Handwerk Special Nr. 76 vom 16. August 2000 - page 10

1915: Krieg macht dem Handwerk zu schaffen.
Über Arbeit kann er sich nicht
beklagen. Es bedarf keinerWer-
bekampagne. Zufriedene Kun-
den empfehlen ihn weiter. Die
Auftragsbüchersindgefüllt.Seit
Mai ist Maler- und Lackierer-
meister Christian Letter aus
Wallhausen selbständig.
Er hat sich auf die Fachrichtung
FahrzeuglackierungundLackie-
rungen aller Art spezialisiert.
Fragtmanden33-jährigen Jung-
meister und Unternehmer nach
seinemErfolgsrezept, so kommt
die Antwort spontan. „Mein Be-
ruf ist mein Hobby. Ich habe
Spaß an der Arbeit und schaue
nicht auf dieUhr. Jeder Kunden-
wunsch ist machbar.“
Über einPraktikumwährend der
Hauptschule kam er zumMaler-
und Lackiererhandwerk. Die
Fachrichtung Fahrzeuglackie-
rung faszinierte ihn besonders.
„Karossen phantasievoll farbig
zu gestalten ist eine spannende
Sache. Lackschäden so zu behe-
ben, dass man meint, sie hätte es
nie gegeben, ist immer wieder
eine Herausforderung“, betont
er. Er erinnert sich, dass er da-
mals vom Lehrmeister die Auf-
lage bekam die Hauptschule mit
einemNotendurchschnittvon1,5
zu beenden. „Ganz hat das nicht
geklappt, aber mit 1,6 war ich
dabei“, sagt er. „Ein schwacher
Hauptschulabschluss bringt Pro-
bleme in der Berufsschule und
die gehört nun einmal zum Be-
ruf dazu“, weiß er aus Erfah-
rung.
Lernen an Heiligabend
Nach der Lehre bei Hans-Her-
mannHönowinBadKreuznach,
zu dem er bis heute ein „super
Verhältnis“ hat, sammelte Let-
ter Erfahrungen in verschiede-
nen Firmen. Er schnupperte im
Bereich LKW-Lackierung, In-
dustrie-Lackierung und Messe-
bau. Sein erster Lehrherr moti-
vierte ihn, den Meisterbrief zu
erwerben und somit das Sprung-
brett für die eigene Betriebs-
gründung zu besteigen. Die
Meisterschule schloss er 1996
als Drittbester seines Lehrgangs
ab. „Ich habe sogar an Heilig-
abend für die Anfang Januar an-
stehenden Prüfungen gelernt“,
erinnert er sich.
Auf die Selbständigkeit bereite-
te er sich unter anderemin einem
Existenzgründungsseminar der
Handwerkskammer Koblenz
vor. „Es waren vier hochinteres-
sante Wochen die ich nicht mis-
sen möchte. Die Themen reich-
ten von derUmsatzplanung
über die Absicherung be-
trieblicher und privater Ri-
siken. Jedem, der sich selb-
ständigmachenmöchte, kann
ich dieses Seminar nur emp-
fehlen. Man wird mit allen
„Eventualitäten“ konfrontiert“,
so Letter.
Selbst das langwierige Geneh-
migungsverfahren zur Umnut-
zung eines leerstehenden Wein-
lagers in eine Lackierwerkstatt
konnte ihn auf seinem Weg in
dieSelbständigkeit nicht entmu-
tigen.
Inzwischen denkt der junge
Meister auch an eine Zusam-
menarbeit mit der Firma Auto-
mobileEckesimselbenBetriebs-
gebäude. Eine Autowaschanla-
ge neben der Lackierwerkstatt
ist derzeit im Bau. Letter plant
seinen Kunden einen Rundum-
service anzubieten. Noch arbei-
tet er allein. „Ich will erst si-
cher sein, dass sich die Auf-
tragslage weiter so gut ent-
wickelt.“ Einen Lehrling
möchte er im kommenden Jahr
ausbilden. „Ohne Praktikum
läuft nichts“, sagt er. Ein guter
Hauptschulabschluss ist ihm
ebensowichtigwie seinemLehr-
herrn damals.
Existenzgründer-
paket abholen
Die
HwK-Betriebs-
beratung
hat für Existenz-
gründer ein umfangreiches
„Existenzgründerpaket“
zusammengestellt. Es be-
steht aus einem Leitfaden
zur Betriebsgründung,
Checklisten als Arbeits-
material und einer CD-ROM
der rheinland-pfälzischen
Handwerkskammern „Selb-
ständig im Handwerk“.
Mit Hilfe der Checklisten
werden die wichtigsten
Details für eine Betriebs-
gründung erfasst. In der
richtigen Strukturierung
liegt oft der Erfolg von
Finanzierungsgesprächen
mit der Bank. Darüber hin-
aus berät die Betriebsbera-
tung der Handwerkskammer
zu allen anstehenden Fragen
bei Existenzgründung und
Betriebsübergabe.
Informationen bei der HwK
Koblenz, Tel.: 0261/398-
241, Fax: -994, Email:
Als Mittler zwischen Industrie
und Handwerk verstehen sich
MaschinenbaumeisterPeterBu-
chenundFeinwerkmechaniker-
meister Michael Ruckes aus
Niederfischbach. Gemeinsam
wagten sie im Januar 2000 den
SchrittindieSelbständigkeitund
gründeten eine Maschinen-
Stahl-Anlagenbau GmbH in
Niederfischbach. Insgesamt 13
Firmen haben sich im dortigen
Gewerbegebiet niedergelassen.
„Wir helfen uns untereinander“,
betont PeterBuchen. Er verweist
auf einen Großteil der Fertigung
von Produktionsanlagen, die für
einen benachbartes Konstruk-
tionsdienstleister durchgeführt
wird. „Die Lösung liegt oft im
Detail. Durch die individuelle
handwerkliche Einzelfertigung
sind wir in der Lage für die In-
dustrie Lösungen zu entwik-
keln“, erklärt er.
Michael Ruckes traf er im Mei-
stervorbereitungskurs bei der
HwKKoblenz. ImDoppel plan-
ten sie ihre berufliche Zukunft.
„Von der Idee bis zur Umset-
zung verging etwa ein halbes
Jahr. Wir konnten die Bank mit
unserem schlüssigen Konzept
überzeugen, informierten uns
über Kredite, Fördermittel und
alle mit der Selbständigkeit an-
fallenden Fragen“, erinnern sich
die Existenzgründer. Die frei
werdende Halle im Ort und die
günstig erstandenen gebrauch-
ten Maschinen werten sie als
Glücksumstand für den Start.
Ihre Angebotspalette erstreckt
sich von der konventionellen,
zerspanenden Fertigung über
Stahlbauarbeiten,bishinzurFer-
tigung von elektropneumatisch
gesteuerten Automatisierungs-
anlagen. „Wir führen sowohl
Schweiß,- Fräs- und Schneide-
arbeiten von schweren Profil-
stahl-Konstruktionen bis zu ei-
ner Höhe von 4.500mmals auch
von dünnwandigen Schweiß-
konstruktionen aus. Außerdem
bieten wir Dreharbeiten bis zu
einer Spitzenlänge von1500mm
und einer Spitzenhöhe von 250
mm an“, erklärt Buchen. In der
Zerspanung und Beschaffung
von Aufträgen sieht er seinen
Arbeitsschwerpunkt. Michael
Ruckes ist für schweißtechni-
schenBereichzuständigundma-
nagt den kaufmännischen Teil.
Außer denbeidenGeschäftsfüh-
rern arbeiten noch zwei Fach-
arbeiter und eine Teilzeitkraft in
der Verwaltung mit.
Obwohl der Arbeitstag der bei-
den Jungunternehmer nicht sel-
ten 16 Stunden hat, haben sie
den Schritt in die Selbständig-
keit bisher nicht bereut. „Wir
haben inzwischen so viele Auf-
träge, dass wir daran denken,
weitereFachkräfteeinzustellen.“
Auch die Lehrlingsausbildung
und damit das Heranziehen des
eigenen Nachwuchses wird in
absehbarer Zeit ein Thema sein.
Genau hingeschaut: Die Jungmeister Buchen (rechts)
und Rückes haben eine Marktlücke gefunden.
Schon im ersten Kriegs-
jahr sind die negativen
Folgen für das Handwerk
unübersehbar. Innerhalb
von zwei Jahren fällt die
Zahl der Betriebe von
20.112 auf 15.652; auch
die Zahl der beschäftigten
Gesellen und Lehrlinge
geht zurück. Heeresliefe-
rungsaufträge bieten nur
unzureichenden und le-
diglich auf einige Gewerbe
beschränkten Ausgleich.
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