Handwerk Special Nr. 72 vom 3. Januar 2000 - 100 Jahre Handwerkskammer Koblenz - page 4

Das 100-jährige Bestehen der
HwK Koblenz ist auch Anlass,
in die lokale Städtebau-
geschichte zu blicken, die
weitestgehend vom örtlichen
Handwerk geprägt wurde.
Die Zentrale der HwK am Ko-
blenzer Friedrich-Ebert-Ring
ist das Zeugnis einer rasanten
baulichen Entwicklung in der
Stadt, der selbst der ErsteWelt-
krieg und die darauf folgenden
krisengeschüttelten Jahre we-
nig anhaben konnten. Ab 1924
wurde das Gebäude nach Plä-
nen aus dem bekannten Ko-
blenzer Architekturbüro Huch
& Grefges errichtet.
DieHwK-Verwaltungszentrale
stehtfüreineBaukunst,dietrotz
ihrer Schlichtheit traditionelle
Wurzeln nicht verleugnet: Die
mit Tuffsteinplatten verkleide-
teFassademitihremgeschwun-
gen gestalteten Giebelaufsatz
vereintklassischeElementemit
überlieferten Renaissancefor-
men. Trotz der neuen Beschei-
denheit der Architekten ver-
zichtete man nicht auf dekora-
tive Elemente: So berichtet die
Denkmaltopographievon1986
über Reste einer Vergoldung
an Kapitellen und Gesimsen.
Die Baugeschichte des Gebäu-
des ist eindrucksvolles Doku-
ment dafür, dass Handwerker
und Architekten nicht vonein-
ander zu trennen sind. Im 18.
und auch weit ins 19. Jahrhun-
dert hinein gab es keine ein-
heitliche Architektenausbil-
dung, „Quereinsteiger“ aus
dem Handwerk arbeiteten lan-
ge auch als Architekt.
Die meisten der städtischen
Baukommission zur Genehmi-
gung eingereichten Baupläne
stammtenauchnochindenletz-
ten Jahren des 19. Jahrhunderts
aus den Händen von Baumei-
stern, derenUrsprünge eindeu-
tig im Handwerk liegen, so u.a.
Anton Heins, Joseph Meurer,
Johann Goebel, Oskar Kleffel
oder die Gebrüder Friedhofen,
PersönlichkeitenausZeitendes
Koblenzer Baubooms - allemit
handwerklicher Ausbildung.
Erst im Laufe der Zeit ließen
sich in der Rhein-Mosel-Stadt
mehrere freie Architekten nie-
der, die ihre Ausbildung an
Akademien wie Berlin oder
Karlsruhe erfahren hatten. Zu
den bedeutendsten lokalen Re-
präsentanten dieser Gruppe ge-
hören Conrad Reich oder Otto
Nebel.
DieKoblenzer Stadterweiterung
nach teilweiser Abtragung der
preußischen Befestigungsanla-
gen - Beispiele sind dasMainzer
Tor oder das Löhrtor - eröffnete
neue Möglichkeiten. Das zeigt
auch die Bebauung des Fried-
rich-Ebert-Rings.Der ursprüng-
liche Kaiser-Wilhelm-Ring als
Hauptverkehrsstraße wurde zur
Nahtstelle zwischen dem alten
und dem neuen Koblenz, die
Investoren dazu motivierte, ihre
repräsentativen Neubauten ge-
rade an dieser Stelle zu errich-
ten. Die Christuskirche, die alte
Oberpostdirektion, aber eben
auch das Kammergebäude sind
heutige Zeugen der einstigen
Prachtstraße.
Handwerkskammerundihre
Betriebe
Zur Jahrtausendwende sind
genau 17.270 bei der HwK
Koblenz eingetragen. Eine
Zahl, hinter der Betriebemit
vielen Beschäftigten, Lehr-
lingen, mit Wirtschaftskraft
stehen.
100 Jahre Handwerkskam-
mer bedeutenWandel, tech-
nische Entwicklungen. „Al-
te Handwerke“ haben sich
verändert, neue sind in die-
ser Zeit hinzugekommen,
ohne die unser heutiges Le-
ben nicht vorstellbar wäre -
so der Kfz-Techniker oder
der Informationstechniker.
So abwechslungsreich und
vielfältigwie dasHandwerk
selbst ist auch seine Ge-
schichte. Wirtschaftliche
Umwälzungen und der da-
mit einhergehendeStruktur-
wandel beeinflussten das
Handwerk. Die Betriebs-
strukturen haben sich ver-
ändert: „Einmannunter-
nehmen“, so die Schuhma-
cher (1950 mit 2598 Betrie-
ben Platz 1 in der Hand-
werksrolle) sind Unterneh-
men mit vielen Beschäftig-
ten gewichen . Zum Ende
des Jahrhunderts haben sich
die Strukturen geändert.
Heute sind im Bezirk der
HwK Koblenz die Betriebe
des Friseurhandwerks (ca.
1300), des Kfz-Handwerks
(ca. 1300), Elektrotechniker
(ca. 1100), Tischler (ca.
1100) sowieMaurer undBe-
tonbauer (ca. 1000) am
stärksten vertreten.
Neue Berufe sind im Laufe
der Zeit entstanden, bei-
spielsweise der Informa-
tionstechniker. Die Hand-
werksrolle registriert bereits
298 Betriebe, Tendenz stei-
gend. Auch der Beruf des
Hörgeräteakustikers oder
des Elektromaschinenbau-
ers spielte in der ersten
Jahrhunderthälfte nur eine
geringere Rolle.
Seit Ende 1988 nimmt die
Zahl der Unternehmen kon-
tinuierlich zu. Immer mehr
Betriebe, gegenwärtig 2204
werden von Frauen geleitet.
Wichtige Daten und
Ereignisse für das
Handwerk und die
Handwerkskammer
Koblenz finden Sie
auf jeder Seite ergän-
zend zum Laufband
(links) hier.
100 Jahre HwK Koblenz: Eine Reise durch die Geschichte
Lithographie vom HwK-
Verwaltungsgebäudeaus der
„Mittelrheinischen Handwerks-
zeitung“ vom 1. Mai 1928.
Das Gebäude der HwK Koblenz aus heutigen Tagen: Der „zentrale
Bau“ (Mitte) steht unter Denkmalschutz und hat sein ursprüngliches
Aussehen bewahrt. Es wurde um die Akademie (rechts) erweitert -
eine gelungene Mischung aus alter und moderner Architektur.
1907: Das neue, nach Plänen von
Georg Schreyögg und zur Erin-
nerung an das Artillerieregiment
8 errichtete Barbara-Denkmal am
Anfang des Kaiser-Wilhelm-
Rings, der auf seiner linken Seite
größtenteils noch nicht bebaut
war. In der Bildmitte hinten ist
die Christus-Kirche zu sehen. 17
Jahre später entstand dort, wo
die Bäume stehen, das Verwal-
tungsgebäude der HwK Koblenz.
Die Handwerkskammer
Koblenz befindet sich zu
ihrer Jubiläumsfeier im Jahr
2000 in guter Gesellschaft,
denn fünf Handwerksbetrie-
be aus dem nördlichen
Rheinland-Pfalz feiern am
1. Januar 2000 ebenfalls
ihren 100. Geburtstag. Die
HwK gratuliert den Betriebs-
inhabern:
Bäckermeister Karl Heinz
Weber aus Herschbach,
Fleischermeister Michael
Lehmler
aus Welschneu-
dorf,
Maurermeister Rudi
Faust
aus Steinebach, der
Zimmerei Adolf Loth
aus
Nieder-elbert sowie dem
Steinmetzbetrieb Ferger aus
Westerburg.
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