Handwerk Special Nr. 76 vom 16. August 2000 - page 5

16. Jahrhundert: Schlech-
te Kost macht Gesellen re-
bellisch. Mit dem mündli-
chen Arbeitsvertrag wer-
den Gesellen automatisch
Mitglied des Meisterhaus-
halts mit Anspruch auf
Kost und Logis. In Zeiten
knappen und teuren Nah-
rungsangebotes versuchen
Meister in Bundesbriefen
die Fleischmahlzeiten zu
begrenzen - das macht die
Gesellen unzufrieden und
rebellisch.
Fortsetzung der Vorderseite
Erdgeschoss um – und bleibe
bereits hier länger als geplant.
Gefangen nimmt mich u. a. der
„Blaue Saal“, in einen moder-
nen multimedialen Archivraum
verwandelt.Handwerksgeschich-
te zum Anschauen, Begreifen,
Nachschlagen, Erkunden, per
Buch, Video, PC, Internet.Wem
der notwendig begrenzte Aus-
schnitt, den die Ausstellung aus
dieserHandwerksgeschichtebie-
tet, nicht ausreicht, kann hier, je
nach eigenen Interessenschwer-
punkten, diese Auswahl belie-
big erweitern. Kann sich z. B.
davon überzeugen, wie intensiv
sichmittlerweile Handwerksbe-
triebe des Internets als schnelles
Kommunikations- und Informa-
tionsmediums bedienen. Moch-
ten es in den Anfangsjahren der
Kammer Industrialisierung und
Maschinalisierunggewesensein,
die den Handwerkern zu schaf-
fen machten – den Schritt ins
Zeitalter der Information und
Kommunikation haben sie ge-
schafft, und das nicht alsMitläu-
fer, sondern als Mitgestalter.
Gestaltung im Handwerk
Gestaltung scheint ohnehin ein
Zauberwort, das sich durch alle
Bereiche der Ausstellung zieht.
MitHändenzugreifenbeispiels-
weise bei den Ergebnissen des von
derHandwerkskammerKoblenz
ausgeschriebenen Designwett-
bewerbs, frisch-fröhlich auf der
(künstlichen) grünen Wiese in
Szene gesetzt, bei denObjekten,
die von Handwerkern und Desi-
gnern entworfen wurden.
Objekte, die Form und Funktion
einfallsreich auf einen Nenner
bringen, so schönund/oder nütz-
lich, dassman gernemit ihnen le-
ben oder wohnen würde. Leben
oder wohnen auch in den Häu-
sern, die angehende Architekten
im Rahmen des gleichfalls von
der HwK ausgelobten Architek-
turwettbewerbs entwickelt ha-
ben, Starterhäuser für junge Fa-
milien, die sich mit vergleichs-
weise wenig Aufwand an die Er-
fordernisseunterschiedlicherLe-
bensabschnitte anpassen lassen.
ErgebniseinesWettbewerbs,aus-
geschrieben von der Pädagogi-
schenAnlaufstelle, sind auchdie
Fotos, die mich imTreppenhaus
nach oben begleiten, aufgenom-
menvonSchülern, die damit ihre
eigene Sicht auf das Handwerk
dokumentieren, genausowie die
Schülerzeitungsredaktionen.Vie-
le der Jugendlichen werden sel-
ber imHandwerk ihr berufliches
Standbein finden, in einemWirt-
schaftssektor mit zeitgemäßer,
praxisnahe Ausbildung und der
ChancenachderMeisterprüfung
einen eigenen Betrieb zu grün-
den oder einen bereits existie-
renden zu übernehmen.
Lesen Sie die Fortsetzung auf
der nächsten Seite.
Die Handwerkskammer
Koblenz feiert ihren 100-
jährigen Geburtstag mit
einem bunten Strauß von
Veranstaltungen. Was wollen
Sie damit erreichen?
100 Jahre Handwerkskammer
Koblenz bedeutet 100 Jahre
organisiertes Handwerk im
nördlichen Rheinland-Pfalz.
Das Handwerk hat in dieser
Zeit zwei Weltkriege, wirt-
schaftliche Katastrophen, Wäh-
rungsreformen und verschiede-
ne politische Systeme über-
standen. Aber in keiner Peri-
ode hat sich das Handwerk so
verändert, wie in den letzten
50 Jahren.
Können Sie das anhand von
Beispielen belegen?
Der marktwirtschaftliche Aus-
leseprozess förderte die Anpas-
sungsfähigkeit des Handwerks
und hat es zu einem Stabilitäts-
faktor in unserer Wirtschaft
gemacht. Heute beschäftigt das
Handwerk im Kammerbezirk
20 Prozent der Erwerbstätigen,
bildet 38 Prozent aller Lehrlin-
ge aus und steuert 16 Prozent
zum Bruttoinlandsprodukt bei.
Eine bemerkenswerte Erfolgs-
story. Dies gilt es zu feiern, die
Öffentlichkeit für diese Lei-
stung zu interessieren. Wir
wollen an die Wurzeln erin-
nern und die Zukunftsfähigkeit
des Handwerks demonstrieren.
Die Feierlichkeiten stehen
unter dem Motto: Miteinan-
der Leben, Wohnen, Arbei-
ten. Was steckt dahinter?
Das Handwerk ist ein typischer
Vertreter der mittelständischen
Wirtschaft. Der Mensch und
nicht das Kapital stehen im
Zentrum der handwerklichen
Leistungserstellung. Ähnliches
gilt für die Begriffe Wohnen
und Leben. Miteinander ver-
knüpft die Begriffe zu einem
humanen Gesamtausdruck.
Lebensqualität, Gesellschaft,
Umwelt und Kultur lassen sich
zuordnen, aber auch der Ge-
staltungswille für die Zukunft.
In einer Welt der Globalisie-
rung und damit steigender Ano-
nymität zeigt das Handwerk
ein menschliches Angesicht.
Tradition und Zukunft sind
Inhalte fast aller Veranstal-
tungen der 100-Jahr-Feier.
Eine Gegenposition zur heu-
tigen Internet-Gesellschaft?
Das widerspricht sich nicht.
Wir wollen zeigen, wo wir
herkommen und wohin der
Weg geht. Wir wollen aber
auch zeigen, dass Traditionel-
les durchaus seinen Platz in
der heutigen Wirtschaft hat.
Wir werden keine allesumfas-
sende virtuelle Welt bekom-
men. Die reale Welt wird die
Basis für virtuelle Teilbereiche
sein. Das Handwerk hat seine
Entwicklungsfähigkeit längst
unter Beweis gestellt und nutzt
modernste Technologien. Tra-
dition und Zukunft beschrei-
ben diese Spannweite.
HwK-Präsident
Karl-Heinz Scher-
hag (MdB) und
seine Gedanken zu
100 Jahren Hand-
werkskammer
Koblenz, das
Handwerk Ges-
tern, Heute und Morgen und
eine große Feier, zu der die
Handwerkskammer Koblenz
herzlich einlädt.
Herein- gebraust! Professor Heiko
Bartels auf einem Star der Ausstel-
lung, Baujahr 1929. Von ihm, Professor für
Produktdesign an der Bauhaus-Universität
Weimar, stammt das Konzept der Ausstellung
im Schloss.
Planung und
Umsetzung: Im
Kaisersaal
werden auf einer
17 Meter langen
Tafel handwerkli-
che Spitzenleis-
tungen verschie-
dener Zeiten
präsentiert.
Auch vor dem Schloss wirft die
Ausstellung ihre Schatten vor-
aus: In riesigen Schaukästen aus
Stahl und Beton bieten heimische
Baustoffe Einblicke in ihr
„Innenleben“.
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