Handwerk Special Nr. 175 vom 7. Dezember 2013 - page 15

Begleiter auf dem letzten Weg – das Bestatterhandwerk
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Nr. 175
7. Dezember 2013
Landessieg nach Lehre
Wer von Jürgen Pitzen
zur Bestattungsfachkraft
ausgebildet wird, hat
eine realistische Chance
auf eine dauerhafte An-
stellung. „Alles andere
wäre unfair“, sagt der Ge-
schäftsführende Gesell-
schafter des Koblenzer
Bestattungsunterneh-
mens Bloemers.
Bis 1835 reicht die Geschichte
des Betriebes zurück, der heute
sechs Mitarbeiter und Aushilfen
beschäftigt. Ilija Nudelmann
gehört dazu. Der 23-Jährige hat
nicht nur den Weg vom Prak-
tikanten zum Festangestellten
geschafft, sondern auch den
Landessieg. „Ich bin sehr stolz
auf ihn“, freut sich JürgenPitzen.
DerErfolg seinesSchützlings ist
auch für ihn eine Bestätigung.
Ohne Praktika gibt es bei Blo-
emers keinen Ausbildungsver-
Bei Bloemers ebnen Praktika den Weg in vielseitigen Beruf
Wie kommt Opa in die Urne?
„Warum wird der Opa nicht mehr wach? Was passiert mit ihm? Wie kommt er
denn in eine Urne? Friert die Oma im Sarg?“ Tischlermeister und Fachgeprüfter
Bestatter Marc Pfaffinger aus Mendig kennt aus der Trauerarbeit mit Hinterbliebe-
nen auch Fragen, die Kinder stellen, wenn ein Angehöriger verstorben ist.
Bestatter Pfaffinger: Trauerarbeit ist für Kinder kein Tabuthema
mit demTod erfahren viele Kin-
der beimVerlust des Haustieres.
„HierkönnenElternverständlich
machen, was es bedeutet, in
Zukunft nicht mehr da zu sein.
Sie haben Vorbildfunktion und
müssen Kindern dabei helfen,
ihren Schmerz zu verarbeiten“,
erklärt er. Ehefrau Yvonne,
gelernte Erzieherin, bestärkt ihn
in seinen Wertevorstellungen.
Marc Pfaffinger, der sich bereits
alsTischlergesellezum„Fachge-
prüften Bestatter“ qualifizierte,
hat sich mit Trauerarbeit aus-
einandergesetzt. „Der Tod ist
eigentlich ein ganz natürlicher
Vorgang.Wir Erwachsene blen-
den das Thema gern aus, weil
wir uns davor fürchten. Kinder
erfahren diese Furcht erst durch
uns“, stellt er klar.
TrauerarbeitistfürPfaffingerein
ganznormalerProzess,„denman
zulassen muss, um einen Ster-
befall zu verarbeiten. Abschied
zu nehmen ist wichtig, um sich
dann wieder
aktiv dem Le-
ben zuwenden
zu können. Das
gilt für Kinder
wieauchfürEr-
wachsene“, so
der Bestatter.
Die Versor-
gung der Ver-
storbenen sieht
Pfaffinger als
Dienstleistung
fürdieAngehö-
rigen und den
Toten, die über
das „Übliche“
hinausgeht.„Es
auf die Uhr. Der 28-Jährige hat
sich einNetzwerk aufgebaut und
vermittelt Trauerredner ebenso
wie psychologische Begleitung
in der Trauer und Rechtsbera-
tung in Erbangelegenheiten.
Gefragt nach dem doppelten
beruflichen Engagement als
Tischlermeister und Geprüfter
Bestatter, kommt die Ant-
wort spontan: „Bei meiner
Entscheidung bin ich einer
jahrhundertealten Tradition
gefolgt. Früher gehörte das
Tischlern eines Sarges zu
den festen Aufgaben eines
Bestatters. Allerdings haben
sich die Bestattungskultur und
somit die Herausforderungen
an den Bestatter entscheidend
verändert“.Sogehörtnebender
umfangreichen Betreuung der
Trauernden auch die kreative
Gestaltung der Trauerfeier
dazu.
Mit hochwertigen Tischler-
arbeiten und anspruchsvollen
Dekorationen sorgt Pfaffinger
dafür, dass „ein trauriger An-
lass nicht auch noch traurig
aussehen“muss, sondern einen
würdevollen Rahmen erhält.
„Kinder können einBildmalen
oder Blumen für den Verstor-
benen pflücken und so selbst
„Die Endgültigkeit des Todes
kann man versuchen, Kindern
anhand von Beispielen näher zu
bringen“, sagt Marc Pfaffinger.
Er nennt ein Bespiel: „Opa wird
dieses Weihnachten nicht mehr
mitunsverbringen.Erkannnicht
mehr mit Dir zum Spielplatz ge-
hen.“ Der Bestatter glaubt, dass
es am besten ist, „den Tod beim
Namen zu nennen und ihn mit
einfachen klaren Sätzen kindge-
recht zu erklären“. „Opa schläft
nicht, es sieht nur soaus. Er atmet
nicht und seinHerz schlägt nicht
mehr. Er kann nicht essen und
laufen, aber es tut ihm nichts
weh.“ Pfaffinger ist überzeugt,
dass Kinder große Angst haben,
auch aus dem Schlaf nicht mehr
aufzuwachen,wennEltern ihnen
erzählen, dass Opa für immer
eingeschlafen ist.
Auch von der Wortfügung
„friedlich eingeschlafen“ hält
er nichts. „Kinder denken nicht
abstrakt undkönnendamit nichts
anfangen.“Die ersteBegegnung
ist immer wieder das mensch-
liche Verständnis von Geburt
und Sterben, Leben und Tod,
Freude und Trauer“, schätzt er
ein. Er nimmt sich viel Zeit für
die Gespräche mit den Hinter-
bliebenen und ist auch während
und nach der Bestattung des
Verstorbenen für sie da. Für
ihn gibt es dabei keinen Blick
Pfaffinger Bestattungen, Mendig
Gegr. 2011 | 6 Mitarbeiter | Rundumbetreuung und Beratung von Hin-
terbliebenen | Tel. 02652/ 52 95 110 |
Jeder Mensch hinterlässt Spuren. Sie an-
denkend zu bewahren, ist Ziel von Tischler-
meister und Bestatter Marc Pfaffinger.
trag. Ilija Nudelmann hat seine
Chance genutzt. „Ursprünglich
habe ich nicht an diese Aus-
bildung gedacht“, sagt er und
verweist auf die Wende nach
einem Gespräch mit einem Be-
kannten, der bei einemBestatter
lernte. Ilija Nudelmann bewarb
sich bei Bloemers – er bewährte
sichundwurde zueinemzweiten
Praktikum eingeladen.
Jürgen Pitzen ist überzeugt:
Praktika haben nicht nur für
Unternehmen Vorteile. Denn so
mancher Interessent kommt mit
falschen Vorstellungen. Nicht
selten empfiehlt Jürgen Pitzen
möglichen Bewerbern, eine
Zwischenstation einzulegen, um
herauszufinden, wo die wahren
Fähigkeiten liegen. Er weiß,
wovon er spricht. Er selbst hat
seine ersteAusbildungbei einem
Steuerberater gemacht. Er stieg
dann bis zum Abteilungsleiter
bei einem Mittelständler auf.
Als er sich auf eine Anzeige
der Firma Bloemers bewarb
und die Chance zum Einstieg
erhielt, änderte sich alles. In
Lehrgängen qualifizierte er sich
weiterundbestandseinePrüfung
beimBundesverband Deutscher
Bestatter. Später wurde Jürgen
Pitzen am Unternehmen betei-
ligt und konnte es 2008 sogar
übernehmen. Jürgen Pitzen
bereitete in Zusammenarbeit
mit der Betriebsberatung der
Handwerkskammer Koblenz
die Übernahme gründlich vor,
wobei die Schwerpunkte auf der
Finanzierung und der Vertrags-
gestaltung lagen.
Gern gibt Jürgen Pitzen seinen
Erfahrungsschatzweiter. Davon
profitierte auch IlijaNudelmann,
der gründlich in alle Bereiche
eines vielseitigen Berufs ein-
geführt wurde, der viel Finger-
spitzengefühl erfordert – und
natürlich auch handwerkliches
Geschick.Wer Bestatter werden
will, muss sich nicht nur bestens
in den rechtlichen, hygienischen
und kaufmännischen Aspekten
auskennen, sondern auch ein-
fühlsam sein. Es kommt nicht
von ungefähr, dass ein Lehrling
Beratungsgespräche erst gegen
Ende seiner Lehrzeit eigenstän-
dig führen darf.
Bundesweit werden jährlich
etwa 100 bis 150 Lehrlinge
geprüft. Es gibt übrigens nur
drei Einrichtungen, an denen der
Nachwuchs die Theorie lernen
kann. IlijaNudelmanngingnach
Bad Kissingen, wo er auch die
theoretische Prüfung bestand.
Der praktische Teil folgte in
der Theo-Remmertz-Akademie
in Münnerstadt, der bundesweit
einzigen Einrichtung, in der dies
möglich ist. Auch hier bestand
der Koblenzer mit Bravour.
Bloemers Bestattungen GmbH, Koblenz
Gegr. 1835 | 6 Mitarbeiter | Bestattungen, Bestattungsvorsorge
Tel. 0261/ 12 566 |
Jürgen Pitzen und Ilija Nudelmann mit der Landes­
sieger-Urkunde des Bundesverbands.
i h r e n BeitragzurTrauerfeier
leisten“, schließt er den Kreis zu
seinen anfänglichen Gedanken
zur Trauerarbeit mit Kindern.
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