Handwerk Special Nr. 72 vom 3. Januar 2000 - 100 Jahre Handwerkskammer Koblenz - page 5

„Einbisschenkomischistmir
der Gedanke schon noch, ob-
wohl ja seit Jahren feststand,
dass ich den Betrieb einmal
übernehmenwürde!“Friseur-
meisterin Ellen Rosenbach
muss sich erst daran gewöh-
nen, ab dem 1. 1. 2000 Che-
fin in den beiden Salons des
elterlichen Betriebs in Eitel-
born und Neuhäusel zu sein.
„Deshalb bin ich auch,“ ge-
steht sie freimütig zu, „mei-
nen Eltern dankbar, dass sie
trotz derÜbergabe nochwei-
ter mitarbeiten und mir mit
Rat und Tat zur Seite stehen
wollen.“
Rasur beim Skat
Immerhin ist das Frisieren
bei den Rosenbachs bereits
fast 100 Jahre lang Familien-
sache. „Mein Urgroßvater
Peter hat um 1907 als Her-
renfriseur angefangen, in der
Oberdorfstraße, zunächst al-
lerdings nur nebenruflich,
neben seinerArbeit imStein-
bruch.“ Einen Friseursalon
gab’s noch nicht, stattdessen
wurdeninderKüchedieHaa-
re geschnitten und die Bärte
rasiert – eine wichtige Dienst-
leitung, machten doch erst nach
dem Ersten Weltkrieg amerika-
nische Soldaten das Selbstrasie-
ren mit austauschbaren Klingen
modern. Die Kundschaft kam
überwiegend abends oder am
Sonntagvormittag; amSonntag-
nachmittag packte Josef Rosen-
bach seinHandwerkszeug in ein
Holzköfferchenundfrisierteund
barbierte auch imDorfgasthaus.
Einmal rasieren beim Skatspiel
– für fünf Pfennig ein preiswer-
tes Vergnügen, bei dem es nicht
allein um männliche Schönheit
ging (für das weibliche Ge-
schlecht galt ein Friseurbesuch
noch immer als unschicklich),
sondern um die Kommunikati-
on, umDorfklatschund–tratsch.
Die ersten Bubiköpfe
Die Kunden waren offensicht-
lich mit den Friseurkünsten Ro-
senbachs, der sie regelmäßig in
Kursen weiterentwickelt hatte,
zufrieden; als er 1927 sein Haus
umbaute, wurde deshalb eine ei-
gene Rasierstube eingerichtet,
durchaus modern mit zwei Be-
dienungsplätzen, elektrischen
Haarschneidegerätenundvor al-
lem, von den Dorfbewohnern
eifrig bestaunt, mit Spiegeln von
zuvor hier nie gesehener Größe
ausgestattet. 1929 wurde der
Friseurbetrieb ganz offiziell in
die Handwerksrolle der Hand-
werkskammer Koblenz einge-
tragen, und ganz offiziell lernte
auch Sohn das Friseurhandwerk
(und bezahlte dafür tatsächlich
noch “Lehrgeld”). Er übernahm
1931, nun hauptberuflich, den
Salon, der nach wie vor auch am
Sonntag geöffnet war, zwischen
Frühgottesdienst und Mittages-
sen. Langsamaber sicherwagten
sich jetzt auch die ersten Damen
hierhin, dem schicken Bubikopf
oder der fesch ondulierten Frisur
halber.
Als Enkel Friedrich 1951 gleich-
falls Friseur lernen wollte, stieß
er bei seinemVater zunächst auf
Widerstand; der Junge setzte sei-
nen Kopf durch und absolvierte
in Bad Ems seine Lehre, machte
1960dieMeisterprüfung und trat
ein Jahr später die Nachfolge an.
Der Zeitpunkt war günstig; mit
der zunehmenden Bevölkerung
wuchs auch die Zahl der Kunden
und damit auch der Salon; Fried-
rich Rosenbaum stellte die erste
Mitarbeiterin ein, erweiterte die
Geschäftsräume, eröffnete 1986
im benachbarten Neuhäusel ei-
nen zweiten Salon. Zu dem Zeit-
punkt stand bereits fest, dass das
Frisieren bei den Rosenbachs
auch in die vierteRunde, pardon:
Generation gehen würde. Toch-
ter Ellen stand in der Friseur-
lehre, „meine Eltern haben mich
aber nie dazu gezwungen, wollte
immer Sekretärin, Sängerin oder
Friseurin werden“.
Styling im neuesten Trend
Wird sie nach der Übernahme
vielverändern?EllenRosenbach,
auch diplomierte Betriebswirtin
imHandwerk, ver-
neint. „Dafür gibt
es keinen Grund,
unsereKundenwa-
ren immer sehr zu-
frieden und sollen
es bleiben.“
Friseurmeisterin Ellen Rosenbach
mit ihren Eltern. Auch nach der
Übergabe werden sie die Tochter
mit Rat und Tat unterstützen.
Sie kommen aus den unter-
schiedlichsten Handwerks-
branchen und haben trotzdem
eine Gemeinsamkeit: Hand-
werksmeisterinnen und Handwerksmeister, die zum historischen
Datum1. 1. 2000 in die Selbständigkeit starten, entweder einen neuen
Betrieb gründen oder einen vorhandenen übernehmen.
DenMeister machteMetallbau-
er aus Stahl-
hofenbereits 1990, damals noch
angestellt in einem Betrieb, der
sich auf Türen spezialisiert hat-
te. Mittlerweile ist er 48 und tut
den Schritt in die Selbständig-
keit nicht ganz freiwillig, son-
dern eher aus Notwendigkeit,
um nicht arbeitslos zu sein. „In
dem Alter kriegt man doch kei-
nen Job mehr!“ Beim gewohn-
ten Metier will er bleiben, sich
auf den bundesweiten Einbau
von Garagen- und vor allem
Industrietoren spezialisieren.
„Erstens kenne ich die Bran-
chesehrgut,undzweitensbrau-
che ich auf diese Art keine gro-
ße Werkstatt, allenfalls ein ge-
räumiges Magazin. Weil ich
flexibel sein und überall arbei-
ten könnenmuss, ist einWerk-
stattfahrzeug wichtiger.“
Silke Lötschert, Friseurmeiste-
rin aus Höhr-Grenhausen, zählt
zu den frischgebackenen Meis-
tern, die zumStart ins neue Jahr-
hundert ihren Betrieb eröffnen.
Deshalb kann sie auch noch,
nach ihrer Meisterprüfung be-
fragt, wie aus der Pistole ge-
schossen deren Datum nennen,
den 25. Januar 1999. Selbstän-
digkeit war bereits das Motiv
für die Meisterprüfung; gelernt
hat sie in Ransbach-Baumbach,
dann in Höhr-Grenzhausen und
die letzten vier Jahre als Friseu-
rin imSporthotel Zugbrücke ge-
arbeitet, zusammen mit einem
Kollegen, den sie gleich mit in
denneuenBetriebinderGrenz-
auer Ladestraße 1 nimmt. Ihr
Konzept für den eigenen Sa-
lon? „Zufriedene Kunden.“
Deshalb möchte sie zunächst
auch einmal „kleineBrötchen“
backen,denBetriebüberschau-
bar halten. „Ich will nicht die
Dollarzeichen in den Augen
haben, sondern mir für die ein-
zelne Kundin oder den einzel-
nen Kunden Zeit nehmen kön-
nen.“WiebeurteiltsieihreAus-
sichten? „Gut natürlich. Sonst
würde ich das Risiko ja gar
nicht auf mich nehmen!“
Gleich Generationensache ist
hier dieBetriebsgründung, denn
Vater und Sohn, Edmund und
Thimo Dreis stehen hinter dem
Unternehmen, das zum Jahres-
auftakt inHimmighofen(Rhein-
Lahn-Kreis) die Pforten öffnet.
Der eine, Edmund, bringt jahr-
zehntelange Erfahrung als Ge-
schäftsführer eines gleichfalls
zur Familie gehörenden, einst
vomVater gegründeten,mit, der
andere, Thimo, dienochbrand-
neue Meisterprüfung als Mau-
rer. „Als das Gespräch darauf
kam, dass meine Söhne gerne
einen eigenen Betrieb eröff-
nen würden, habe ich gleich
gesagt, das unterstütze ich und
steige mit ein,“ erklärt Dreis
senior. Die Chancen für das
neue Unternehmen sind nicht
schlecht,bereitsjetztgibtesAuf-
träge für die nächsten Monate.
Mit einem umfangreichen, kostenlosen Beratungsservice hilft die
HwK Koblenz beim Unternehmensstart: Tel.: 0261/398-241.
In den Städten
schließen sich Hand-
werker zunächst in
religiösen Bruder-
schaften, später in
Zünften zusammen.
Obrigkeitliche Privile-
gien sichern sie ab.
Wer in seinem Hand-
werk selbständig
arbeiten will, muss
einer Zunft beitreten.
Sie regelt auch das
Verhalten der Mitglie-
der untereinander.
13. Jahrhundert – Erste Zünfte entstehen
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