Handwerk Special Nr. 133 vom 26. September 2009 - page 12-13

Handwerk entlang touristischer Routen entdecken ...
Nr. 133
26. September 2009
Nr. 133
26. September 2009
Steine als Wegbegleiter
Die Haltestelle gibt’s
zwar noch und das ist
gut für alle, die von hier
aus auf eine Etappe des
Nahe-Weinwanderweges
starten möchten, aber
der Bahnhof fungiert als
solcher nicht mehr. War-
tehalle und Schalterraum
sind auf einen nüchternen
Fahrkartenautomaten
zusammengeschrumpft.
Das kleine, zu Beginn des
vorigen Jahrhunderts gebaute,
gemütliche Bahnhofsgebäude
von Hochstetten-Dhaun aber
existiert noch und ist seit Beginn
dieses Jahres wieder aus seinem
Dornröschenschlaf erwacht.
Steinernes
im Bahnhof
„Wachgeküsst“ hat es Jochen
Barth, ein junger, engagierter
Steinmetz- und Steinbildhauer-
meister, der sich hier im März
2009 seine Werkstatt einge-
richtet hat. Gerade arbeitet er
an einem Engel aus Sandstein,
einem Grabstein, den er für
seine Ausstellung „Ruheräume
– Grabmal-Kunst“ im HwK-
Zentrum für Restaurierung und
Denkmalpflege anfertigt, die
bis 31. Oktober zu sehen ist. Da
geht es um individuell gestalte-
te Grabsteine, das, was Barth,
vor neun Jahren Landessieger
beim Leistungswettbewerb des
Deutschen Handwerks, auch
am liebsten macht. Er deutet auf
einige Steine in der Werkstatt,
die bereits fertig sind und die er
nach intensiven Gesprächen
mit den Kunden entwor-
fen und ausgeführt
hat, beispielsweise ei-
nen Stein, auf
dem eine
gebrochene
Eine „handwerkliche“ Wander- und Reisetour entlang der Nahe
Linie das nicht immer einfache
Leben der Verstorbenen an-
deutet. „Ich möchte Grabsteine
gestalten, nicht weil einMensch
gestorben ist, sondern weil er
gelebt hat.“
Steine. Sie begleiten den Wan-
derer (oder den Radfahrer oder
denjenigen, der auf vier Rädern
der Nahe folgt) auf seinemWeg
entlang der Nahe. Steine, sanft
gerundet und von Weinbergen
oder -feldern und Wäldern
überzogen, oder Steine, die steil
emporragen, wie der mächtige
Rotenfels, diehöchsteSteilwand
nördlichderAlpenbeiBadMüns­
ter am Stein. Steine, denen man
auch in den idyllischen Dörfern
und Städten amWege als Bau-
material begegnet, aus dem
man Häuser, stattliche Guts-
höfe und Kirchen baute.
Natursteinmauern
fachmännisch saniert
Auch die Synago-
ge in der Gymna-
sialstraße in Bad
Sobernheim wurde
1858 aus ihnen er-
richtet. An diesem
strahlendenSonnentag
leuchtetderhelleSand-
stein in warmem
Gelb. Ein Bauwerk mit höchst
wechselvollerGeschichte,zuder
auch die zeitweiligeNutzung als
Lager gehörte. 1989 nahm sich
ihresSchicksalseinFörderverein
an, und nun ist ihr endgültig eine
bessere Zukunft beschieden, als
Bibliothek der Stadt und der
benachbarten evangelischen
Gemeinde. Noch sind hier
die Handwerker zugange, die
Mitarbeiter von Ralf Enders,
Maurermeister aus dem nur
ein paar Kilometer entfernten
Langenthal, der in vierter Ge-
neration den 1897 gegründeten
Betrieb führt.
Erfolgreich
in Beruf und Sport
HwK-Mitarbeiterin und Friseurmeis­terin Alexandra Scharf-
Plazanic war mehrmals beim Ironman erfolgreich.
„Mein Handwerk liegt mir ebenso am Herzen wie der Sport“, be-
kenntAlexandraScharf-Plazanic.„Umerfolgreichzusein,braucht
man für beides Leidenschaft.“Werte, wie „Durchhaltevermögen,
sich Ziele stecken und erreichen, Disziplin und auch einmal den
inneren Schweinehund überwinden“, sind für sie unverzichtbar.
Die 36-Jährige, die seit 2008 in der Pädagogischen Anlaufstelle
(PA) der HwK arbeitet, weiß, wovon sie spricht. Erst kürzlich hat
die engagierteTriathletinden Ironman inKöln
in einerGesamtzeit von11Stundenund zwei
Minuten (3,8 kmSchwimmen in 1:10 h, 180
km Radfahren in 5:30 h und 42,195 km
Marathonin4:13h)absolviertunddamit
densiebtenRangbeidenFrauenundden
drittenPlatz in ihrerAltersklassebelegt.
Ins Schwärmen gerät sie, wenn sie von
ihrer Teilnahme an der Ironman-WM
2005 auf Hawaii erzählt, „Augenblicke,
die man nie vergisst, die einen
prägen fürs Leben!“
In der PA gibt sie ihr Fachwissen
an die jungen Leute in der
Überbetrieblichen Lehrlings-
unterweisung und in der
Berufsausbildung in außer-
betrieblichenEinrichtungen
(BaE)weiter.„Nichtsmacht
glücklicher als Erfolg!“ – in
Beruf und Sport, gibt sie ihr
Motto an die Lehrlinge weiter.
Bei der
S y n a -
g o g e ,
erzählt
Enders,
dersich2007
bei der HwK
Ko b l e n z
in Herr­
s t e i n
z u m
Restau-
rator im
H a n d -
w e r k
qualifizierte,
musste das Mau-
erwerk stabilisiert,
eine Drainage eingebaut, ein
neuer Boden eingebracht und
imehemaligenAltarbereicheine
Natursteinmauer saniertwerden.
„Die fachmännische Sanierung
vonNatursteinmauerwerkmacht
mir am meisten Spaß“, meint
Enders.„Schade,dassman,meist
halt aus finanziellen Gründen,
nicht immer zeigen darf, was
man wirklich kann und was für
die alte Bausubstanz am besten
wäre.“TrotzdemsindSanierung
und Restaurierung, wie etwa
die Mittagszeit herrscht fried-
liche Ruhe in dem Dorf, in dem
Müller vor neun Jahren seine
Werkstatt einrichtete. Die be-
sitzt ihrerseits Geschichte, war
ursprünglich der Tanzsaal des
Ortes. Draußen lädt ein Lkw
lange Eichenbalken ab,Material
für ein Orgelpodest.
Drinnen steht, für Müller fast
schon selbstverständlich, eine in
ihre Teile zerlegte Orgel aus der
Werkstatt von Johann Nikolaus
Stumm, Sohn des Dynastie-
gründers Johann Michael, der
sich in Kastellaun selbstständig
gemacht hatte. Gebaut 1749,
verrichtetedieOrgelbisherinder
evangelischen Kirche von Trar-
bach ihren Dienst. Dank eifriger
Spendenund sogar eines eigenen
„Orgel-Weins“ wird sie nun
wieder von Müller und seinen
neun Mitarbeitern restauriert.
„Die Leute haben zu den alten
Orgeln eine eigene, teils sehr
persönliche Beziehung, sodass
sie sich auch für deren Erhalt
engagieren“, erklärtRainerMül-
ler. Und eine eigene, teils sehr
persönliche Beziehung bildet
sich auch zwischen ihm und den
Instrumenten, an denen er meist
jahrelang arbeitet, heraus, „jede
Orgel hat ihren eigenen Charak-
ter, den man bei der Restaurie-
rung aufspürenmuss“. Spricht’s
und zeigt auf die bereits wie-
derhergestellten, sorgfältig in
KästenverpacktenPfeifender
24 Register, die darauf
warten, eingebaut
zu werden. Ende
2010 soll das Ins­
trument wieder
erklingen.
Steckbrief: Steinmetz J. Barth, Hochstetten-Dhaun
Gegr. 2002 | 1 Meister | Individuell gestaltete Grabsteine | Tel.: 06752/
913244 |
Steckbrief: Enders Bauunternehmung, Langenthal
Gegr. 1897 | 11 Mitarbeiter (2 Meister, 1 Lehrling) | Restaurierung und
Neubau, Natursteinsanierung | Tel.: 06754/ 9240 |
Steckbrief: Orgelwerkstatt Rainer Müller, Merxheim
Gegr. 1992 | 10 Mitarbeiter (1 Meister, 3 Lehrlinge) | Restaurierung und
Neubau von Orgeln | Tel.: 06754/ 963869
Steckbrief: Knusperbäckerei Merxheim, Merxheim
Gegr. 2000 | 10 Mitarbeiter (2 Meister, 1 Lehrling) | Pralinen u. Schoko-
lade | Tel.: 06754/ 945259 |
Steckbrief: Metzgerei Gerd Schmidt, Weiler
Gegr. 1925 | 11 Mitarbeiter (2 Meister, 2 Lehrlinge) | Spansau, Spießbraten-
u. Kartoffelwurst | Tel.: 06754/ 270 |
Steckbrief: Dachdeckerei M. Schörer, Oberhausen
Gegr. 1989 | 1 Meister | Schiefereindeckungen, Restaurierungen, „Schie-
fer-Tattoos“ | Tel.: 06752/ 3875 |
Der Mensch aber lebt
nicht von Musik allein,
umsoweniger,wennihm
aus einem anderen Haus in
Merxheim der Duft von frisch
gebackenem Pflaumenkuchen
die Nase kitzelt. Die Kondito-
renmeister Christine Beyer und
Wolfgang Bastian sind vor neun
Jahren indenOrt gekommenund
habenhier die „Knusperbäckerei
Merxheim“ eröffnet, in einem
Haus aus dem 19. Jahrhundert,
„in dem das Backen mehr als
100 Jahre Tradition hat“, erzählt
Bastian. 2000 kehrte der aus
dem Nachbarort Martinstein
stammende 57-Jährige in die
Heimat zurück, nachdem er
lange ein großes Café in der
Nähe des hessischen Landtags
in Wiesbaden geführt hatte.
„Das hat sich damals hier so er-
geben.“DasGeschäft läuft, dank
einer Filiale in Simmertal und
zweier Verkaufsfahrzeuge, gut.
Nicht zuletzt natürlich
auchderQualitätder
Backwaren hal-
ber. „Die ba-
cken wir so
weit wie
möglich
mit Pro-
dukten aus
der Region,
mit Eiern
und Obst
von be-
... unterwegs auf dem Nahe-Weinwanderweg
Spansau und
Kartoffelwurst
Wanderer oder Reisende, die
eher deftigen Genüssen zu-
geneigt sind, können sich im
benachbarten Meddersheim in
einer der beiden Filialen der
Metzgerei Schmidt stärken.
Stammsitz ist der Betrieb am
Marktplatz imWeindorfWeiler,
mittenindenRebhügelngelegen.
Ein schmuckes Örtchen, gerade
mal500Einwohner,abermittler-
weile fast 150 Betten für Gäste,
die gerne ausspannen, wandern,
den Nahewein genießen wollen.
„Dass immer mehr Touristen
in unsere Region kommen“,
meint Dirk Schmidt, die vierte
Generation indem1925vomUr-
großvater gegründeten Betrieb,
„merken auch wir sehr positiv.“
Gleichgültig, ob die zum Früh-
stück in Hotels und Pensionen
miteinigender100hausgemach-
ten Wurst- und Schinkenspezi-
alitäten der Schmidts verwöhnt
werden oder beim Weinfest mit
einer leckeren Spansau, der spe-
ziellen Spießbratenwurst oder
mit gebratener Kartoffelwurst.
ZubereitetausFleischvonTieren
aus derNahe-Hunsrück-Region,
wie das Rind, das Vater Gerd
und Sohn Dirk Schmidt
im Team gerade
zerlegen,oderdas
Wi l d s chwe i n ,
gerade erst von
einem Jäger in
den umliegenden
Wäldern erlegt.
Dachlandschaften
vom Schieferprofi
VonMeddersheim lohnt einAb-
stecher ins Glantal, in das liebe-
voll herausgeputzte romantische
Mit individuell gestal-
teten Grabsteinen
setzt Steinmetzmeister
Jochen Barth Akzente.
Maurermeister Ralf
Enders (l.) und sein
Team sanieren das
Mauerwerk der ehe-
maligen Synagoge in
Bad Sobernheim.
bei einer Einfriedungsmauer in
Staudernheim oder an Kirchen
in der Region, mittlerweile
ein wichtiges Standbein des
Betriebes, „das uns krisenfester
macht, besonders dann, wenn
im Neubaubereich nicht so viel
passiert“.
Wiedererweckte
Klangkunstwerke
Nur ein paar Schritte sind
es bis zur Matthiaskirche. In
ihrem Innern findet sich eines
der schönsten Instrumente der
Hunsrücker Orgeldynastie der
Orgelbauermeister Rainer Müller ist anerkannter
Experte für die Restaurierung von Stumm-Orgeln.
Stumms. Dass sie ihren alten
Glanz zurückgewonnen hat, ist
nicht zuletzt das Verdienst Rai-
nerMüllers, Orgelbauermeis­
ter im nur wenige Kilometer
entfernten Merxheim und
ausgewiesener Spezialist
für Stumm-Or-
geln. Um
Pralinen aus der Knusperbäckerei Merxheim der Kondi-
torenmeister Christine Beyer und Wolfgang Bastian.
nachbarten Bauern“, erzählt
der Hobbyfalkner Bastian.
Den Erfolg sichern auch die
VerbindungenzumRhein-Main-
Raum, in dem das Konditoren-
paar viele Kunden, darunter
große Firmen, mit hausgemach-
ten Pralinen beliefert. „Ab Sep-
tember geht’s richtig los“, erklärt
Christine Beyer, „dann stellen
wirwiederalle25Sortenher,von
ganz klassisch bis zu Pralinen
mit Chili, Curry oder Kokos.“
Serviert auch als besonderer
Gaumenkitzel zu Weinproben
bei Winzern der Region.
Meisenheim – und das „Putzen“
geht weiter. Vor dem restau-
rierten, in seinen ältesten Teilen
von 1422 stammenden Hof der
Boos von Waldeck, wird an
einem kleineren Gebäude an der
Erneuerung des Schieferdaches
gearbeitet. Gauben, Winkel,
KurvenundEcken–diepassende
Aufgabe für Dachdeckermeister
Michael Schörer. „Seit zweiein-
halb Jahren bin ich jetzt schon in
Meisenheimzugange“, berichtet
er schmunzelnd und erzählt,
dass auch die Dachlandschaft
des imposanten Hofes des über
Jahrhunderte einflussreichen
Ritter- und Ministerialenge-
schlechts, ein Turm nebendran
und das Dach des die Straße auf-
wärts gelegenen evangelischen
Pfarrhauses – für dessenFassade
Maurermeister Ralf Enders den
Restaurierungsvorschlag erar-
beitete!–seinWerksind.„Immer
dann, wenn’s kompliziert wird,
macht die Arbeit am meisten
Spaß“, erklärt Schörer, der sich
1989 selbstständig machte und
seitdem als Einmannbetrieb
funktioniert, oft in Kooperation
mit einem zweiten Schieferfan,
einem Dachdeckermeister aus
dem Sauerland.
Was sich mit Schiefer alles
machen lässt, demonstriert er
mit einem „Schiefer-Tattoo“
auf seinemeigenenDach, einem
je nach Lichteinfall unüberseh-
baren „Hausdrachen“ aus rotem
und grünem Naturschiefer. Und
dann lädt er den Wanderer ein,
mit ihm den Boos von Wal-
deckschen Hof auch innen zu
besichtigen,dendieFamilieHeld
mit erheblichen Investitionen
wieder hergerichtet und in dem
sie einen Weinladen fürs haus-
eigeneWeingutKlostermühle in
Odernheimetablierthat.Schließ-
lich versteckt sich auch drinnen
einiges von der Hand Schörers,
Zimmererarbeiten wie der fach-
kundig restaurierte Dachstuhl,
unter dem jetzt ein rustikaler
Raumentstanden ist, ausstaffiert
mit derbenBänken und Tischen,
gefertigt aus demaltenHolz, das
bei derRestaurierung angefallen
ist – Nachhaltigkeit in ihrer
schönsten Art.
Die Fleischermeis­
ter Dirk und Gerd
Weiler (v.l.) punk-
ten mit regionalen
Spezialitäten.
Pralinen aus
eigener Produktion
Dachdeckermeister und
Schieferprofi Michael
Schörer gestaltet Dach-
landschaften an histo-
rischen Bauten.
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10,11 14,15,16,17,18,19,20,21,22,23,...24
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