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Bäckerhandwerk pflegt Traditionen und entwickelt Neues

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Nr. 191

11. Juli 2015

www.handwerk-special.de

Wird deutsches Brot Weltkulturerbe?

Deutsches Brot ist

weltweit ein Begriff. Die

Menschen verbinden

es mit den Attributen:

kross, duftig und deftig.

Der Zentralverband des

deutschen Bäckerhand-

werks möchte die deut-

sche Brotvielfalt von der

UNESCO als Kulturerbe

anerkennen und schützen

lassen.

32 junge UNESCO-Experten

des „Young Experts Forums“

aus 31Ländern fanden jetzt auf

InitiativedesZentralverbandes

des deutschen Bäckerhand-

werks gemeinsam mit der

Bäcker-Innung Rhein-Mo-

sel-Eifel denWeg ins Zentrum

für Ernährung und Gesundheit

(ZEG) derHwKKoblenz. Hier

sahen sie beim Backen zu und

verkostetendieKöstlichkeiten.

3.256 Brotspezialitäten von

der „Eifelähre“ über den

„Hirtenlaib“ bis zu „Dinkel

küsst Roggen“ wurden bisher

im Rahmen des bundesweiten

deutschenBrotregistersgesam-

melt. In dieses Archiv (www.

brotkultur.de)

können Hand-

werksbäcker, die Mitglied ei-

ner Innung sind, ihre Brot-

schöpfungen eintragen. Der

Zentralverband des Deutschen

Bäckerhandwerks hat ein In-

strument geschaffen, um die

über Jahrhunderte gewachsene

Tradition des Brotbackens zu

bewahren und sie als „Imma-

terielles Kulturerbe“ schützen

zu lassen.

Ende 2014 wurde die deutsche

Brotkultur in das bundesweite

Verzeichnis des immateriellen

Kulturerbes aufgenommen.

Damit wird ihr Wert zumin-

dest für Deutschland offiziell

anerkannt. Folgen sollte nun

aber die Weiterleitung des

Antrags an die Deutsche UN-

ESCO-Kommission in Paris.

Brohl-Taler ist einmalig

„Zur Eröffnung der neuen

Filiale in Burgbrohl im

Mai wollten wir unsere

Kunden mit etwas Beson-

derem überraschen. Es

sollte ein schmackhaftes

Brot in völlig neuem

Design sein, Heimatver-

bundenheit und Origina-

lität widerspiegeln“, so

Bäckermeister Rolf Genn

aus Wehr. Das Ergebnis:

der Brohl-Taler – ein

dunkles Fladenbrot – ist

ein Blickfang hinter der

Ladentheke. Er besticht

vor allem durch seine ein-

malige Verzierung.

„Ich habe meine Vorstellungen

im Team diskutiert. Wir haben

gezeichnet und eineArt Stempel

mit der Burg Olbrück, einer bei

HainimLandkreisAhrweilerge-

legenen Burgruine, entwickelt.

Bäckermeister Genn vereint Heimatverbundenheit und Kreativität

Bäckerei Genn, Wehr

Gegr. 1862 | 21 Mitarbeiter | 2 Filialen, Backwaren, Kuchen

Tel. 02636/ 7455 |

rolf.genn@t-online.de

Sie ist das Wahrzeichen vom

Brohltal. Ihr Abdruckmacht das

Brot schon reinoptisch einzigar-

tig“, beschreibt der Obermeister

der Bäckerinnung des Kreises

Ahrweiler und Kreislehrlings-

wart den Entwicklungsprozess.

Wie eine gute Idee

umgesetzt wird

Rolf Genn setzte die gefundene

Idee in Pappmaché um, klärte

das Recht am Namen mit der

VerbandsgemeindeBrohltal und

fand in Kurt Gerhartz aus Wehr

einen Tischlermeister, der seine

Vorlage technisch umsetzte.

Jetzt wird der Stempel vor jeden

Backvorgang auf den von Hand

in Formgebrachten Taler aufge-

legt und mit Mehl bestäubt. Die

Vorlage wird entfernt und das

Muster eingebacken. „Es stört

nicht, wenn der Taler nicht ganz

rund oder ebenmäßig ist, das ist

Handwerk!“, so Rolf Genn. Und

BäckergeselleFelixSchmidgen,

der auch in der Bäckerei gelernt

hat, ergänzt: „Ich finde es toll,

dass der Chef uns in den Ent-

stehungsprozess von Anfang an

integriert hat.“

Immer wieder neueWege zu ge-

hen, Bewährtes zu erhalten und

Nischen zu entdeckengehört zur

Philosophie der 1862 gegründe-

ten Traditionsbäckerei, die Rolf

Genn in der vierten Generation

führt. „Das Essverhalten der

Menschen hat sich verändert.

Bereits inder Schule erfahrendie

Kinder viel über gesunde Ernäh-

rung. Hier liegt auch die Chance

des Bäckerhandwerks. Wir wis-

sen, woher das Getreide und das

MehlfürunserBrotkommenund

können den Kunden genau die

Zutaten und Zusammensetzung

derBackwarenerklären.Dakann

die Industrie nicht mithalten“,

betont er. Sein Hauptgeschäft in

WehrunddieFilialeninOberzis-

sen und Burgbrohl sieht er auch

als Kommunikationstreffpunkt

für die Leute. „Auch das macht

Handwerkaus, die Individualität

und Zwischenmenschlichkeit.“

Wichtig sind dem 55-Jährigen

undseinerEhefrauManuela,dass

dieBäckerei Gennwirtschaftlich

gut aufgestellt ist. „Ich habe im-

mer an den Fortbestand des Be-

triebes gedacht, wenn ich einmal

Der Brohl-Taler ist ein dunkles Fladenbrot.

Bäckermeister Rolf Genn aus Wehr setzt auf Qualität und regionale Verbundenheit.Und immer wieder entwickelt er Ideen für neue Produkte.

ausscheide und stetig investiert.

Ein potenzieller Nachfolger soll

kein marodes Unternehmen

vorfinden. Natürlich stellt die

demografischeEntwicklungauch

dasNahrungsmittelhandwerkvor

große Herausforderungen. Die

Zahl der Bäckereien ist drastisch

gesunken, uns fehlen Lehrlinge

und Fachkräfte. Doch Jammern

hilft nicht. Wir müssen jungen

Menschen vielmehr Wege und

Chancen aufzeichnen und ihnen

vorleben,wieabwechslungsreich

und kreativ unser Beruf ist“,

plädiert der Obermeister für

seinen Berufsstand. Dafür wirbt

er auch bei seinen Innungsbetrie-

ben und motiviert sie, den Kopf

trotz steigender Konkurrenz von

Supermärkten und Dumping-

preisen, den Kopf nicht in den

Sand zu stecken und ihre Stärke

herauszustellen.