Handwerk Special Nr. 103 vom 29. Jamuar 2005 - page 8

Innovative Nachwuchshandwerker / Stiftung Handwerk kann helfen
29. Januar 2005
Nr. 103
Die Sucht nach Perfektion
Ein 34-jähriger Handwerksmeister überrascht die Fachwelt mit seinen Ideen
Seine Neugierde ist berufsbe-
dingt, sagt er. Wenn Dirk Heil
ein Hotel, eine Gaststätte, ein
öffentliches Gebäude betritt,
fällt sein Blick direkt auf die
Heizkörper, insbesondere auf
die unteren Anschlüsse. „Ich
sehe sofort, ob die lecken.“
Gegen diese Angewohnheit
kann er eigentlich nichts ma-
chen, gegen das Tropfen
schon. Der 34-Jährige ist Gas-
und Wasserinstallateurmeister.
Ein Handwerksmeister, der
nicht nur bei der Arbeit mit
den Händen Spitze ist ...
Der Mann aus Löf an der Mosel
ist für seine Kopfarbeit über die
Region hinaus bekannt. Mehre-
re Innovationspreise hat er ge-
wonnen und dabei die Fachwelt
immer wieder mit technischen
Geniestreichenüberrascht.Jüngst
mit der Idee, denAb- und Zulauf
zum Heizkörper in nur einem
Rohr„unterzubringen“.Dassieht,
verpackt in das richtige Design,
nicht nur toll aus, sondern hat
klare technische Vorzüge, denn
über diese Bauausführung sind
beideAnschlüsse auf einerHöhe
- das verhindert das lästigeTrop-
fen. Die Idee des erfinderischen
Handwerksmeisters:Zuflussund
Abfluss sind in einem Rohr un-
tergebracht, verschiedeneRohr-
querschnittemachen esmöglich,
sodass die „dünnere“ Leitung in
der „dickeren“ verläuft.
Umgang mit Innovationen
überdenken
Es ist seine dritte preisgekrönte
Erfindung. Insgesamt 5000Euro
hat er beim bundesweit ausge-
schriebenen „Heimeier Innova-
tions-Preis“gewonnen, der fach-
bezogene Erfindungen und Ent-
wicklungen auszeichnet. Und
doch ist gerade das Geld ein
ProblemfallfürHandwerksmeis-
ter Heil: „Hätte ich mehr davon,
würde ich meine Ideen in Serie
bauen, denn danach fragen die
Abnehmer.“ Der Handwerker
mit Leib und Seele hat sich mitt-
Aus seiner
täglichen
Arbeit
heraus und
den Hinwei-
sen seiner
Kunden stößt
Handwerks-
meister Dirk
Heil immer
wieder auf
fachliche
Herausforde-
rungen, die
der innovati-
ve Handwer-
ker löst.
lerweile zum Lottospielen ent-
schieden. „Würde ichgewinnen,
würde als erstes Geld in meine
Erfindungen fließen.“
Dass sie in der Praxis funktio-
nieren, weiß Dirk Heil wie auch
die Fachwelt, nur mit dem brei-
ten Einsatz hapert es. Und Un-
ternehmen, die seine Erfindung
in Serie bauen, sind hierzulande
Mangelware. Noch sieht Erfin-
der Heil die Tatsache, dass seine
Erfindungen bisher als Unikat
in der Realität ihren Platz gefun-
den haben und die Zeichnungen
in der Schublade verschwunden
sind, eher als Herausforderung
dennalsFrusterlebnis.Unddoch
ist er verwundert über die Groß-
zügigkeit derDeutschen imUm-
gang mit innovativen Ideen.
„Andere Länder, beispielsweise
die Japaner, sind da wesentlich
offener bei derUmsetzung.Hier-
zulande werden Erfindungen
totgeprüft.“
Ideen nicht abends im Bett
Die Ideen zu seinen Entwick-
lungen kommen ihm nicht im
stillen Kämmerlein oder abends
im Bett, „die habe ich bei mei-
nen Kunden, die mich mit den
ganz alltäglichen Problemen
konfrontieren“. Die Gedanken
von Dirk Heil, der imKoblenzer
Unternehmen von Karl Schmitz
arbeitet, gehen dann über die
Reparatur oder Installation hin-
aus. „Wie lässt sich die Sache
grundsätzlichverbessern?Einen
Weg findet man dabei immer“,
so der Moselaner. Manchmal
spontan, manchmal nachMona-
ten.
Unterstützung bei seinen Über-
legungen fand Dirk Heil immer
im „Erfinderclub junges Hand-
werk“ der Handwerkskammer
Koblenz, den er ausdrücklich
lobt. Lehrlinge und jungeGesel-
len verschiedenster Berufe, die
Stärken in Technik, Physik und
Mathematik vereinen, können
hier mit den HwK-Experten und
demtechnischenKnow-howder
Handwerkskammer Koblenz
probieren, forschen und entwi-
ckeln. „Eine solche Unterstüt-
zung brauchen nicht nur die
jüngsten Handwerker“, macht
der 34-Jährige deutlich, der sich
mit dem Gedanken der Unter-
nehmensgründung trägt. Dann
bräuchte Lottospieler Heil nicht
auf das große Glück setzen, son-
dern könnte sich allein auf sei-
nen kreativen Kopf verlassen.
Was macht der HwK-Erfinderclub?
Angesprochen durch den „Erfinderclub junges Handwerk“ sind
vor allem junge, ebenso erfinderische wie findige Handwerks-
lehrlinge, Gesellen und Jungmeister, die Spaß an Technik und
Physik, an Zahlen haben und neue Ideen und Vorschläge,
beispielsweise zur Optimierung von Betriebsabläufen in ihren
Unternehmen, entwickeln. Regelmäßig treffen sich die Clubmit-
glieder in der Handwerkskammer und tauschen ihre Erfindungen,
Ideen und Überlegungen aus. Bei dem Weg aus der Theorie in
die Praxis werden die fündigen Nachwuchshandwerker von
einem Team aus HwK-Experten der technischen und pädagogi-
schen Bereiche unterstützt, das wissenschaftlich-praktische
„Geburtshilfe“ leistet, wenn sie gebraucht wird. Bei ihrer Arbeit
können die Junghandwerker darüber hinaus auf die Hightech-
Ausrüstung der HwK Koblenz und deren Experten zurückgreifen.
Weitere Informationen auch zu den Terminen gibt die HwK
Koblenz, Tel.: 0261/398-531, E-Mail:
Brillante Ideen in die
Wirklichkeit begleiten
„Brillante Ideen sind organi-
sierbar“ – eine Erkenntnis
des amerikanischen Physikers
Robert Oppenheimer. Bei der
„Organisation“ spielen
jedoch gerade in mittelständi-
schen Unternehmen die
finanziellen Rahmenbedin-
gungen eine wichtige Rolle.
Forschung und Entwicklung
um herausragende Ideen in
rheinland-pfälzischen Hand-
werksbetrieben wollen wir
künftig stärker unterstützen.
Eine„StiftungHandwerkRhein-
land-Pfalz“ soll da weiterhel-
fen, wo finanzielle Engpässe
demErfinderreichtumimWege
stehen. Es ist ein neuerWeg bei
derFörderunginnovativerLeis-
tungen, für den sich die vier
Handwerkskammern in Rhein-
land-Pfalz stark machen, bei
deren Unterstützung aber auch
die Initiative von handwerks-
nahen Einrichtungen aus Kre-
ditwirtschaft und Versicherun-
gen bis hin zur Landesregie-
rung gefragt ist. Eine Stiftung,
die wir mit breiter Unterstüt-
zung jetzt aufbauenwollen, die
allen offen steht – Unterneh-
men genauso wie Privatperso-
nen.
Das Stiftungskapital soll nach
Beurteilung der eingereichten
Arbeiten durch eine Experten-
Gruppe und den Stiftungsvor-
stand zur Umsetzung der Idee
andieHandwerksunternehmen
vergeben werden.
Mit Blick auf die Kreativität,
den Erfinderreichtum ergibt
sich hierbei gerade für das
Handwerk ein breites Spek-
trum. Handwerker sind Prakti-
ker, die sich Tag für Tag mit
den Problemstellungen ihrer
Kunden und dem technischen
Know-how bei der Umsetzung
auseinandersetzen. Kopfarbeit
spielt dabei eine wichtige Rol-
le, finanzielle Möglichkeiten
ebenso – hier sehe ich den kon-
kreten Ansatz für die Unter-
stützung durch die „Stiftung
Handwerk Rheinland-Pfalz“.
Mit dem „Erfinderclub junges
Handwerk“ setzte die Hand-
werkskammerKoblenzvorJah-
ren neueAkzente: JungeHand-
werker - Lehrlinge, Gesellen –
werden bei der Umsetzung ih-
rer Ideen unterstützt. Ein An-
gebot, das breitenZuspruch fin-
„Stiftung Handwerk soll Erfindern helfen!“
det.NebenderVielschichtigkeit
der „wissenschaftlichen“ Pro-
bleme ist die Finanzierbarkeit
ein Schlüsselthema. Das inno-
vative Potenzial im Handwerk
ist vorhanden – das wissen wir
nicht zuletzt seit der Kampagne
„Handwerk ist Hightech“. Dass
viele gute Ideen aus Geldgrün-
den auf der Strecke bleiben, ist
auch bekannt.
Eine Idee für die Förderung gu-
ter Ideen mit einem breiten
Spektrum dahinter: hervorra-
gende Leistungen ließen sich
anMeistertagen,Ausstellungen,
Wettbewerben oder der Förde-
rung von Stipendiaten darstel-
len.Mit dieser Transparenz ver-
bindet sich nicht nur die wis-
senschaftlicheUmsetzung, son-
dern auch ein Image. Handwerk
setzt nicht nur Hochtechnolo-
gien ein – es entwickelt diese,
forscht und produziert schließ-
lich selbst Hightech.
Überlegungen in dieser Rich-
tung schließen auch bildungs-,
kultur- und gesellschaftspoliti-
sche Themen mit ein. Es geht
umein tragfähiges Gesamtkon-
zept, das sich an den Erforder-
nissen der Praxis orientiert. Die
enge Verbindung zwischen
Handwerkskammern und den
Unternehmenistdabeieinwich-
tiger Baustein. Wir kennen die
Möglichkeiten, das Potenzial
der Arbeit von Handwerkern.
Wir wissen auch, wie der nor-
male Mensch auf der Straße
davon profitieren kann. Daraus
lässt sich ein direkter Nutzen
für die Allgemeinheit ableiten.
Ich bin optimistisch, dass esmit
UnterstützungvielerfürdieStif-
tung gelingen wird, künftig
mehr brillante Ideen aus Hand-
werksbetrieben indieWirklich-
keit zu begleiten.
Dr. h.c. Karl-Jürgen Wilbert
Dr. h.c.
Karl-
Jürgen
Wilbert:
„Wir
alle
profitie-
ren von
der Innovationskraft des
Handwerks, die wir mit
einer Stiftung noch stär-
ker fördern wollen!“
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