Handwerk Special Nr. 62 vom 5. Juni 1998 - page 7

Mit dem Geländewagen
kann man heute auch vor besse-
ren Hotels vorfahren. Und eini-
ge „Familienkutschen“ haben
längst mehr als 200 PS. In den
Kfz-Handwerker und Autohersteller über das „Auto 2000“
Sportwagenwiederummußauch
das Urlaubsgepäck reinpassen.
Das klassische Rollenspiel der
fahrbaren Untersätze löst sich
immer weiter auf. Es stellt sich
die Frage: Wie wird das Auto
der Zukunft aussehen?
Ein Auto muß gefallen, das ist
wichtig. Ankommen sowieso.
„An das reibungslos funktionie-
rende Auto haben sich die Fah-
rer gewöhnt“, soReinholdSche-
rer, Landesin-
nungsmeister
und Obermei-
ster der Kfz-
Innung Mit-
telrhein.
„Dank des
technischen
Fortschritts
und der per-
fekten Wartung in den Werk-
stätten ist die Kfz-Ausfallquote
zurückgegangen, die Werte ha-
ben sichzwangsläufigauchbeim
Fahrer verschoben.“ Der fährt
ein hundertprozentig auf seine
Wünsche zurechtgeschnittenes
Auto. „DAS klassischeAuto der
Zukunft wird es deshalb nicht
geben, dafür sind die individuel-
lenWünsche der Kunden viel zu
breit gestreut“, so Handwerks-
meister Scherer. In technischen
Innovationen imKarosserie- und
TechnikbereichsiehterEntwick-
lungspotentiale der Hersteller,
„auf der anderen Seite werden
auch künftig die umfangreichen
Serviceleistungen der Kfz-Mei-
sterbetriebe unverzichtbar sein,
damit das Auto 2000 rollt.“
Eine Meinung, die Dipl.-Ing.
Michael Nagler aus der Karos-
serie-„Entwicklungsschmiede“
der Ingolstädter Audi-AG be-
stätigt. „Das Auto von morgen
wird auch vier Räder haben. Po-
tentiale sehen wir u.a. in leichte-
ren Baumaterialien.“ Mit dem
AluminiumwagenA8setztendie
Ingolstädter bereits Akzente,
„die kompletteKarosseriewiegt
nur 248Kilogramm- das sind 40
ProzentGewichtseinsparungge-
genüberdemVorgängermodell.“
Die klaren Vorteile: Der Ben-
zinverbrauch konnte gesenkt
werden, Aluminiumrostet nicht,
die Karosserie ist stabiler. In-
zwischen stattet der Autobauer
auch andere Modelle mit Alu-
Komponenten aus. Daneben
wird auch die Entwicklung von
Kohlefaserbauteilen vorange-
trieben. Bereits heute rollt das
Flaggschiff A8 mit einer Kohle-
faserkardanwelle über US-ame-
rikanische Straßen.
Gestern, heute, morgen
Seit1948führtHans-WalterBrei-
sing die vom Vater 1928 ge-
gründete Kfz-Werkstatt in Bop-
pard. Der heute 68jährige Ober-
meister der Kfz-Innung Bad
Kreuznach und St. Goar hat
Automobilgeschichte miterlebt.
Die gravierendstenVeränderun-
gen sieht er in der elektroni-
schen Entwicklung sowie der
Kraftstoffeinsparung. „Früher
waren 15-16 Liter bei einer
Mittelklasselimosine normal,
heute verbrauchen deren Nach-
folger die Hälfte.“ Verändert
haben sich auch die Gründe für
einenWerkstattbesuch:„Proble-
me mit dem Vergaser oder
Zündungsstörungenwaren noch
Mitte der 80er Jahre häufige
Havariegründe, heute sind
Vergaserautos fast schon Oldti-
mer.DieWartungsintervallewa-
ren früher wesentlich dichter als
heute - einBeweis für die gestie-
gene Zuverlässigkeit, auch dank
unserer Arbeit in den Werkstät-
ten,wo längstmit elektronischen
Analysegerätender PatientAuto
untersucht und geheilt wird.“
Wie sieht er mit 50 Jahren Be-
rufserfahrung das „Auto 2000“?
„Es muß weniger verbrauchen -
das schont die Umwelt und den
Geldbeutel.“ Der Weg zum 3-
Liter-Auto ist für den Hand-
werksmeister noch offen, „An-
sätze sehe ich zur Zeit am ehe-
sten bei der Gewichtsreduzie-
rung.“
Thema Sicherheit
Mit ihrem „Auto 2000“ setzt die
Firma Karmann aus Osnabrück
zumgroßenÜberholvorgang an.
Die Idee: Nicht „flache“ Alumi-
niumkomponenten, sondernauf-
geschäumteAlu-Sandwich-Bau-
teile werden von der Tür bis zur
komplettenBodengruppe herge-
stellt. Winfried Bunsmann, Lei-
ter der Entwicklung, erklärt die
neue Technologie: „Alu-Granu-
lat wird bei hohen Temperatu-
ren mittels Treibmittel aufge-
schäumt und mit Deckblechen
zu einem Aluminiumschaum-
Sandwich gepreßt. Solche Bau-
teile sind sehr leicht und haben
eine 15-fach höhere Steifigkeit
als normale Blechteile.“ Mit ih-
rem „Auto 2000“ haben die Os-
nabrücker, die sich in der Ver-
gangenheit mit Autoumbauten
und Zubehör einen Namen ge-
macht haben, bereits auf der
amerikanischen „Detroit Show
Car“ für großes Aufsehen ge-
sorgt. Womit die Deutschen in-
ternationale Autobauer beein-
druckten, ist u.a. das hohe Ener-
gieabsorbungsvermögen ihrer
Leichtgewichte. „Bei einemUn-
fall schluckt unsere Karosserie
wesentlich mehr Aufprallener-
gie, der Insassenschutz wird so
erheblich verbessert.“ Ab der
Jahrtausendwende wollen die
Osnabrücker andere Autoher-
steller mit ihren Bauteilen in
AFS-Technik(AluminiumFoam
Sandwich) versorgen.
Was ist ein „Stau“?
Was ist ein „Stau“? Ein Begriff,
der künftig nicht mehr bekannt
ist - so die Idealvorstellung vie-
ler Autofahrer- und Hersteller.
Neben verkehrspolitischen Ent-
scheidungen für einen fließen-
den Verkehr wollen Autoher-
steller via High-Tech für Mobi-
lität sorgen. So arbeitet Daim-
ler-Benz an einer Vernetzung
zwischen Automobil und Ver-
kehrsleiteinrichtung. ImAsphalt
verlegte Schleifen und an „stau-
neuralgischen“ Kreuzungen in-
stallierte Kameras sammeln Da-
ten zur Verkehrsdichte und zur
Geschwindigkeit. In einer Leit-
zentrale laufen diese Angaben
zusammen und werden via
Radiosignal oder Satellit ausge-
strahlt. Herzstück des Systems
ist ein Computer im Fahrzeug,
der die individuell günstigste
Strecke zum Zielort errechnet -
staufrei natürlich.
Seit 1987 testen die Stuttgarter
Autobauer ihr Zielführungssy-
stem ITGS im japanischen To-
kio - mit Erfolg. Die Japaner
selbst schätzten den volkswirt-
schaftliche Schaden durch Staus
in Tokio auf täglich rund 100
Millionen Mark - gute Gründe
für die Installation von 14.000
Straßensensoren und 200 TV-
Kameras.
Auch den Bereich der elektroni-
schen Streckenführung haben
sich die Kfz-Handwerke bereits
erschlossen: Wagen der heuti-
gen Generation rüsten sie mit
derHigh-Techvonmorgennach,
„bei einer Lebenserwartung von
10-15 JahrenwirddasAuto2000
heute gebaut oder rollt bereits
über unsere Straßen. Ins Werk
zurückgehen werden diese Wa-
gen nicht mehr, also sorgen die
Kfz-Meisterbetriebe vor Ort mit
ihrer Arbeit für das Auto 2000“,
so Reinhold Scherer.
Mit Tempo in die Zukunft
Automobilgeschichte:
Was früher mit 10 PS
über holprige Straßen
tuckerte, hat sich zur
High-Tech-Fort-
bewegungsmaschine
entwickelt. Ange-
nehm für den Fahrer,
eine Herausforderung
für die Kfz-Handwer-
ker, denn die müssen
Schritt halten mit den
technischen Entwick-
lungen der Hersteller.
Informationen
Kfz-Berufe im Handwerk sind
bei Jugendlichen nach wie vor
der große Renner. Die
Lehr-
stellenbörse der HwK Koblenz
informiert darüber, welche
Betriebe im nördlichen Rhein-
land-Pfalz Ausbildungsstellen
im Kfz-Handwerk bieten:
Fax-Abruf: 0261/398-469
Tel.: 0261/398-323
Internet:
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