Handwerk Special Nr. 129 vom 29. April 2009 - page 12-13

Im Ausland für das Handwerk aktiv: Die Projekte der HwK Koblenz
Nr. 129
29. April 2009
HwK-Engagement in Südosteuropa
Seit Anfang der 90er
Jahre engagiert sich
die HwK Koblenz in der
Balkanregion. In dieser
Zeit haben sich zahl-
reiche partnerschaftliche
Kontakte entwickelt.
Über ihre Ost-West GmbH
ist die HwK Koblenz in zahl-
reichePartnerschaftsprojektemit
Handwerks- und Mittelstands-
organisationen in Südosteuropa
und Asien involviert und stärkt
damit allem voran die Position
des deutschen Handwerks.
Projekte der HwK Koblenz auf dem Balkan und die Vorteile für das heimische Handwerk
Im Ausland für das Handwerk aktiv: Die Projekte der HwK Koblenz
Nr. 129
29. April 2009
Berufliche Bildung auf dem Subkontinent
Bereits seit einigen Jah-
ren hat die Handwerks-
kammer Koblenz über
ihr Partnerschaftsprojekt
in Sri Lanka gute Kon-
takte zu Wirtschafts-
verbänden in Indien.
So zum Dachverband der dor-
tigen Kammern (Federation of
Indian Chambers of Commerce
and Industry – FICCI), ähnlich
wie über dasNachbarprojekt des
Zentralverbandes desDeutschen
Handwerks und der SEQUA in
Bangalore. Der zunehmende
Fachkräftemangel in Indien
gefährdet das dortigewirtschaft-
liche Wachstum, was ein Enga-
gement der Kammer in diesem
„Schwellenland“ gerade auch in
der aktuellen wirtschaftlichen
Situation sehr attraktiv macht.
Seit Mitte 2008 kooperiert des-
halb die HwK Koblenz mit der
Deutsch-IndischenHandelskam-
mer und deren Hauptgeschäfts-
führer Bernhard Steinrücke in
einem Berufsbildungsprojekt.
Vorgesehen ist ein Zentrum, für
das HwK-Experten die Pläne
liefern, erste Architektenent-
würfe liegen bereits vor. Das
Zentrum soll die Bereiche Kfz
und Metall abdecken, Träger
wäre die im Industriestandort
Pune stark vertretene deutsche
Wirtschaft. Neben Firmen wie
Daimler und VW haben sich
hier auch zahlreiche mittelstän-
discheBetriebe indenBereichen
Maschinenbau, ElektroundKfz-
Zulieferung, aber auch Betriebe
aus dem Nahrungsmittelsektor
angesiedelt.
Das neue VW-Werk in Pune
stand auch auf dem Besichti-
gungsprogramm der Reise von
HwK-Präsident Karl-Heinz
Scherhag auf den Subkonti-
nent, bei der es darum ging, die
verschiedenen Projektansätze
mit potenziellen indischen Part-
nern voranzutreiben. Themen
der Gespräche in Pune waren
unter anderem die Qualifizie-
rungserfordernisse Indiens und
Überlegungen, wie darauf mit
Maßnahmen der Berufsbildung
reagiert werden kann. Scherhag,
der auch den Standort für das ge-
planteZentrumbesichtigte,wies
auf den Bedarf der mittelstän-
dischenWirtschaft hin: „Gerade
handwerklichorientiertenUnter-
nehmenfielederEinstieginPune
leichter, wenn es eine geeignete
Qualifizierungseinrichtung für
ihre Mitarbeiter gäbe.“
Indienreise von HwK-Präsident Karl-Heinz Scherhag vertieft interessante Ansätze für das Handwerk
es bei der Unterre-
dung mit Dr. Sarita
Nagpal, der stell-
vertretenden Ge-
neralsekretärin des
Industrieverbandes
CII. Die Finanzie-
rung, so Nagpal,
könne über eine
von Regierung und
Wirtschaft getra-
gene „Corporati-
on“ laufen. Mit der
Handwerkskammer
Koblenz würde man gerne ein
neues Berufsbildungszentrum
entweder aufbauen oder ein vor-
handenesumstrukturierenundzu
einem „Center of Excellence“
ausbauen.
Die Reise lieferte sehr zufrie-
denstellende Ergebnisse. „Wir
haben inzwischenAnfragen von
den unterschiedlichsten Stellen,
uns in Indien im Bereich der
Berufsbildung zu engagieren.
So zeigen neben der Deutsch-
Indischen Handelskammer,
mit der wir bereits das Konzept
Interview
HwK-Hauptgeschäftsführer Alexander Baden über die Partnerschaftsprojekte der HwK Koblenz
Über zahlreiche partnerschaftliche Kontakte
engagiert sich die Handwerkskammer Koblenz
im Ausland und vertritt damit die Interessen
des deutschen Handwerks über Ländergren-
zen hinweg. Handwerk Special sprach mit
dem Hauptgeschäftsführer über die Gründe.
Alle Projekte werden durch das
Bundesministerium für wirt-
schaftlicheZusammenarbeitund
Entwicklung(BMZ)derBundes-
republik Deutschland finanziell
gefördert und über die Stiftung
für wirtschaftliche Entwicklung
und berufliche Qualifizierung
„SEQUA gGmbH - Partner der
deutschen Wirtschaft“ abgewi-
ckelt. „Die Projekte im Ausland
leisten einen solidarischen
Beitrag zur Entwicklung des
handwerklichen Mittelstandes
und erleichtern internationale
Kontakte für exportorientierte
Betriebe unseres Kammerbe-
zirks“, bekräftigt HwK-Prä-
sident Karl-Heinz Scherhag
das Auslandsengagement der
Kammer Koblenz.
Nutzen für das
heimische Handwerk
Die engen Beziehungen zwi-
schen der HwK Koblenz und
ausländischen Wirtschaftsorga-
nisationen erschließen nicht nur
neueAnschaffungs- undAbsatz-
märkte für Handwerksbetriebe
aus dem Kammerbezirk. Die
Auslandsprojekte und die in den
einzelnen Ländern agierenden
Projektbüros bieten außerdem
zuverlässige und aktuelle Infos
über ausländische Märkte so-
wohl für bereits international
orientierteMitgliedsbetriebe als
auch für solche, die künftig ihre
Marktchancenerweiternwollen.
Hinzu kommen die Betreuung
vor Ort sowie persönliche Kon-
takte zu den Partnerorganisati-
onen und staatlichen Behörden.
„Die Finanzierung der Partner-
schaftsprojektewird vollständig
vom BMZ getragen. Das heißt,
für die HwK Koblenz besteht
zu keinem Zeitpunkt ein finan-
zielles Risiko“, erläutert HwK-
HauptgeschäftsführerAlexander
Baden nachdrücklich.
Welche Vorteile haben die Auslandspro-
jekte der HwK im Allgemeinen?
Wir arbeiten vor allem aus drei Gründen in sol-
chen Projekten. Erstens schaffen wir uns damit
Verbündete im Ausland. Das spielt eine erheb-
liche Rolle, wenn es etwa um handwerks- oder
berufspolitischeFragestellungen auf europäischer
Ebene geht oder wenn sich Nationen verstärkt
deutschen Ausbildungskonzepten, Qualifikati-
onsstandards und letztlich Produkten zuwenden. Zwei-
tens sehen wir es für eine gesellschaftliche Kraft wie das
Handwerk als selbstverständlich an, die Bundesregierung
bei der Bekämpfung von Armut und der Verbreitung von
Demokratie undMarktwirtschaft imRahmen der Entwick-
lungshilfe zu unterstützen. Und drittens haben die Kammer
und ihre Mitglieder teils sehr konkrete Vorteile von der
Arbeit im Ausland. So erweitern Kammermitarbeiter,
aber auch Handwerker oder Lehrlinge, die kurzzeitig im
Ausland waren, ihren Horizont und sind in ihrer täglichen
Arbeit kreativer und produktiver. Daneben konnten wir
über unsere Kontakte so manchem Handwerksunterneh-
men Aufträge oder den Gang ins Ausland ermöglichen.
Das bedeutet allerdings auch, dass
ich Projekte, die diese Bedin-
gungen nicht erfüllen, ablehne.
Die Arbeit im Ausland ist nicht
Selbstzweck, sondern muss der
Erreichung unserer Ziele dienen.
Warum engagiert sich die
Handwerkskammer Ko-
blenz konkret in Indien?
Indien ist der Markt der Zukunft, ein
Erdteilmit einerMilliardeMenschen
und die größte Demokratie der Welt.
Das, was man in den vergangenen
ein bis zwei Jahrzehnten in China
an wirtschaftlicher Entwicklung
gesehen hat, wiederholt sich jetzt in Indien und wir stim-
men mit unserer Landesregierung voll überein, dass gerade
der Mittelstand hier schon jetzt große Möglichkeiten hat.
Wenn Indien nun Interesse zeigt, das deutsche Duale System
der Berufsausbildung zumindest in Teilen zu übernehmen,
ist das eine Chance, die sich die deutsche Wirtschaft und
das Handwerk nicht entgehen lassen dürfen. Denn damit
wäre zwangsläufig auch eine Hinwendung zu uns als
Wirtschafts- und Handelspartner verbunden: Wer nach
deutschen Systemen lernt, möchte letztlich auch deutsche
Qualität und deutsche Produkte haben. Es wäre geradezu
sträflich, als deutsche Selbstverwaltungsorganisation solche
Möglichkeiten nicht zu nutzen, zumal die indische Seite
die geplanten Berufsbildungsprojekte selbst finanziert.
Wie kamen die Kontakte nach Indien zustande?
Wir sind im letzten Jahr von mehreren Seiten hinsicht-
lich eines Engagements im Bereich der Berufsbildung
in Indien angesprochen worden. So sind über unser
Sri-Lanka-Projekt indische Kammervertreter und die
Regierung auf uns zu gekommen und der ZDH empfahl
uns der Deutsch-Indischen Handelskammer als Partner.
Inzwischen hat es einige Besuche und Gegenbesuche
gegeben, sodass man sich auf beiden Seiten gut kennt.
Wie sehen Bundes- und Landesre-
gierung das Engagement?
Hier haben wir vollen Rückenwind. Ich bin eben erst
vom Wirtschaftsministerium in Mainz, das ja bereits ein
Kontaktbüro am Industriestandort Pune unterhält, darauf
angesprochen worden, dass man uns gerne ebenfalls in
Pune aktiv sähe. Die Deutsche Botschaft in Delhi und das
Generalkonsulat in Mumbai sind ebenfalls sehr daran in-
teressiert, dass wir uns vor Ort engagieren und unterstützen
uns vorbildlich. Schließlich stehenwir mit der SEQUA, die
zahlreiche unserer Auslandsprojekte betreut, imdauernden
Austausch: Sie vertritt uns und andere Kammern in einer
ArbeitsgruppederdeutschenundindischenRegierungen.So
wird gewährleistet, dasswir alsDeutsche bei der Reformie-
rungderBerufsbildunginIndienalleaneinemStrangziehen.
Alexander Baden
Rajen Kohli, Generalsekretär
des Kammerdachverbandes
FICCI, erläuterte Scherhag die
Einbindung seines Verbandes in
die Reform der Berufsbildung.
FICCI ist zuständig für das
Management einiger Berufsbil-
dungszentren, sogenannter „In-
dustrial Training Centers – ITI“,
außerdem für die Zertifizierung
von Ausbildungsgängen und
Absolventen.
Um konkrete Möglichkeiten
zur Finanzierung gemeinsamer
Berufsbildungsprojekte ging
für ein Berufsbildungszentrum
erarbeitet haben, die führenden
indischen Kammern und vor
allem auch die Regierung Indi-
ens großes Interesse, zumal alle
genanntenInstitutionenbereitsin
Koblenz bei uns zuGast waren.“
Auch die rheinland-pfälzische
Landesregierung stehe mit
ihrem Kontaktbüro in Pune
als Kooperationspartner bereit.
Die Vielzahl der Termine – bei
mindestens 35 Grad im Schat-
ten – hätten den Aufenthalt zu
einer echten Herausforderung
gemacht, aber: „Wir wurden
bestens unterstützt. Die Deut-
sche Botschaft in Delhi nahm
an allenwichtigen Terminen teil
und auch der Generalkonsul in
Mumbai, Walter Stechel, half,
wo er konnte – z. B. bei der
Herstellung weiterer Kontakte
mit regionalen Regierungsstel-
len. Man merkt, dass man in
Indien auf uns wartet. Offenbar
ist der gute Ruf der Kammer
gerade im Hinblick auf unsere
internationalenErfahrungenweit
vorgedrungen.“
Auf seiner Reise durch In-
dien machte HwK-Präsident
Kalr-Heinz Scherhag auch
Halt in Pune und diskutierte
mit dem technischen Leiter
von Volkswagen Indien, Dr.
John Chacko (o. r.), Fragen der
Berufsbildung.
Im vergangenen Jahr
besuchte eine hochka-
rätige indische Wirt-
schaftsdelegation die
HwK-Berufsbildungs-
zentren (l. u. o.). Ziel
war es, sich über das
deutsche Qualifizie-
rungssystem umfas-
send zu informieren,
da in Indien gerade
im mittelstän-
dischen Bereich
gut ausgebildete
junge Menschen
bislang fehlen.
Exportaktivitäten
Die Ergebnisse einer
aktuellen ZDH-Umfrage
zeigen, dass bei deut-
schen Handwerksbetrie-
ben ein stetig steigendes
Interesse besteht,
Geschäftsaktivitäten im
Ausland aufzunehmen.
Nach den Umfrageergebnis-
sen im ersten Quartal 2009
hat durchschnittlich jeder
der befragten Handwerksor-
ganisationen rund 160 Bera-
tungen im zweiten Halbjahr
2008 durchgeführt. Knapp
ein Viertel der Beratungen
beschäftigten sichmit Fragen
zur Dienstleistungserbrin-
gung. Deutlich höher als im
Vorjahr war der Bedarf an
Beratungen zum Einstieg ins
Auslandsgeschäft.
Weitere Infos bei der Au-
ßenwirtschaftsberatung der
HwK Koblenz, Tel.: 0261/
398-241, Fax: -994, E-Mail:
Dankder Partnerschaftsprojekte
ist das duale Ausbildungssys-
tem nach deutschem Vorbild
zur Diskussionsgrundlage in
den Partnerländern geworden
und konnte 2007 seinen ersten
durchschlagendenSiegerringen:
Mit Unterstützung Bulgariens
und Rumäniens wurde damals
die deutsche Meisterprüfung in-
nerhalb der EuropäischenUnion
höher gestuft als ursprünglich
vorgesehen! Dies und der Erlass
von Handwerksgesetzen nach
deutschemVorbild inBulgarien,
Mazedonien, Bosnien und Her-
zegowina stärken das deutsche
Handwerk in Europa und das
allgemeine Ziel, dieMeisterprü-
fungalsGarantiefürQualitätund
ZuverlässigkeitinnerhalbderEU
aufrecht zu erhalten.
Auch in Zukunft setzt
sich die HwK Koblenz
aufinternationalerEbene
über Partnerschaftspro-
jekte für die Interessen
des deutschen Hand-
werks ein. Ein aktuelles
Projekt in der Republik
Mazedonien, das noch
bisNovember2011läuft,
soll die Nationale Hand-
werkskammer als Dach-
verband der regionalen
Handwerkskammern
aufbauen und festigen.
ErsteMeisterbriefewur-
den inMazedonien 2008
verliehen. Das Ziel ist es
nun, den Meisterbrief
als angesehenes Quali-
tätssiegel auszubauen.
„Diesen Prozess werden wir
unterstützen.DieMeisterqualifi-
kationmuss inSüdosteuropa stu-
fenweise vereinheitlicht werden
und letztendlich den deutschen
Normen entsprechen“, so Alex-
ander Baden.
Vor Kurzem angelaufen ist
ebenfalls eine Kooperation
zwischen Rheinland-Pfalz und
Südosteuropa, die unter der Fe-
derführung derOst-West GmbH
die Erfahrungen der rhein-
land-pfälzischen Handwerks-
kammern und der Industrie-
und Handelskammern bündelt.
Karl-Heinz Scherhag, Bernhard
Steinrücke, Hauptgeschäftsführer der
Deutsch-Indischen Handelskammer,
und Generalkonsul Walter Stechel
(v. l.) beim Besuch der Firma KSB in
Pune, einem in Indien erfolgreichen
Mittelständler aus Rheinland-Pfalz.
Die HwK Koblenz ist international für die Interes-
sen ihrer Mitgliedsbetriebe im Einsatz.
HwK-Vizepräsident Werner Witt-
lich (r.) bei der Eröffnung einer
neuen Lehrwerkstatt für Kfz-Me-
chatronik in der mazedonischen
Hauptstadt Skopje.
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