Handwerk Special Nr. 76 vom 16. August 2000 - page 8

Für die Erfüllung ihrer
sozialen Aufgaben hatte
die HwK bisher auf Stif-
tungen und Fonds zurück-
gegriffen, und gleichzeitig
für die Einrichtung von
Innungskrankenkassen
geworben. Am 1. Juli 1901
wird auf ihr Betreiben hin
die „Kranken- und Be-
gräbniskasse selbständiger
Handwerksmeister und
Gewerbetreibender in Ko-
blenz“ gegründet, die En-
de des Jahres bereits 400
Mitglieder zählt.
1901: Kammer nimmt sich ihrer sozialen Aufgaben an.
Die Landschaft ist ausgesprochen idyllisch, Felder, Wiesen und Wäl-
der, soweit das Auge reicht, sanfte Höhen, über die an diesem sommer-
lich heißen Tag nicht der „Wind so kalt“ weht, sondern allenfalls ein
leichtes, erfrischendes Lüftchen. Eingebettet in die Höhen des Wester-
walds liegt, überragt vondermalerischenRuine derBurg, das beschau-
liche, 750 Jahre alte Hartenfels. Himmlische Ruhe, die kaum vom
Krähen eines Hahns, von einem Traktor oder von den Maschinen
gestört wird, die Friedel Braun in seinerWerkstatt einschaltet. Manch-
mal kommt dazu noch ein bisschen Musik, dann nämlich, wenn der
Tischlermeister auf der Posaune übt.
Werkstatt und Musik. Das, er-
klärt Friedel Braun, seien die
beiden wichtigsten Pole in sei-
nem Leben. Die Werkstatt, die
Holzverarbeitung, die er 1980
von seinem Vater Wilhelm, der
sie seit Kriegsende führte, über-
nahm. Die Musik, die er seit 40
Jahren mit der Burgkapelle Har-
tenfels macht, erst auf dem Te-
norhorn, dann auf der Posaune.
„Konzertante Blasmusik, nicht
das, was man üblicherweise zu
hörenkriegt.“Stolzerzähltervon
dem bisher größten Erfolg der
Kapelle, der Teilnahme amBlu-
menkorso in Nizza. „Um dorthin
zukommen,mussman gut sein“.
VomKunden zumZulieferer
Grund zum Stolz hat er auch bei
seinemBetrieb, denn der wird in
diesem Jahr immerhin 100 Jahre
alt. Gegründet wurde er von Pe-
ter Braun, Tischlermeister und
Landwirt. 1908 richtete er eine
eigene Werkstatt ein, zwanzig
Jahre später kaufte er eine grö-
ßere Schreinerei in der Wallgra-
benstraße. 1935 – mittlerweile
hatte auch Sohn Wilhelm seine
Meisterprüfung gemacht -, ver-
nichtete ein Brand nicht nur sein
Meisterstück,sonderndasGebäu-
de, dieMaschinenunddenHolz-
vorrat. Die Fenster für die neue
Werkstatt, die ein Jahr später
größer und geräumiger an glei-
cher Stelle wieder aufgebaut
wurde, lieferte die Firma Huf.
Heute ist es genau umgekehrt,
arbeitet die Tischlerei, und das
seit nunmehr 40 Jahren, vor al-
lem als Zuliefererbetrieb für die
zum renommierten Fertighaus-
produzenten avancierte Firma,
stellt beispielsweisedie ganz aus
Massivholz gefertigten, großzü-
gig dimensionierten Schieb-He-
be-Türen her, die viel Licht und
Luft in die Wohnzimmer der
Huf-Häuser fallen lassen wer-
den. „Sicher kann es manchmal
auch problematisch sein, wenn
man im wesentlichen auf einen
Auftraggeber fixiert ist, aber für
uns als klei-
nen Be-
trieb ist es
fast die
einzi-
geChan-
ce überhaupt rentabel zu arbei-
ten“, erklärt Friedel Braun, der in
den 70er Jahren als einer der
ersten auch den
Betriebwirt des
Handwerks bei der Handwerks-
kammer in Koblenz
machte (sie-
heKasten links). SeinSohnTho-
mas, der 1996 die Gesellenprü-
fung ablegte, arbeitet, zusam-
men mit einem anderen Gesel-
len, in der Werkstatt mit „und
wird sie wohl auch mal über-
nehmen“. Spricht’s und widmet
sich wieder der Arbeit an einer
solide und gediegen gefertigten
Haustür, die er im Auftrag eines
Privatkundenherstellt.Qualität-
volle Bauschreinerei, die Her-
stellung von Türen, Fenstern,
Treppen ist heute insgesamt der
Hauptarbeitsbereich der Holz-
verarbeitung Braun. Vielleicht
wird ihr Geburtstag ja auch mu-
sikalisch gefeiert!
Ein Jahrhundert liegt es jetzt zu-
rück, dass die Familie Braun aus
dem Westerwälder Hartenfels ihre
Schreinerei gründete, die heute
Friedel Braun (rechts) führt.
HwK-Weiterbildung: Betriebswirt des Handwerks
Der Studiengang „Betriebswirt des Handwerks“ hilft Betriebsin-
habern, leitenden Mitarbeitern und Unternehmerfrauen ihr
Führungswissen zu verbessern. Themen zur Betriebswirtschaft,
Volkswirtschaft, Personalführung, Vertrags-, Arbeits- und
Steuerrecht, Finanz- und Rechnungswesen werden vermittelt.
nächster Termin: Vollzeit ab 4. Oktober. Info-Tel: 0261/398-110.
Nicht nur die Handwerkskam-
mer Koblenz kann sich über ein
„100-Jähriges“ freuen - auch
ein anderer Koblenzer Hand-
werksverband blickt 2000 auf
100 Jahre zurück: Der Hand-
werkerverein Arzheim.
Als sich am 12. August 1900 in
einem Arzheimer Gasthaus 33
Handwerker trafen, um „ihren“
Handwerkerverein zu gründen,
gab es dafür handfeste Gründe:
neben „wirtschaftlichen und ge-
werblichen Erleichterungen“
ging es um kostengünstigeSam-
melbestellungenvonKohle,Kaf-
fee, Butter und selbst Kautabak.
Auchwennder „Einkauf begehr-
terProdukte“fürdenHandwerks-
alltag heute nicht mehr im Mit-
telpunkt desVereinslebens steht,
so hat sich die Philosophie in 100
Jahren Handwerksverein nicht
geändert:EsgehtumdenZusam-
menschluss von Handwerkern
verschiedenerGewerke ineinem
Verein, der ihre Interessen wi-
derspiegelt.
Nach der Gründung durch 33
Handwerker wuchs die Mitglie-
derzahl schnell an, bereits nach
einemJahr hatte sie sich verdrei-
facht. Während des erstenWelt-
krieges kam das Vereinsleben
zum Erliegen, nach den Kriegs-
jahren entwickelte sich ein wirt-
schaftlicher Aufschwung und
damit stiegen die Mitgliederzahl
auch im Handwerkerverein.
Mit der Machtübernahme der
Nazis begann 1933 eine schwe-
re Zeit für die Arzheimer Hand-
werker: Auf Anweisung des
Reichskohlenverbandes wurde
bereits 1934 die Lieferung von
Kohle und Briketts eingestellt,
dem zweiten Weltkrieg fielen
vieleVereinsmitgliederzumOp-
fer.
Nach den schweren Jahren be-
mühte sich der damalige Vorsit-
zende Johann Maurer, einer von
fünf Vorsitzenden in 100 Jah-
ren, die Arzheimer Handwerker
wieder imVerein zusammenzu-
führen. Erfolgreich,wie das 100.
Jubiläum belegt, das mit einem
Festkommers am 19. August in
derArzheimerTurnhalleundmit
einem Fest mit Markt und Um-
zug am 26. August begangen
wird. Schirmherr der Feierlich-
keiten ist HwK-Präsident Karl-
Heinz Scherhag (MdB).
Handwerkerverein mit 100-jähriger Geschichte: Am 16.
August 1900 gründeten 33 Handwerker „ihren“ Verein.
1,2,3,4,5,6,7 9,10,11,12,13,14,15,16,17,18,...34
Powered by FlippingBook