre kreative, bis heute
andauernde Renaissance. Nicht
zuletzt zeichnet sich die zeitge-
nössische Glasmalerei durch
technische Innovationen aus, die
VerwendungvonDick- oderBe-
tonglasfenstern, in konsequen-
ter FortsetzungmodernerBeton-
architektur, die Bearbeitung des
Glases mit chemischen Mitteln
oder der Einsatz des Siebdrucks.
Vergleichsweise jung ist die
Technik, Werke der Malerei di-
rekt ins Glasbild zu übertragen.
Innovation und Tradition
Die Verbindung von Innovation
undTradition entsprichtschließ-
lich mustergültig auch
den Zielen des Deut-
schen Glasmalerei-Mu-
seums Linnich: „Das
Museum wird sich um
den Nachlaß von Werk-
stätten und Künstlern
bemühen. Kolloquien
und Symposien sollen
Museumsfachleute,
Künstler, Handwerker
und auch Architekten
mit den Möglichkeiten
der Glasmalerei auch in
der modernen Architek-
tur bekanntmachen.Das
Museum soll Zentrum
werden für diese Kunst,
ihreKünstler undWerk-
stätten...“.
Das Museum ist Dienstag bis
Sonntag von 11 – 17 Uhr geöff-
net. Info-Tel.: 02462/9917-0
laufenden Kosten, an die NRW-
Stiftung Naturschutz, Heimat-
und Kulturpflege verkauft, die
sie dem Museum als Dauer-
leihgabe zur Verfügung stellte.
Mittelalter bis Gegenwart
Rund 100 Stücke gehören dazu,
von der Romanik bis ins 20.
Jahrhundert, dem Schwerpunkt
der Sammlung; zu den mittelal-
terlichen Kostbarkeiten zählen
u.a. eine Scheibe aus der Zeit um
1230 und ein großes Fenster aus
dem Jahre 1533. Ende des 19.
Jahrhunderts erlebte die Glas-
Er war der einzige Handwerker,
den man für würdig befand, in
den Rang der Olympier aufzu-
steigen: Hephaistos. Schmied
war er, Bändiger des göttlichen
Feuers,geheimnisumwittert,fin-
ster, unheimlich und mächtig.
Wie es denn immer wieder die
Schmiede waren, um die sich
Sagen und Legenden rank-
ten.
Anders als andere Waffen
waren die legendär aufge-
ladenen Schwerter - man
denke nur an das sagen-
hafte Schwert Excalibur,
das Artus als einziger
aus dem Stein ziehen
und damit seine Kö-
nigswürde erweisen
kann - Instrumente
zum Töten des
Menschen, de-
ren Schöpfern
und Trägern
Macht über
Leben
und Tod
zuzukom-
men schien. Kein Wunder, daß
dieSchmiede bei ihrer Fertigung
besondere Kunst aufwandten,
nach Techniken und Materiali-
en suchten, sie möglichst flexi-
bel, hart und scharf zugleich zu
machen. Zu den besten Klingen
gehörten stets die aus Damasz-
enerstahl.
Die Technik, Damaszenerstahl
zu schmieden, ist mehr als 2000
Jahre alt und in unterschiedlich-
sten Kulturen verbreitet. Heute
beherrschendas schwierigeVer-
fahren nur nochwenige Schmie-
de. Einer von ihnen ist Michael
Schrobiltgen, Metallbauer in
Miehlen, der sie sich vor einigen
Jahren aneignete, „weilmichdas
Thema immer fasziniert hat“.
ImHintergrundseinerWerkstatt,
die er 1991 eröffnete, flackert
das Steinkohlenfeuer. Schrobilt-
gen nimmt das vorbereitete Pa-
ket aus insgesamt sieben (da
spielt die Magie nach wie vor
ein bißchen mit!) Plättchen ge-
härtetem und ungehärtetem
Stahl. Diemöglichst innigeVer-
bindung von Materialien unter-
schiedlicherEigenschaftenmacht
den Damaszenerstahl so wert-
voll, seineHerstellungaber auch
so komplex.
Am langen Stab hält der
Schmied das Paket in
die Flammen; fast
1500GradCelsius las-
sen das Eisen weiß
glühen, ver-
wandeln es
in eine
teigigeMas-
se. Schrobiltgen
nimmt das glühen-
de Paket aus dem
Feuer, legt es un-
ter den Luftham-
mer, der herun-
tersaust, Funken
aufstieben läßt.
Auf seine dop-
pelte Länge muß
das Paket ausge-
schmiedetwerden,dannwirdder
Keil angesetzt, der es in der Mit-
te fast halbiert, werden die Hälf-
ten wieder aufeinandergelegt.
Das wird mehrfach wiederholt,
solange, bis 224 und mehr nun
hauchdünne Lagen übereinan-
der zu liegen kommen - eine Art
„stählerner Blätterteig“, dessen
Qualität davon abhängt, daß alle
diese Lagen vollkommen mit-
einander verbunden sind.
Diese unzähligen Schichtenma-
chen auch die Schönheit des
Materials aus, die erst dann so
richtigaufscheint,wenndasferti-
geWerkstück poliert, im Schwe-
felsäurebadgeätzt undneuerlich
poliert wird. Dann offenbaren
sich jene schillerndenundkunst-
vollen Ornamente, jenes Da-
mast-Muster, das den „kriegeri-
schen“ Stahl so reizvoll macht,
daß sich Metallbauer Michael
Schrobiltgen überlegt, aus ihm
nicht nurKlingen, sondernkünf-
tig auch Schmuck zu schmie-
den.
„Stählener Blätzterteig“: Mehr als 200
Mal legt Metallbauer Michael
Schrobiltgen den Damaszenerstahl um.
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