Handwerk Special Nr. 159 vom 28. April 2012 - page 12-13

Denkmalgerechtes Bauen und Sanieren mit dem Fachhandwerk
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Nr. 159
28. April 2012
HwK-Ausstellung: Auf Geschichte bauen
Die gelungene Restaurierung des
um 1250 erbauten „Gotischen
Hauses“ erreichte den zweiten
PlatzimWettbewerb:„Dasschöne
historischeHaus“desLandkreises
Mayen-Koblenz. Bereits 2010
wurde das Objekt im Sparkassen
Denkmalpreis Rheinland-Pfalz
in der Kategorie: „Wohnen im
Denkmal“ ausgezeichnet, den
der Sparkassenverband und die
LBS Landesbausparkasse
Rheinland-Pfalz ge-
meinsammit derGeneraldirektion
Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz
ins Leben gerufen hat.
Die Galerie Handwerk im HwK-
Zentrum für Restaurierung und
Denkmalpflege Herrstein zeigt
diese Preisträger bis 8. Juni (mo-
do, 10-17 Uhr & fr, 10-15 Uhr) in
einer Ausstellung. Sie folgt dem
Ziel, das besondere Engagement
für das baukulturelle Erbe des
Landes ins Blickfeld zu rücken.
Infos bei der HwK Koblenz in
Herrstein, Tel.: 06785/ 9731-
760, Fax: -769, E-Mail: zrd@
hwk-koblenz.de, Internet:
Traditionsreiches Handwerk setzt immer neue Akzente
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Nr. 159
28. April 2012
Auf Geschichte bauen
Historische Objekte zu
sanieren ist ihre Leiden-
schaft. Bereits seit etwa
1980 sorgen sie für ein
neues Erscheinungsbild
der von ihnen erworbenen
Gebäude. „Dazu bedarf
es viel Erfahrung und
Herzblut“, schätzen Klaus
Groß und Lis Decker ein.
„Wer sich nicht für die alte
Bausubstanz begeistern kann
und kein Denkmalliebhaber ist,
lässt besser die Finger davon“,
erklärt Klaus Groß. Gemeinsam
mit Lebensgefährtin Lis Decker
sanierte er jetzt in Absprache
mit dem Landesamt für Denk-
malpflege Rheinland-Pfalz und
Handwerkern aus der Region
das älteste Gebäude von Müns-
termaifeld/Eifel.
Sanieren statt
auskernen
„Unser Grundsatz ist
es,möglichst historisch
getreu zu renovieren.
Ich bin gegen die Aus-
kernungvonObjekten“,
betont Klaus Groß. Der
Geschichteentsprechendhatsich
das Paar Groß/Decker auch des
GotischenHausesangenommen.
„Als wir 2007 das als „Kiessel-
bachs Haus“ bekannte Gebäude
– eine Familie dieses Namens
wohnte über 150 Jahre darin
– erworben haben, war es vom
Verfall bedroht. Das Dach von
Moos zugewuchert, der Putz
marode und Teile des Hauses
komplett vermauert ...“, erinnern
sich die Eigentümer.
Haus von 1250 in Münstermaifeld vor dem Verfall gerettet
Zentrumdesdenkmalgeschützten
Komplexes ist ein historischer
Wohnturm. Zunächst wurde der
instabileDachstuhl von Zimme-
rermeister Jürgen Schmitt aus
Dünfus fachgerecht unterstützt
und zum Teil erneuert. Für den
Restaurator imHandwerk ist das
Instandhalten von historischen
Zeitzeugen immer wieder ein
besonderer Auftrag. „Ich bin
mit Begeisterung Zimmerer
und es fasziniert mich immer
wieder, welche Leistungen die
Zimmerer im Mittelalter mit
ihren überschaubaren Werk-
zeugen erbracht haben“, so der
47-Jährige.
Große Teile des Daches er-
hielten von Dachdeckermeister
Johannes Schmitt aus Dünfus
ein Kleid aus spanischem Na-
turschiefer. „Das Dach ist so zu
sagen das Tüpfelchen auf dem i
bei demhistorischenHaus“, sagt
er. Schiefereindeckungen sind in
den 25 Jahren seiner Selbststän-
digkeit stark zurückgegangen.
„Dabei sind sie schön und sehr
beständig gegenüber Wind und
Wetter.“
Bei der Sanierung kamen so ei-
nigeSchätze zumVorschein, die
Hinweise auf die Erbauungszeit
Steckbriefe der beteiligten Handwerker
Rose erblüht in Basilika
„Als ich den von meinem
Großonkel gegründeten
Betrieb übernommen
habe, war ich 28 Jahre alt.
Das ist jetzt 25 Jahre her.
Jedes Jahr war eine He-
rausforderung und jeder
Auftrag ist für mich und
mein Team einzigartig“,
antwortet Steinmetz- und
Steinbildhauermeister
Thomas Brahm aus Ober-
wesel/Rhein auf die Frage
nach seiner größten un-
ternehmerischen Heraus-
forderung.
Der Restaurator im Handwerk
führtdasUnternehmenmitzwölf
Mitarbeitern in der dritten Ge-
neration. Die vierte Generation,
Jochen Brahm, bereits Stein-
metz- und Steinbildhauermei-
ster, und Georg Brahm, zurzeit
auf Meisterschule, stehen ihrem
Vater im Betrieb zur Seite.
Weltkulturerbe
restauriert
Bleibende Eindrücke hat der
Steinmetzbetrieb aus Oberwe-
sel beim Einbau eines neuen
Natursteinbodens in der Trierer
Liebfrauenbasilika hinterlassen.
„DieseBasilikawirddank seiner
fürdieGotikaußergewöhnlichen
Bauweise oft mit einer Rose
verglichen. Hierzu gehört unter
anderem eine Bodenfläche, die
nach strengen geometrischen
Regeln eine zwölfblättrige
Rosenblüte darstellt“, weiß
Brahm.
„Die neue Bodenkonstruktion
sollte Drain-fähig ausgeführt
werden. Diese Maßnahme er-
Steinmetz Brahm ist Spezialist für kreative Steinschläge
Nachgefragt
ObermeisterThomas Brahm
Steinmetz- und
Steinbildhauer-
meister Thomas
Brahm ist seit Fe-
bruar 2012 neuer
Obermeister der
Steinmetz- und
Steinbildhauer-
Innung Mittelrhein
mit 32 Mitglieds-
betrieben.
Der53-Jäh-
rige führt
ein Tradi-
tionsunter-
nehmen in
O b e r w e -
sel/Rhein
in der drit-
ten Gene-
ration. Der
Restaurator imHandwerk arbeitet mit seinem
zwölfköpfigen Team in drei Schwerpunktbe-
reichen: Restaurierung und Denkmalpflege, Bauen und Wohnen
sowie Grabmalgestaltung.
Herr Brahm, Sie sind Stellvertretender Landesinnungs-
meister Rheinland-Pfalz und im Bundesverband Deut-
scher Steinmetze aktiv. Jetzt ist ein neues Ehrenamt dazu
gekommen. Was treibt Sie an?
Der Wille, etwas zu gestalten, ist bei mir schon recht stark aus-
geprägt. Das bezieht sich nicht nur auf meine eigentliche Arbeit,
sondern eben auch auf das Ehrenamt. Ich arbeite seit Jahren in
unterschiedlichen Gremien auf Landes- und Bundesebene mit
und ich bin überzeugt, dass meine neue Aufgabe auf regionaler
Ebene hilfreich ist, Probleme der Basis nach oben noch besser zu
signalisieren. Das gilt auch im umgekehrten Fall. Die Innung ist
das Sprachrohr gegenüber der Politik. Gerade für unserHandwerk
gibt es da Handlungsbedarf.
Woran denken Sie da konkret?
Die Entwicklung des Friedhofswesens beschäftigt mich stark.
Sie sollte sich an einer gestalterisch gelungenen und an der
individuellen Persönlichkeit des Verstorbenen ausgerichteten
Friedhofs- und Grabmalkultur orientieren. Der Friedhof muss als
Kulturgut verstandenwerden, nicht nur alswirtschaftlicheEinheit
einer Kommune. Er dokumentiert Historie undEntwicklung einer
Bestattungskultur. Kirchen und Kommunen sind als Friedhofs-
träger auch einem sozialkulturellen Auftrag verpflichtet. Für
eine verantwortungsvolle Entwicklung unserer Bestattungs- und
Friedhofskultur nehmen die Friedhofsträger und -verwaltungen
eine Schlüsselstellung ein, denn nur ein zeitgemäßer Friedhof
mit einem differenzierten Angebot an Grabarten und Bestat-
tungsmöglichkeiten kann diesen wieder positiv erlebbar machen.
Hier sollten alle Verantwortlichen, inklusive der Steinmetz- und
Steinbildhauerbetriebe, an einem Tisch sitzen.
Welche Akzente möchten Sie als Obermeister setzen?
Ich möchte neue Mitglieder werben. Deshalb werde ich nach und
nach alle Betriebe besuchen und im persönlichen Gespräch die
VorteilederMitgliedschaftaufzeigen.Darüberhinausmussunsere
Außendarstellung verbessert werden. Über die Imagekampagne
des Deutschen Handwerks hinaus wollen wir unserem Gewerk
eine persönliche Note verleihen. Dazu gehört auch, dass wir als
Innungmehr Stadtfeste und andereVeranstaltungennutzen, uman
einem Stand unsere Leistungspalette aufzuzeigen. Der Steinmetz
und Steinbildhauer kann weitaus mehr anbieten, als dies in der
Bevölkerung bekannt ist. Wichtig ist mir auch, dass wir uns als
Kollegen und nicht als Konkurrenten sehen. Gespräche und ein
Miteinander, durchaus auch die gemeinsame Abwicklung eines
Großauftrags, sind dafür die Basis.
Giebelschlussstein aus Ba-
saltlava am Westgiebel der
Bartholomäuskirche in Kettig.
möglicht, dass aufsteigende
Erdfeuchtebereits indenunteren
SchichtendesBodenaufbausver-
dunsten und gelöste Salze sich
nicht an der neuen Belagsober-
fläche niederschlagen können“,
erklärt der Fachmann. Dazu
kam, dass der neue Boden auch
ohne den Einsatz von Wasser
leicht zu reinigen sein sollte. Es
wurden 495x495x40 Millime-
ter große Sandsteinplatten mit
einemspeziellenMörtel verfugt.
„Schwierig für die Verlegung
war die komplizierte, vielfach
unterbrochene Geometrie der
Bodenfläche. So galt es bei-
spielsweise ein rechtwinkliges
Raster in die organische Form
der Rosenblüte einzupassen“,
so Thomas Brahm. Zusammen
mit Mitarbeitern der Firma „Ka-
lenborn Naturstein“ aus Rieden
bildete sein Unternehmen eine
Arbeitsgemeinschaft.
Die Erneuerung der Kreuzblu-
me an der Katholischen Kirche
St. Bartholomäus in Kettig
erforderte ebenfalls kreative
Steinschläge. „Sie besteht aus
drei Teilen und wurde nach
der Restaurierung der Westgie-
belfassade mit einem Kran auf
die Giebelspitze gehoben. Der
Schlussstein wiegt allein 880
Kilogramm“, erzählt Thomas
Brahm. Er verweist darauf, dass
bei Restaurierungsarbeiten an
Kulturdenkmälern oft nur parti-
ellesArbeitenmöglichist,umdie
Statik nicht zu gefährden.
Vielseitig
aufgestellt
Neben der Restaurierung und
Denkmalpflege hat sich das
Traditionsunternehmen auch im
BereichBauen undWohnen und
in der Grabmalgestaltung einen
Namen gemacht. Das mehrmals
vom Bundesinnungsverband
des deutschen Steinmetz- und
Steinbildhauerhandwerks ver-
liehene Leistungszeichen sowie
eine Reihe weiterer Auszeich-
nungen sind der Beweis für die
Steckbrief: Heinrich Brahm GmbH, Oberwesel
Gegr.1932 | 12Mitarb.(3Meister,1Lehrl.) | Restaurierungen,Bauenu.
Wohnen, Grabmale | Tel.: 06744/ 472 |
Bundesverband der Steinmetze.
Darüber hinaus engagiert er sich
im Arbeitskreis Denkmalpflege
derHandwerkskammerKoblenz.
„Ehrenamtliche Arbeit ist für
mich keine Belastung, sondern
eine Bereicherung. Die vielen
Gespräche mit Fachkollegen
machen reich an Erfahrungen“,
so der Obermeister.
Brahms Steinmetzteam erneuert den Bodenbelag aus
Mainsandstein in der Trierer Liebfrauenbasilika.
Foto: privat
besondere Qualitätsarbeit
des mittelständischen Un-
ternehmens.
„Wir Steinmetzen und
SteinbildhauersindGestal-
ter des Steins. So spreche
ich beispielsweise von
Grabzeichen stattGrabma-
len. Wir können mit einem
kunstvoll gestalteten Stein
Zeichen der Erinnerung
setzen. Er ist so gut wie
unvergänglich und wird
zum Zeugen der Zeit“,
philosophiert Brahm. Erst
kürzlich wurde er zum
ObermeisterderSteinmetz-
undSteinbildhauer-Innung
Mittelrhein gewählt. Er ist
stellvertretenderLandesin-
nungsmeister Rheinland-
Pfalz und Mitglied im
Foto: privat
gaben. Dazu zählten beispiels-
weise ein gotischer Spitzbogen,
mittelalterliches Fachwerk,
sowie Wandmalereien. Beim
AbschlagendesPutzeswurdeein
für die Gotik typisches Spitzbo-
genfenster sichtbar. Gemeinsam
mit dem Landesdenkmalamt,
den Bauleuten und Steinmetz
PeterHänig ausMünstermaifeld
erfolgte eine aufwendigeRekon-
struktion. „Ich hatte eine Skizze
zur Verfügung und habe das
Fenster der gotischen Formge-
bung entsprechendmit Tuffstein
aus Weibern gestaltet“, so der
Steinmetz. „Es sollte wieder
so hergerichtet werden wie es
ursprünglich war“, beschreibt er
die Herausforderung. Farbreste
in einem dunklen Rot gaben die
farbliche Fassung der Fenster-
laibungen vor.
Fenster, Treppen
und Geländer
„Bei einem historischen Haus
legt man besonders viel per-
sönliches Gefühl in die Arbeit“,
sagt Tischlermeister Gerhard
Zicka ausDommershausen. Aus
seiner Werkstatt stammen die
Holzsprossenfenster mit ech-
ten Wetterschenkeln. Darüber
hinaus hat er die barock gewen-
delte Eichentreppe im Inneren
komplett zerlegt, restauriert,
defekte Stufen ausgetauscht und
passgenau wieder aufgebaut.
„Ich informiere mich auch in
alter Literatur, um möglichst
authentisch zu arbeiten.“ Seit
28 Jahren ist Zicka mit seinem
Bruder selbstständig. „Angefan-
gen haben wir in einer Garage
mit Hobel und Handkreissäge“,
sagt der 57-Jährige.
Schlichte, dem Ambiente des
Hauses entsprechende schmie-
deeiserne Geländer aus Rund-
stahl, zieren das Treppenhaus.
Metallbauermeister Michael
Büchel-Schwaab aus Münster-
maifeld ist ein Spezialist für
Geländer. Zahlreich hat er sie
auch für die Burg Eltz angefer-
tigt. Die Wetterfahne auf der
Marksburg, ein auf dem Pferd
sitzender Ritter, trägt ebenfalls
seine Handschrift.
„An den Wohnturm wurden
zwischen 1650 und 1750 neue
Räume zum Hof und zur Stra-
ße hin angebaut. Im Kern ist
das aus einem quadratischen
Wohnteil bestehende steinerne
Haus mit zwei Etagen, einem
Keller und einemDachgeschoss
erhalten geblieben“, erzählen
die Eigentümer. Sie verweisen
darauf, dass solche massiven
Häuser imMittelalter eher selten
als gewöhnliche Wohnstätten
dienten. „Die über einen Meter
dicken Mauern lassen darauf
schließen, dass wahrscheinlich
niedererAdelimHausgelebthat,
der geschützt werdenwollte“, so
Lis Decker.
Das „Gotische Haus“ ist nach
dreijähriger Restaurierung ein
Blickfang im Stadtkern von
Münstermaifeld. Es gewährt
einen Blick zurück ins Mittelal-
ter mit seiner oft farbenfrohen
Gestaltung und ist fester Be-
standteil der Stadtführungen im
Maifeldort.
Klaus Groß und Lis Decker.
Dachdecker Johannes Schmitt, Dünfus
Gegr. 1987 | 1 Meister | Naturschiefereindeckung, Zink- u. Bleiar-
beiten | Tel.: 02672/ 7751 |
Zimmerei Jürgen Schmitt, Dünfus
Gegr. 2006 | 1 Meister, 2 Gesellen | Restaurator im Handwerk, Dach-
stühle, Dachkonstruktionen | Tel.: 02672/ 913645
Tischlerei Zicka GmbH, Dommershausen
Gegr. 1984 | 1 Meister, 1 Geselle | Fenster, Restaurierungen | Tel.:
02605/ 3868 |
Schlosserei Michael Büchel-Schwaab, Münstermaifeld
Gegr. 2001 | 1 Meister | Geländer, Wetterfahnen | Tel.: 02605/
847430
Steinmetz Peter Hänig, Münstermaifeld
Gegr. 2005 | Restaurierungen, Natursteinarbeiten | Tel.: 02605/ 84395
Das restaurierte Gotische Haus in Münstermaifeld.
Foto: LBS RLP
Ansichtssache: Das Gotische Haus im Vorher-Nachher-Vergleich.
Fotos: privat
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10,11 14,15,16,17,18,19,20,21,22,23,...24
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