Handwerk Special Nr. 72 vom 3. Januar 2000 - 100 Jahre Handwerkskammer Koblenz - page 7

paar Mark mehr
ausgeben, um
wertbeständige-
reSchuhezube-
sitzen. Die Ar-
beit beginntmit
dem Entwurf,
dannwerdendie
passenden Lei-
sten hergestellt.
Nach dem Vernä-
hen der einzelnen
Lederteilekommenab-
schließendSohleundAb-
satz unter den Schuh und die
Innensohle hinein. Ein Maß-
schuh ist immer noch eine Spit-
zenleistung meisterlicher Hand-
werksarbeit,auchwennsichheu-
te in der Werkstatt von Peter
Görgen neben traditionellen Ar-
beitswerkzeugenmodernsteMa-
schinen befinden. Görgen weiß
das zu schätzen, denn es erleich-
tert ihm die Arbeit.
Zukunft gesichert
Alexander Geld, sein Geselle,
hat sich gut eingearbeitet und
beherrscht alte wie auch moder
trag zum körperlichen Wohlbe-
finden, gerade, da Senk-, Platt-
und Spreizfüße nicht mehr nur
die Ausnahme sind. Wer also
vorhat die Welt mit seinen Sie-
benmeilenstiefeln genüßlich zu
durchschreiten, der sollte auf
Qualität achten und sich beim
Schuhmacher beraten lassen.
Sachgerechte Reparatur
Das orthopädische Schuhwerk
umfasst einen großen Teil der
Arbeit, die Peter Görgen täglich
vollbringt. Zu denAufgaben des
Schuhmachers gehört aber auch
die sachgerechte Reparatur und
Pflege.Da ist dieHanddes Fach-
manns gefragt, denn es gehört
einiges dazu, einen Schuh fuß-
gerecht zu reparieren. Dass im
Schuhmacherhandwerk auch
modische Aspekte eine Rolle
spielen, versteht sich von selbst.
So reichen die Aufgaben auch in
den Bereich des Umfärbens von
Lederwaren hinein - das spart
GeldundderLieblingsschuhprä-
sentiert sich inmodischer Farbe.
Fuß-Genuss
Gelegentlich kommt Obermei-
ster Peter Görgen auch in den
Genuss, nach alten Methoden
und mit neusten technischen
Hilfsmitteln ein Paar Qualitäts-
schuhe von Hand zu fertigen.
Seine Kunden nehmen dafür
auch gerne einen längeren An-
fahrtsweg von bis zu 100 km in
Kauf. Denn auch heute gibt es
noch Menschen, die gerne ein
bleibt bei Peter Görgen jedoch
kein Kundenwunsch unerfüllt.
„Gerade in einer Zeit, da sich
auch die Folgen der Turnschuh-
welle zu zeigen beginnen und in
Plateauschuhen ihreFortsetzung
finden ist ein solches orthopädi-
sches Wissen unerläßlich“, so
Peter Görgen. Denn was mo-
disch ist, ist noch lange nicht
gesund.
Wenn es drückt
Leider ist der Fuß häufig das
Letzte, worüber man sich Ge-
danken macht. Vom Kopf am
weitesten entfernt, widerfährt
ihm häufig die wenigste Beach-
tung und so fristet er nur zu oft
ein trauriges Leben im Schuh.
Wie wichtig gutes Schuhwerk
aber ist, zeigt auch eine übergro-
ße Abbildung zweier Fußsohlen
in der Werkstatt von Peter Gör-
gen. Auf ihr sind alle Gebiete
eingezeichnet, die auch bei der
Fußreflexzonen-Massage Be-
rücksichtigung finden. Anhand
wissenschaftlicherAnalysenläßt
sich genau feststellen, wie sich
Druckstellen am Fuß auf unser
Befinden auswirken. Der vom
Schuhmacher gefertigte
Schuh ist dann in seiner
orthopädischen Qua-
lität ein guter Bei-
Als eines der ältesten Zunftzeichen überhaupt gilt heute das der
Schuhmacher. 1370 verlieh Kaiser Karl IV. dem deutschen
Schuhmacherhandwerk das Recht, für ewige Zeiten den kaiserli-
chen Doppeladler als Wappen und Siegel zu führen – ein Zeichen
des Dankes für die heldenhaften Taten des Schuhmachergesellen
Hans Sagan, der mit seinem beherzten Einsatz in der Schlacht bei
Rudau dem deutschen Ritterorden zum Sieg über die Litauer
beitrug. Das kaiserliche Wappen zeigt im Gegensatz zu allen
anderen Handwerkswappen keine Werkzeuge oder Produkte.
Parallel zu demmehr als 600 Jahre altenWappen entwickelte das
Schuhmacherhandwerk 1980 ein zweites, handwerksbezogenes
Emblem, dass ein stilisiertes S mit “umschlungener” Sohle zeigt.
Beide Wappen sind heute Zeichen des deutschen Schuhmacher-
handwerks. Noch heute werden die Sagen, die mit den Wappen
der Handwerkszünfte verbunden sind, von den Meistern an ihre
Lehrlinge weitergegeben. Denn Tradition verpflichtet und zeich-
net das Handwerk und seine Meisterbetriebe aus.
Kaiserliches
Zunftwappen
der Schuh-
macher
von 1370.
Das Schuhmacher-Duo aus Zell:
Obermeister Peter Görgen (r.) und
sein Geselle Alexander Geld.
Sollte Ihr Fußmal in der Klem-
me stecken, kann Ihnen hier
ganz bestimmt weitergeholfen
werden:ObermeisterPeterGör-
gen führt in Zell an der Mosel
einenSchuhmacherbetriebund
dies in 150-jähriger Familien-
tradition. Den elterlichen Be-
trieb hat er 1964, zwei Jahre
nach seiner Meisterprüfung,
übernommen. Seitdem verfolgt
er stets die Wünsche und Be-
dürfnisse seiner Kunden und
vereinttraditionellesHandwerk
mitaktuellenAnsprüchen.Sein
Geselle Alexander Geld steht
ihm dabei zur Seite.
Peter Görgen hat früh erkannt,
in welche Richtung sich der ge-
sellschaftlicheTrendentwickel-
te. Übergewicht gehört zu den
Erscheinungen, die sich am
deutlichsten auf die Ansprüche
derKundschaft auswirken, aber
auch die Folgen von Unfällen
sind eine Ursache dafür, dass
Schuhe umgearbeitet werden
müssen. UmdenWünschen der
Verbraucher zu folgen hat er
1975 zusätzlich zum Schuhma-
chermeister seinenOrthopädie-
meister gemacht, und sein Lei-
stungsangebot erweitert. Zur
Meisterprüfung gehörte auch
ein theoretisch-ärztlicher Teil,
so dass er jetzt bei Bedarf direkt
einen Fußabdruck vom Kun-
den nimmt. VomAbdruck wer-
den dann die Leisten gearbeitet
oder auch Teileinlagen für das
Schuhinnere erstellt, um letzt-
lich individuelles, fußgerech-
tes Schuhwerk zu erhalten. Mit
modernen Schuhzurichtungs-
und Anatomiekenntnissen
neTechniken imSchuhmacher-
handwerk gleichermaßen. Aus
Kasachstan kam er an die Mo-
sel und nach nur fünf Jahren
beherrscht er die deutscheSpra-
che nunnahezuproblemlos. Bei
Peter Görgen absolvierte er die
Ausbildung, die er bereits nach
zwei Jahren erfolgreich ab-
schließen konnte. Er hat er-
kannt, dass die Aufgaben des
Schuhmachers viele neue Her-
ausforderungen stellen und es
zukünftig nicht an Arbeit man-
geln wird. Industriell gefertigte
Schuhe sind zwar häufig gün-
stiger, doch bleiben die Folgen
nicht aus. Dann ruft die Arbeit.
Ganz individuell wird dann die
Fußbettung für denKundenum-
gearbeitet. Das Wohlbefinden
am Fuß wird vielen Menschen
immer mehr zum Anliegen,
denn schließlich sind es doch
dieFüße, die einen täglichüber-
all hintragen. Peter Görgen ist
stolz auf seinen Gesellen, der
nun schon die Meisterprüfung
ins Auge gefasst hat. Sorgen
um die Nachfolge muss er sich
also nicht machen.
Im Gefolge der
Reformation wächst
die Unzufriedenheit
unter den Handwer-
kern, deren politischer
Einfluss mit ihrer
wachsenden Wirt-
schaftskraft nicht
Schritt hält. In
mehreren Städten, u.
a. in Boppard, Ober-
wesel und Koblenz,
fordern sie eine
umfassendere Beteili-
gung an den Rats-
entscheidungen.
14.1
16. Jahrhundert – Handwerker werden politisch aktiv
1,2,3,4,5,6 8,9,10,11,12,13,14,15,16,17,...50
Powered by FlippingBook