Handwerk Special Nr. 72 vom 3. Januar 2000 - 100 Jahre Handwerkskammer Koblenz - page 6

Eigentlich
müssten sie
alle fünf vom Glück verwöhnt
werden. Schließlich haben sie
in ihrer alltäglichen Arbeit mit
einem Gegenstand zu tun, der
seit langem zu den besonders
geschätzten Glückssymbolen
zählt, die als gutes Orakel na-
türlich gerade bei Jahreswen-
den Konjunktur haben. Um das
Hufeisen geht es und um den
NeuwiederHufbeschlagschmied
RobertHof bzw. diejenigen, die
er in seiner staatlich anerkann-
tenHuflehrschmiede, der einzi-
gen inRheinland-Pfalz undeine
derwenigenbundesweit,zu Huf-
beschlagschmieden ausbildet.
Vier sind es
gegenwär-
tig, die bei
HoffünfMo-
nate lang ler-
nen, um nach
der Prüfung in
eigener Regie
denBerufdesHuf-
beschlagschmieds
ausüben zu dürfen.
Aber so intensiv sie sich
nun auch seit etlichen Wochen
mit allem rund um den Pferde-
huf auseinandersetzen - wes-
halb das Hufeisen als Glücks-
bringer so begehrt ist, weiß kei-
ner ganz genau.
Vom Bischof zum Schmied
BerndRemerscheid aus Lohmar
hat immerhin eine Theorie, er-
zählt eine alte Geschichte von
demenglischenBischofDuncan,
der Hufschmied war, bevor er
den Hammer mit dem Bischofs-
stab vertauschte. Zu dem sei ei-
nes Tages, heißt es, der Teufel
gekommen und habe verlangt,
ihm den Pferdefuß zu beschla-
gen. Der Bischof habe dem teuf-
lischen Begehren vermeintlich
nachgegebenundseinenSchmie-
dehammer wieder ausgepackt,
damit aber nicht dem Höllen-
herrscher das Hufeisen auf-
genagelt, sondern ihn erschla-
gen.
Sicherer weiß Remerscheid
schon eher, weshalb er Hufbe-
schlagschmiedwerdenwill. „Ich
komme vom Lande und bin von
klein auf mit Tieren aufgewach-
sen, deshalb wollte ich auch in
meinem Beruf damit zu tun ha-
ben.“ Das meint ebenfalls Tho-
mas Paul aus Bergheim, der wie
alle Anwesenden mit der erfor-
derlichen Grundausbildung zu
Hof kam, einerMetallbauerlehre
und eineinhalb Jahren Mitarbeit
bei einemHufbeschlagschmied.
ThorstenEgert,derausdemTau-
nuskommt,hatsogarselberPfer-
de. Praktischer sieht CasparBer-
ninghaus die Sache. „Ich finde
es gut, dass man sich als Hufbe-
schlagschmied ohne große In-
vestitionenundohneteureWerk-
statteinrichtung gleich selbstän-
dig machen kann. Werkzeug in
den Kofferraum packen, und ab
geht’s!“
Lernen und schmieden
Vorher aber,wie schonangedeu-
tet, heißt es erst noch einmal: bei
Robert Hof und einem Tierarzt,
der die Anatomiestunden erteilt,
schmieden und büffeln. Hof
kennt sich mit Pferden aus, „ich
komme aus der Landwirtschaft,
wir hatten noch einen Bauern-
hof und Pferde, und in der alten
Dorfschmiede habe ich immer
zugeguckt“. Zunächst, inden60-
er Jahren, schien ein Hufbe-
schlagschmied allerdings man-
gels Rossen wenig rosige Zu-
kunftsaussichten zu haben. Ab
den 70-er Jahren änderte sich
das jedoch wieder. 1978 legte
Hof („Ich bin selber auch als
Turnierreiter geritten!“) deshalb
nach seiner Schmiedelehre in
Münster die Hufbeschlagprü-
fung ab, etliche Jahre später, an-
gesichts des wachsenden Be-
darfs an entsprechend ausge-
bildeten Frachkräften, an einer
bayerischen Schule die Lehr-
meisterprüfung. „Ich hatte er-
kannt, dass es in Rheinland-
Pfalz Nachholbedarf gab, denn
hier existierte keine Hufbe-
schlaglehrschmiede“. 1989
gründete Hof seine Schule.
Hufeisen handgefertigt
Zur Schmiede gehört auch ein
Stall, in dem sechs Pferde ge-
halten werden, eine Werkstatt
mit einer Doppelesse, in der das
Feuer brennt.Auf 1300bis 1500
Gradmuss der Eisenstab erhitzt
werden. Schwere Schmiede-
hämmer geben dem Rohling
eine erste Form, noch fehlt ihm
jedeÄhnlichkeitmiteinemHuf-
eisen, aber nach ein paar Minu-
ten sieht die Sache schon an-
ders aus...
HartesEisenundPoesie, das sind
Dinge, die auf den ersten Blick
miteinander kaum zu vereinen
scheinen. Einer, der dasUnmög-
liche möglich macht, und das
nochausgesprochenerfolgreich,
ist Ralf Küttner, 1961 in Heim-
bach-Weiß geboren, gelernter
Kunstschmied und europäischer
Schweißfachmann, der heute
selbständig als Hufschmied in
der Nähe von Dierdorf lebt und
arbeitet. Er schwingt gleicher-
maßen überzeugend und erfolg-
reich Hammer und Feder. Ein
Zeichen seines Erfolges mit der
Feder: Aus Küttners jüngstem
literarischen Werk „Kindern“
wurde das Gedicht „Alles gere-
gelt“ unter mehr als 15 000 Ein-
sendungenmitdemzweitenPlatz
des Preises der Nationalbiblio-
thek des deutschsprachigen Ge-
dichtes inMünchen ausgezeich-
net. In ihm, so hieß es, zeige sich
die dichterische Begabung eines
Autors, der Lebensfragen auf in-
dividuelle Weise darstelle.
KüttnermachtkeinenHehldar-
aus, dass er sich über die Aus-
zeichnung natürlich freut, er-
klärt dann aber, dass er noch
glücklicher sei „über das Ge-
fühl, verstanden zu werden“.
Über 500 Gedichte und Epi-
gramme hatKüttner indenver-
gangenen zehn Jahrenverfasst,
in denen es oft umAlltägliches
geht, um Beziehungen zwi-
schen Eltern und Kindern bei-
spielsweise, aber oft auch nur
um das Spiel mit Worten. „Ich
möchte dazu anregen, mehr
Mut zu eigenen Gefühlen und
zur Wahrheit zu haben!“
Ralf Küttner,
Hufschmied und
Dichter.
Mobilität kennzeich-
net das Handwerk.
Deshalb müssen die
Zunftvorschriften
aufeinander abge-
stimmt werden;
mittelrheinische
Zunfthandwerker
schließen sich zu
diesem Zweck mit
Berufskollegen aus
bedeutenden Gewer-
bestädten zu regiona-
len Handwerkerbün-
den zusammen.
14.1
14. Jahrhundert - Handwerker schließen sich zusammen
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