Handwerk Special Nr. 76 vom 16. August 2000 - page 6

Im Dialog! Am Mittwoch,
27. September, 18 Uhr, dis-
kutieren Christoph Böhr,
CDU-Fraktionsvorsitzender
im rheinland-pfälzischen
Landtag, und SWR-Chefre-
dakteur Bernhard Nellessen
über die Verantwortung von
Kommunikation und Infor-
mation im 21. Jahrhundert.
Ab der Mitte des 18. Jahr-
hunderts: Herrnhuter kur-
beln Handwerk an. Die
Grafen und Fürsten zu
Wied schufen mit ihrer
Toleranz die Vorausset-
zung für die Ansiedlung
von Glaubensflüchtlingen
wie der Herrnhuter Brü-
dergemeine, die sich ab
1750 in der Stadt Neuwied
niederlässt und berühmte
Handwerker hervorbringt,
allen voran Abraham und
David Roentgen.
Hier geht der Rundgang durchs
Schloss weiter...
Oben, auf dem Gang zum Kai-
sersaal, zeigen Fotografinnen
und Fotografen, die von Berufs
wegen durch die Linse schauen,
ihre Arbeiten. Auch in Zeiten
digitaler Bildbearbeitung haben
sie den Blick fürs lohnende Mo-
tiv, das Gespür für den richtigen
Augenblick, sind Gestalter und
Zeitzeugen,derenBilderdieZeit,
in der wir leben, anschaulich
dokumentieren.
So leicht und angenehm wie
möglich versuchen die Hand-
werker das Leben zu machen,
die sich in unmittelbarer Nach-
barschaft präsentieren, die Ge-
sundheitshandwerke, die Opti-
ker, Zahntechniker, Hörgeräte-
akustikeroderOrthopädieschuh-
macher. In diesem Bemühen
werden sie unterstützt durch die
Nahrungsmittelhandwerke,durch
Bäcker, Konditoren und Flei-
scher.
Werkzeuge des „Hand-Werk“
Ins Schauen und Lesen vertieft
bin ich nahezu unbemerkt im
Spiegelsaal angelangt. Witzig,
wie man hier das „Hand-Werk“
wörtlichgenommen,inseineBe-
standteile zerlegt hat. Hände an
den Wänden, per Polaroid foto-
grafiert, die etwas gemacht ha-
ben oder gerade machen, Hände
bei derArbeit, unverzichtbarmit
ihrerGeschicklichkeitselbstdann,
wenn ihnen die besten Werk-
zeuge zur Verfügung stehen.
Auch an Hand dieser Werkzeu-
ge, mit denen Materialien ge-
formt, getrennt, verbunden wer-
den, lässt sich die Historie des
Handwerksvorzüglichnachvoll-
ziehen, bis hin zur sprachgesteu-
erten Maschine, zu Robotern,
CNC-, CAD- und Laseranlagen.
Technologischer Fortschritt in
praktischer Nutzung, gefördert
von den Experten in den HwK-
Zentren, wie dem Metall- und
Technologiezentrum.
Fürstliche Tafel mal anders
Ihren Höhepunkt erreicht die
Inszenierung in Sachen Hand-
werks- und Kammergeschichte
–Nomen est Omen! – imKaiser-
saal des Schlosses, mit einer 17
Meter langen Tafel der anderen
Art. Gedeckt nicht (oder zumin-
dest nicht ausschließlich)mit ed-
lemTafelsilber oder noblemGe-
schirr, sondern mit all dem, was
Handwerk heute produziert.
Vielfalt, die begreiflich Gestalt
gewinnt (unterstützt auch durch
eine Projektion mit Handwerks-
impressionen), vom meisterlich
entworfenen und ausgeführten
Schmuckstück über nicht weni-
ger meisterlich geformte und
glasierte keramische Gefäß bis
hin zum Fahrzeugteil aus Car-
bon. Angereichert wird diese
Vielfalt durch die in Vitrinen im
Kaisersaal zubeschauendenPro-
dukte der Länder, mit denen die
HwK Koblenz im Rahmen von
Partnerschaftsprojekten zusam-
menarbeitet - z. B. auf tradi-
tionelle Art und Weise herge-
stelltes Maulbeerpapier oder
Seide aus Laos, reich verzierter
Silberschmuck aus Kambod-
scha, in überlieferten Mustern
Gewebtes aus dem Senegal, Ge-
schnitztes und Gesticktes aus
Bulgarien.
Feiern in und mit der Stadt
Anschaulicher, farbiger ließe
sich handwerklicher Facetten-
reichtum kaum vermitteln, kla-
rer auch nicht der Spagat zwi-
schen Tradition und Innovation
nachvollziehen, den die Hand-
werkskammer seit nunmehr 100
Jahren nach Kräften befördert.
In, wie Heiko Bartels es formu-
lierte, besonders enger Verzah-
nung mit der Stadt Koblenz, so
als Anbieter von Aus- und Wei-
terbildung und auch Kultur, in
der hauseigenen Galerie. Da
drängte sich das „Miteinander“
imTitel der Ausstellung gerade-
zu auf. Kein Wunder also, dass
dieKammer ihren 100. Geburts-
tag in und mit der Stadt feiert,
die Ausstellung garniert mit
Kongressen, Konzerten, Vorträ-
gen und ein zünftiges Hand-
werksfest in der Schlossstraße.
Für das umfassende Begleitpro-
gramm wird der stimmungsvol-
le Garten des Schlosses genutzt.
Apropos Schlossgarten: Der
wird während der Ausstellung
aus seinem Dornröschenschlaf
geweckt, wird durch das laute
TuckernalterTraktoren,dasFau-
chen hochgetunter Rennwagen
und das Schnaufen historischer
undmodernerMotorräderwach-
gehalten. Der Duft der weiten
Welt ist hier zu atmen - auch
wenn er ein bischen nach Öl und
Benzin oder sogar nach Pferd
richt. Hier dreht sich alles um
das Thema „Handwerk macht
mobil“, geht dieAusstellung auf
handwerkliche Leistungen in
und um das Auto ein, stellt Ar-
beitenvonHandwerkerndar, die
uns (Auto)Mobilität erst mög-
lichmachen. Zu sehengibt’sLei-
terwagen aus der Werkstatt des
Stellmachers, Fahrzeuge aus der
Nachkriegszeit, bei deren An-
blick sich manch älterer Hand-
werksmeister an die Zeit des
Wirtschaftswunders, an seine
eigenen unternehmerischen An-
fänge erinnert fühlen mag. Zu
sehen sind aber auch super-
luxuriöse, handgearbeitete
Wohnmobile, schwimmende
Untersätze auf Rädern oder
Rennwagen,dieimübrigenwäh-
rend der Ausstellung auf die
Rennstrecke entlassen werden,
anschließend zurück nach Ko-
blenz „rasen“.
Ganz in Ruhe lässt sich im
SchlossgartenGesehenes,Erleb-
tes bei einer kleinen Erquickung
verarbeiten. Bei schlechterem
Wetter offeriert die ein Aus-
stellungscafé auch drinnen im
Schloss. Viel Spaß bei Ihrem
eigenen Rundgang - ab 25. Au-
gust und bis 1. Oktober!
Derjenige, der in einem Haus
nach dem Rechten sieht, sich
um die großen und kleinen
Problemchen im Alltag küm-
mert, heißtHausmeister. Konse-
quenterweisekommt dieseRolle
in einem Schloss dem „Schloss-
meister“ zu.
Erwin Löffler ist der gute Geist
imKurfürstlichenSchlosszuKo-
blenz, geht es um Türen oder
Schlösser im Schloss, die klem-
men, kaputte Glühbirnen, die
ausgetauscht werden müssen.
Doch immer dann, wenn Aus-
stellungen in das altehrwürdige
Gemäuer einziehen - dasSchloss
hat heute mehr als 200 Jahre auf
dem Buckel, bzw. Schieferdach
- immer dann kümmert sich der
64-jährige nicht umumAlltägli-
ches, sondern sorgt mit seiner
Arbeit für einen reibungslosen
Aufbau, packt bei den Vorberei-
tungen selbst mit an. Von 6 bis
18Uhr dauert dann seinArbeits-
tag.
Insgesamt 9000 Quadratmeter
Bürofläche sind im Schloss „zu
Hause“, darunter die Räume des
Bundesvermögensamtes, des
Zollfahndungsamtes und des
Zollhauptamtes. Zu den Räum-
lichkeiten, umdie sich „Schloss-
meister“ Löffler kümmert, ge-
hören auch der Kaiser- , Garten-
undSpiegelsaalmitfast900Qua-
dratmeternFläche.Hierwirdsich
ab 25. August die Ausstellung
„Miteinander: Leben, Wohnen,
Arbeiten“ den Besuchern prä-
sentieren, die anlässlichder 100-
Jahrfeier der HwK Koblenz im
Kurfürstlichen Schloss stattfin-
det. Dann wird Erwin Löffler
alltäglich um 9 Uhr die schwe-
ren Schlosstüren für die Besu-
cher öffnen (Öffnungszeiten:
Mo-Fr, 9 bis 18 Uhr; Sa-So, 11
bis 19 Uhr).
Auf die Frage nach dem Ereig-
nis „mit dem größten Erinne-
rungswert aus 34 Jahren Berufs-
leben“ - im kommenden Jahr
geht Erwin Löffler in den wohl-
verdienten Ruhestand - erinnert
er sich an eine Gegebenheit, die
eigentlich nichts mit seiner Ar-
beit zu tun hat. Während einer
Veranstaltung der Grenzschutz-
direktion, dievor demSaal durch
zwei Uniformierte „bewacht“
wurde,betratein„jungerMensch“
das Schloss, ging auf die beiden
„Grenzschützer“ zu, fragte sie
etwas, sprach mit ihnen. Plötz-
lich kam es zu einer handfesten
Auseinandersetzung, indie auch
Löffler verwickelt wurde.
Schließlich hatte man den Ru-
hestörer zur Raison gebracht.
Löfflerwollte denGrund für den
„Wutanfall“ wissen und bekam
vom Eindringling als Entschul-
digung zu hören, er habe auf
seine Frage nach derAbfahrt des
nächsten Zuges ins Lahntal von
den Bahnangestellten - die mit
der Uniform - keine Antwort
bekommen. DerMann hatte sich
in der Adresse geirrt und das
Kurfürstliche Schloss mit dem
Koblenzer Hauptbahnhof ver-
wechselt. Schönes Koblenz, das
mit seinen vielen baugeschicht-
lichen Sehenswürdigkeiten vie-
len Freude beschert, manchem
aber auch Verwirrung!
Erwin Löffler ist seit 34
Jahren Hausmeister im
Koblenzer Schloss.
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