Handwerk Special Nr. 62 vom 5. Juni 1998 - page 12

Zur Person: Ga-
briele Emmrich
Gleichstellung Behinderter imAlltag
Torsten Günther ist Fahr-
zeuglackierer. Die Arbeit macht
ihm Spaß. Der 20jährige ist Fan
derEishockeymannschaft „Neu-
wieder Bären“. In seiner Freizeit
spielt er Tennis und
Badminton. Er fährt
ein eigenes Auto und
träumt von einer Rei-
se nach Südafrika. Nichts unter-
scheidet den jungen Mann von
seinenAltersgefährten.Unddoch
ist es für ihn weitaus schwieri-
ger,imAlltagzurechtzukommen.
Torsten Günther ist gehörlos.
„Die Behinderung wurde bei
Torsten im Alter von zwei Jah-
ren festgestellt. Er hat die Ge-
hörlosenschule in Neuwied be-
sucht und dort den Hauptschul-
abschluß gemacht. Es gab keine
Probleme. Torsten ist ein fröhli-
cher Junge und hat uns die Be-
hinderungoft vergessen lassen“,
erinnert sichVater Toni Günther.
Die Berufswahl war jedoch ein-
geschränkt.Kfz-Mechanikerwä-
re er gern geworden, doch dieser
Beruf setzt gutes Hörvermögen
voraus.SoentschiedsichTorsten
für eine Ausbildung als Fahr-
zeuglackierer. Zur Zeit arbeitet
derjungeGeselleinderFahrzeug-
lackiererei Kick in Neuwied.
Hans-Joachim Wagner, Fahr-
zeuglackierermeister der Firma
beschreibt ihn als fleißig und
korrekt. „Er ist sehr aufmerksam
und versucht mit den Augen zu
kompensieren, was die Ohren
versagen“, so Wagner. Auch im
Team ist Torsten beliebt. Einige
Kollegen versuchen sich sogar
in der Gebärdensprache.
Zahlen und
Fakten
DasStatistischeLandesamtmel-
det: 311.705 Schwerbeschädig-
te aller Altersstufen gab es zum
Jahresende 1997 in Rheinland-
Pfalz. Nach letztenAngaben des
Statistischen Landesamtes in
BadEmswurden94.400Rehabi-
litanten gezählt. Von ihnen ste-
hen etwas mehr als 55.000 im
Erwerbsleben: 900 Selbständi-
ge, 1.500 als Landwirte, 130 als
Beamte, 17.000 als Angestellte,
35.000 als Arbeiter und 650 als
Auszubildende.
Der Anteil schwerbehinderter
Arbeitnehmer ist gegenüber den
Vorjahren kontinuierlich gesun-
ken und macht einen Anteil von
sechs Prozent bei öffentlichen
und vier Prozent bei privaten
Arbeitgebern aus. Damit liegt,
so Informationen des Bundes-
ministeriums für Arbeit und So-
ziales, das LandRheinland-Pfalz
über dem Durchschnitt im alten
Bundesgebiet.
Psychosozialer
Dienst hilft
Schwerbehinderteundpsychisch
Kranke können vom Diakoni-
schen Werk fachkundige Hilfe
bekommen. Der Psychosoziale
Dienst PSD ist ein ambulanter
Fachdienst für begleitende Hil-
fen im Arbeitsleben in Träger-
schaft des Diakonischen Wer-
kes. Gearbeitet wird im Auftrag
derHauptfürsorgestelle desLan-
des. „Behinderte stehen im Ar-
beitslebenoft Problemengegen-
über, die von ihnen selbst nicht
zu bewältigen sind. In Einzelge-
sprächen und Beratungen, aber
auch bei Hausbesuchen wird
Hilfe gegeben, wenn sich der
Betreute am Arbeitsplatz über-
fordertfühlt.Wirversuchendann
zusammen mit dem Arbeitge-
ber, eine Lösung zu finden“ er-
klärt Diplom-Sozialpädagoge
Thomas Mühlhausen vom PSD,
zuständig für die Menschen, die
im Westerwald- und im Rhein-
Lahn-Kreis ihren Arbeitsplatz
haben.
Das Arbeitsamt
unterstützt
Thorsten Günther ist Kfz-Lackierergeselle. Der
20jährige kann sich bei seiner Arbeit ausschließlich auf
das verlassen, was er sieht, denn er ist gehörlos.
Karl-HeinzHuth,Abteilungslei-
terArbeitsvermittlung/Arbeitbe-
ratung beim Arbeitsamt Ko-
blenz, betont, daß Betriebe auf
Grundlage von §33, Schwerbe-
hindertengesetz Lohnkostenzu-
schüsse erhalten. Gewährt wer-
den bis zu 80 Prozent des Ar-
beitsentgeldes. Im 2. und 3. För-
derjahr, bei Schwerbeschädig-
ten, die das 55. Lebensjahr voll-
endet haben, auch im 4. und 5.
Förderjahr, verringert sich der
Zuschuß um jeweils 10 Prozent.
Arbeitgeber können für die be-
triebliche Aus-oder Weiterbil-
dung von Behinderten Zuschüs-
se erhalten, wenn die Aus- oder
Weiterbildung sonst nicht zu er-
reichen ist. Die Ausbildungszu-
schüsse sollen 60 Prozent der
monatlichenAusbildungsvergü-
tung für das letzte Ausbildungs-
jahr nicht überschreiten. Auch
diebehindertengerechteAusstat-
tung von Ausbildungs- und Ar-
beitsplätzen wird gefördert.
ImBetrieb sagen die Kol-
legen anerkennend: Mensch,
einLehrling,undschonsogute
Arbeit. In der überbetriebli-
chen Ausbildung sehen die
anderen Lehrlinge mit großen
Augen auf die Arbeiten - kla-
rer Fall, hier schlummert ein
Talent, das geweckt werden
muß. Ein klarer Fall auch für
GabrieleEmmrich, der „Wek-
ker für schlummernde Talen-
te“ bei derHwKKoblenz. Seit
Jahren sorgt sie mit wachem
Blick dafür, das solche Lehr-
linge eineChance bekommen,
ihrem Können freien Lauf zu
lassen. Diese Chance hat ei-
nen Namen: Praktischer Lei-
stungswettbewerb der Hand-
werksjugend. Die Arena ist
nach„Lokalwettkämpfen“lan-
desweit, der große „Show-
down“ läuft schließlich bun-
desweit, in einigen Berufen
sogar weltweit. „Ein langer
neteilgenommen.Davonkonn-
ten 22 Landessieger ermittelt
werden. 16 Kammersieger er-
reichten den zweiten und drei
dendrittenPlatz. Drei Landes-
sieger aus dem nördlichen
Rheinland-Pfalz erreichten
denBundessieg,mit demNeu-
wieder Fliesenlegergeselle Ja-
kob Schröder erreichte ein
„Wettkämpfer“ einen „Vize-
weltmeistertitel“. Aus den
Händen von Bundespräsident
Roman Herzog nahmen die
Besten ihreAuszeichnungent-
gegen.
Qualifikationsprognosenbele-
gen, daß künftig noch mehr
Menschen gebraucht werden,
die sich über die berufliche
Ausbildung ständig weiterbil-
den.ImPraktischenLeistungs-
wettbewerb können Jugendli-
che testen, wo sie stehen. Die
Teilnahme ist auch für die be-
rufliche Karriere förderlich.
Weg, auf dem ich Lehrlinge
aus dem Kammerbezirk der
HwK Koblenz begleite“, so
Gabriele Emmrich, die mit
ihrer Arbeit ständig auf Sieg
setzt.
DerPraktischeLeistungswett-
bewerb ist ein Highlight der
Handwerksjugend. Im Som-
mer ´98 ist es wieder soweit.
JungeGesellinnen undGesel-
len testen ihreLeistungsfähig-
keit. Dabei zeigen sie sich von
ihrer kreativsten Seite und be-
weisen, daß sie ihr Handwerk
von der Pike auf gelernt haben.
Seit vier Jahrzehnten stellt der
Handwerksnachwuchs sein
Können im Praktischen Lei-
stungswettbewerb unter Be-
weis. Teilnehmen können in
diesem Jahr Junghandwerker,
die ihreGesellenprüfung vom
Herbst 1997 bis zum Sommer
1998 abgelegt und zum Zeit-
punktderGesellenprüfungdas
23.Lebensjahrnochnichtüber-
schritten haben. Ihre Wettbe-
werbsarbeit muß mindestens
mit der Note „gut“ bewertet
sein.
DieInnungsbestenindenKam-
merbezirkenqualifizierensich
für denWettbewerb auf Kam-
merebene. DieKammersieger
nehmen am 10. Oktober 1998
am Landeswettbewerb in Ko-
blenz teil. Wer dort erfolg-
reich ist, hat sich für den Bun-
deswettbewerb inKassel qua-
lifiziert.
1997 haben 45 Sieger des
PraktischenLeistungswettbe-
werbs, aus dem Bezirk der
HwK Koblenz an den Aus-
scheidungen auf Landesebe-
Informationen
Infos und Anmeldungen
zum Praktischen Lei-
stungswettbewerb 1998
bei der HwK Koblenz:
Tel.: 0261/398-321
Fax: 0261/398-982.
Der PraktischeLeistungswett-
bewerbistdas„Lieblingskind“
von Gabriele Emmrich, Refe-
rat Gesellenprüfung. Zur Zeit
steckt siemitten in denVorbe-
reitungen für den Landes-
wettbewerb am10. Oktober in
Koblenz. Die 43jährige ist seit
1977 bei der HwK Koblenz
und kümmert sich darum, daß
in Sachen Zwischen- und Ge-
sellenprüfung alles klappt. Sie
ist für die Organisation von
Prüfungen in 18 Handwerks-
berufen verantwortlich.
Weckruf für „schlummernde Talente“
Perspektiven
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