Handwerk Special Nr. 129 vom 29. April 2009 - page 15

KöniglicheArbeitvomregionalenHandwerk:FestungEhrenbreitstein
Nr. 129
29. April 2009
Großbaustelle mit Event-Charakter
Fast sieht es so aus, als
sei Verpackungskünstler
Christo am Werk gewe-
sen: Alle Festungsgebäu-
de rings um den großen
Schlosshof der Festung
Ehrenbreitstein sind ge-
genwärtig hinter Gerüsten
verschwunden oder gar
regelrecht eingepackt.
Im Zuge einer
u m f a s s e n d e n
Restaurierung ei-
ner der größten
Festungsanlagen
Europas investiert
das Land Rhein-
land-Pfalz 35Mil-
lionen Euro u. a.
in die Sanierung
von Fassaden und
Dächern.
„Das große Event
auf der Festung
werden in den
kommenden Jah-
ren“, meint denn
a u c h Thoma s
Metz, Generaldi-
rektor der Gene-
raldirektion Kul-
turelles Erbe, „die Bauarbeiten
sein.WährenddieserZeitwerden
wir hier gezielt Führungen an-
bieten, umInteressierte über den
StandderDingezuinformieren.“
Viele der anstehenden Arbeiten
werdenvonHandwerksbetrieben
ausderRegionausgeführt,einige
davonmit erheblicherErfahrung
in Sachen Restaurierung.
Gerüstbau unter
Sonderbedingungen
Die „Verpackung“ beispiels-
weise der Hohen und Niederen
Ostfront, inklusiveder Festungs-
kirche, ist das Werk der auf die
Einrüstung historischer Bauten
spezialisierten Firma Gerüstbau
Schmiedt in Löf. Rund 6.000
RegionaleBetriebe bei denSanierungsarbeiten auf der Koblenzer FestungEhrenbreitstein
Steckbriefe: Gerüstbau Schmiedt, Löf
Gegr. 1986 | 20 Mitarbeiter, 2 Meister, 1 Lehrling | Gerüstbau an
historischer Bausubstanz | Tel.: 02605/ 678
Steckbrief: Bauunternehm. Franken, Bendorf
Gegr. 1966 | 53 Mitarbeiter, 3 Meister, 5 Lehrlinge | Sanierung und
Restaurierung | Tel.: 02622/ 38 37 |
müssen wir uns z. B. andere
Verankerungsmöglichkeiten
einfallen lassen, weil wir in
der Wand keine Bohrungen
anbringen dürfen.“ Gearbeitet
und teilweise auch das Material
auf dieBaustelle gebrachtwurde
mit Lkw-Kränen. „Das ist we-
niger kräfteraubend für unsere
Mitarbeiter und manchmal gar
nicht anders machbar“.
Höhenangst? Die kennt der
28-jährige, mit Vater und Be-
triebsgründer Willi zusammen-
arbeitende Gerüstbauermeister
nicht. „Schließlich war ich in
meiner Bundeswehrzeit bei der
Marine und bin auf der Gorch
Fock bis in die höchsten Masten
geklettert!“
Wie eine Plombe
beim Zahnarzt
Die Gerüste sind die Arbeits-
plattform für einen anderen
Betrieb aus der Region, der sich
auf das Arbeiten im Bestand
spezialisiert hat: die Bauunter-
nehmung Franken aus Bendorf.
„Wir werden u. a. die verputzten
Fassadenflächen rings um den
Schlosshofunddiesteinsichtigen
Außenfassaden der Ostfront
sanieren“, berichtet Bauleiter
Roger Dreidoppel. Gerade diese
Arbeit erfordert besondere Er-
fahrung, die nurwenigeBetriebe
bieten können. „Erst werden die
Fugen maschinell gesäubert,
dannwirdder neueTrockenmör-
telmithohemDruckeingespritzt.
Das lässt sich per Hand gar nicht
machen.“Schließlichmüssendie
Steine, die bei diesemVerfahren
gleichfalls ihre Portion Mörtel
abbekommen, gereinigtwerden,
„und das, ohne ihre Patina zu
verletzen“. Herkömmliches
Sandstrahlen scheidet deshalb
Quadratmeter Gerüstfläche,
erzählt Juniorchef Christian
Schmiedt, seien hier aufgebaut
worden, „ein Stück fehlt noch,
da müssen wir warten, bis die
Fledermäuse ausgeflogen sind“.
Nicht nur die Fledermäuse
gehören zu den Besonderheiten
für denjenigen, der geschützte
Denkmäler einrüstet. „Häufig
aus, gestrahlt wird
stattdessen mit Ha-
selnussschalen (!).
Andere Franken-
Mitarbeiter sind an
denbeiden aus dem
Zweiten Weltkrieg
stammenden Bom-
bentreffern an der
sogenannten „Lan-
gen Linie“, einem
zweigeschossigen
Kasemattenbau,
aktiv. „Das ist wie
beim Zahnarzt, der
einen Zahn plom-
bieren möchte und
dafür erst das gan-
ze kranke Gewebe
entfernen muss“,
kommentiertDreidop-
pel die Arbeiten.
Modernes in
alten Mauern
Die Arbeit eines anderen Be-
triebes liegt gerade in der Kunst,
möglichstunsichtbarzusein.Die
inKoblenzansässige,2003durch
Fusion entstandene Heizungs-
und Installationsfirma Löser +
Anspach ließ u. a. die Heizkör-
per in dem neu eingerichteten
Veranstaltungsraum unter der
Rheinbastion komplett in
der Wand „verschwinden“,
ermöglicht so wieder ein
fast authentisches Raumer-
lebnis und sorgte außerdem
für trendige, viel Edelstahl
einsetzendeSanitäranlagen.
„Anders als die Hand-
werker, die z. B. bei der
Außenrestaurierung tätig
sind, gibt es für uns nicht
so viele Auflagen, wenn
wir in historischen Bauten
arbeiten“, meint Carsten
Anspach. „Aber natürlich
müssen auchwir uns nach den
Gegebenheiten richten und
manchmal wirklich kreativ
sein, um moderne Technik
harmonisch mit alter Subs-
tanz zusammenzubringen.“
Komplettes „Neuland“ ist
die Festung übrigens für Löser
+ Anspach ebenso wenig wie
für die beiden anderen Betriebe.
„Wir haben hier schon in den
50er Jahren für den damals noch
sehr schlichtenRestaurationsbe-
trieb gearbeitet“, kommentiert
Jens Löser.
Steckbrief: Löser + Anspach, Koblenz
Gegr. 1932 | 80 Mitarbeiter | Heizung, Installation, Sanitär, Sanie-
rung von Altbauten | Tel.: 0261/ 889140 |
Jens Lö-
ser und
Carsten
Anspach ließen
die Heizanlagen
in der Wand verschwinden
und sorgten für blinkende
Sanitäranlagen.
Christian Schmiedt
ist Juniorchef der
„Verpackungskünst-
ler“ von Schmiedt
Gerüstbau, die den
Ehrenbreitstein für
die Restaurierung in
ein passendes Ge-
rüst hüllten.
Die Festungsgebäude rund um den Schlosshof der Festung Ehrenbreit-
stein gleichen zurzeit dem Werk des Verpackungskünstlers Christo.
Die Mauerwerksanierung rings
um den Schlosshof erfordert die
besondere Erfahrung der Bau-
unternehmung Franken und dem
Bauleiter Roger Dreidoppel.
Historisches
Am 11. März 1815 hatte
der preußische König
Friedrich Wilhelm III. die
„Order zur Neubefesti-
gung der Stadt Coblenz
und der Festung Ehren-
breitstein“ erlassen.
1817 begannen unter der
Leitung des Ingenieur-Of-
fiziers Carl Schnitzler die
Bauarbeiten auf dem Ehren-
breitstein, Standort bereits
einer barocken, auf denÜber-
resten einer mittelalterlichen
Anlage errichteten, 1801
von französischen Truppen
zerstörten kurfürstlichen
Burg. Die für 1.500 Soldaten
und 80Geschütze ausgelegte
Festung wurde in der Folge
achtmal armiert, also vertei-
digungsbereit gemacht, aber
nie angegriffen, von Luftan-
griffen im Ersten Weltkrieg
abgesehen.
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