Handwerk Special Nr. 182 vom 06.09.2014 - page 9

Tradition & Moderne: Handwerk geht neue Wege
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Nr. 182
6. September 2014
Für Soldaten
13 ehemalige Soldaten auf Zeit (SaZ) haben bei der Hand-
werkskammer (HwK) Koblenz ihre Gesellenprüfung mit Erfolg
bestanden. Zu den Absolventen zählen zwei Elektroniker, sie-
ben Feinwerkmechaniker und vier Metallbauer. Ebenfalls er-
folgreich waren vier Feinwerkmechaniker und vier Metallbauer
beim ersten Teil ihrer Gesellenprüfung.
Zentrum bietet Übergang in Zivilberufe
Fliegende Dachdecker
Sie können auf eine jahr-
hundertealte Tradition
zurückblicken, die Dach-
decker. Und auch das
eingesetzte Material – so
Schiefer – ist im Laufe
von Jahrtausenden ent-
standen. Doch „Tradition
schützt vor Veränderung
nicht“, stellt Sarah Wau-
rig, 29-jährige Juniorche-
fin im Familienbetrieb,
klar ... und die neueste
Errungenschaft vor: Mit
einer Drohne samt flie-
gender Kamera steigt
man den Kunden nicht
mehr aufs Dach, sondern
schaut sich alles aus der
Luft an.
Die Bilder sind nicht nur beein-
druckend in Qualität und Inhalt,
sondern auch effektiv. „Wir spa-
ren aufwendigeBegutachtungen
amOrt, die bislang körperlichen
Einsatz voraussetzten“, nennt
Sarah Waurig einen Vorteil.
Gerade dann, wenn es hoch hi-
nausgeht, soaufKirchtürmen, ist
das nicht nur zeit- und arbeitsin-
tensiv, sondern auch gefährlich.
Ganz anders mit der Drohne,
einem Quadrocopter mit vier
Rotoren und kleiner Nutzlast
„amHaken“, diehier dieKamera
ist: Dank präziser Steuerung
und einer Reichweite von bis
zu einem Kilometer können
Waurigs vom Boden aus sehen,
was oben unterm Wetterhahn
los ist. Dächer werden hochauf-
lösend abgefilmt, können später
in einzelne Bilder „zerlegt“ und
ausgewertet werden. Schindel
für Schindel wird analysiert,
Beschädigungen am Dach auch
im Zentimeterbereich erkannt.
Piloten und
Handwerksmeister
Vater Alfred Waurig und Ehe-
mann Michael Beuster-Waurig
habendafür den„Drohnen-Flug-
schein“ abgelegt. Nun sind die
beiden Dachdeckermeister auch
Pilotenundhaben sichtlichSpaß
beiderArbeitamSteuerknüppel.
Die Bilder werden live auf ein
Tablet oder aufs Smartphone
übertragen – „auf Wunsch
auch auf das der Kunden, die
sich so selbst ein Bild vom
Zustand ihres Daches machen
können“. Ein klarer Vorteil für
die Planung eines Auftrages,
denn der Kunde kann so viel
besser nachvollziehen, welche
Wenn Waurigs zu Schindel und Steuerknüppel greifen
Waurig Bedachungen, Kettig
Gegr. 1988 | 7 Mitarbeiter | alle Dacharbeiten; Neueindeckungen und Re-
paraturen, Quadrocopterflüge zur Bestandsaufnahme |
Dachdecker mit modernem Werkzeug: Eine Drohne
mit Kamera hilft bei der Analyse und der Vermessung
von Dachflächen. Michael Beuster-Waurig steuert das
Fluggerät, Ehefrau Sarah Waurig überwacht die Doku-
mentation am Tablet und zeichnet auf.
Arbeiten durchgeführt werden
müssen. Für den Traditionsbe-
trieb aus Kettig bei Koblenz mit
seinensiebenMitarbeiternistder
Einsatz dieser neuen Technik
Vorteil, Erleichterung undWer-
bung zugleich. „Wenn wir uns
als fortschrittlicher, moderner
Betrieb präsentieren, ist neueste
Technik im Einsatz sicher kein
Nachteil“, fasst Sarah Waurig
die bisherigen Erfahrungen mit
der Drohne zusammen – auch
wenn den fliegenden Kameras
das Klischee von Spionage und
Überwachung anhaftet. „Es gab
schon Fälle, da stürmten Nach-
barn das Grundstück unserer
Kundenumauf denEindringling
aus der Luft hinzuweisen und
warendannganzüberrascht,dass
Handwerker am Steuerknüppel
standen.DieanfänglicheSkepsis
wich dann ganz schnell dem
Interesse an der Technik und an
den Piloten.“
Dem Small-Talk zum Wau-
rig-Flieger folgten auch schon
Aufträge – zuDacharbeitenoder
Luftbildaufnahmen von Haus
und Hof.
Im Betrieb werden die Luftbildaufnahmen am Compu-
ter ausgewertet, können Standbilder vergrößert und
so auch kleinste Schäden erkannt werden.
Das Beratungszentrum Bundes-
wehr – Wirtschaft (BzBwWi)
und die Handwerkskammer
Koblenz führen in Zusammen-
arbeit mit dem Berufsförde-
rungsdienst (BFD) der Bundes-
wehr seit 2008 das „Koblenzer
SaZ-Modell“ erfolgreich durch.
Dabei werden Soldaten auf Zeit
aus demgesamtenBundesgebiet
indenanerkanntenAusbildungs-
berufenElektroniker, Feinwerk-
mechaniker und Metallbauer in
einerverkürztenZeitqualifiziert.
Die berufliche Fachbildung der
ehemaligen Soldaten findet in
einem heimatnahen Ausbil-
dungsbetrieb imHandwerk oder
in der Industrie statt.
Vom Soldat auf Zeit (SaZ) zum Metallbauergesellen:
Philipp Hirler zählt zu den 13 Prüfungsabsolventen,
die jüngst ihre Ausbildung bei der HwK Koblenz er-
folgreich beendet haben.
Der fachtheoretische und fach-
spezifische Unterricht erfolgt
in den Bildungszentren der
HwK Koblenz und dem CJD
Berufsförderungswerk Koblenz
gGmbH in Vallendar.
Neben den Vorzügen für den
Soldaten gibt es auch Vorteile
für den Ausbildungsbetrieb
durch die beratende und finan-
zielle Unterstützung in Zusam-
menarbeit mit dem jeweiligen
BFD-Standortteam der Bundes-
wehr.DiesenVorteil nutzte auch
das Unternehmen Schüler CNC
Werkzeugschliff in Freiburg.
Mit dem jetzigen Absolventen
wurde bereits der zweite Soldat
durch das Koblenzer Modell
zum Berufsabschluss geführt.
„Die Zusammenarbeit mit allen
Beteiligten war sehr gut, alles
kam aus einer Hand“, lobt
Gerhard Hinger, Inhaber des
Freiburger Unternehmens und
ergänzt: „Wir hatten keinen
Aufwand bei der Personalsuche:
Beratung,CoachingundVoraus-
wahl der Teilnehmer wurde für
uns perfekt durchgeführt. Wir
konnten einen Mitarbeiter mit
persönlicherReifegewinnen,der
sehr zielgerichtet seine Ausbil-
dung absolviert hat und danach
übernommen wurde.“
„Die Rahmenbedingungen wa-
ren optimal. Ich würde die ver-
kürzteAusbildungimmerwieder
absolvieren, obwohl es sehr hart
war, in dieser kurzen Zeit eine
Ausbildung abzuschließen“,
so Pascal Helmholz, der seine
Prüfung mit der Gesamtnote
„Gut“ abgeschlossen hat. Für
alle Absolventen ist der Ab-
schluss die Eintrittskarte in den
zivilen Beruf und eröffnet gute
Chancen für eine weitere beruf-
liche Karriere: Ob Meisterbrief,
Techniker oder Studium, der
Gesellenbrieferöffnetvielfältige
Möglichkeiten inderWirtschaft.
Das sieht auch Andreas Seifert
so,dermitseinergutenGesellen-
prüfung von seinemLehrbetrieb
in Idar-Oberstein übernommen
wurde. Für den 25-Jährigen aus
Steinhardt bei Bad Kreuznach
„ist das Modell eine der besten
Optionen für einen ehemaligen
Soldaten zumWiedereinstieg in
die zivile Wirtschaft.“
Informationen über das Bera-
tungszentrum unter Tel. 0261/
398-127, E-Mail info@bundes-
wehr-wirtschaft.de,
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