Handwerk Special Nr. 94 vom 12. Juni 2003 - page 2

Für mehr Ausbildung
Es geht um die berufliche Zu-
kunft Jugendlicher, um künftige
Fachkräfte. Die HwK Koblenz
startet jetzt gemeinsam mit
Kommunen, Kirchen und
Arbeitsämtern eine Ausbil-
dungskampagne. Mehr Infos
auf der Rückseite.
Für mehr Mobilität
Ohne das Handwerk würde
sich im wahrsten Sinne des
Wortes manches nicht bewe-
gen. Ob Hightech-Kfz, alter
Schlepper oder komfortables
Wohnmobil, das Handwerk
hilft der persönlichen Mobilität
schnell auf die Sprünge.
Für mehr Zukunft
Nicht nur beruflich steht die
Schornsteinfegerin mit dem
Meisterbrief ganz oben. „Mor-
gen Meister“ lautet der Titel
der aktuellen Kampagne für
den Meisterbrief, Ziel vieler
Handwerker, darunter auch ein
Europameister der Friseure.
Zum Titel:
Sie wissen, was sie wollen und
haben ihr Ziel fest vor Augen:
Der Meisterbrief ist für sie
mehr als ein Beweis ihrer
Qualifikation. Derzeit besu-
chen rund 600 Männer und
Frauen die Meistervorberei-
tungskurse bei der HwK.
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aus dem
Karl-Jürgen Wilbert
Wenn Sie sich mit mir austauschen möchten:
Freunde des Handwerks!
In dieser Ausgabe von Handwerk special stellen wir die Meisterprüfung als Kernstück eines
modernen Handwerks und seiner Organisationen in den Mittelpunkt. Während wir sonst die
Meisterprüfung im Spannungsbereich von Tradition und Hightech mit vielen Beispielen
erläutern, haben wir diesmal einen anderen Grund, uns mit der Meisterprüfung zu beschäftigen.
Sie wissen, verehrte Leser, die Bundesregierung plant einschneidende Veränderungen der
Handwerksordnung, weil sie damit einen Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, zur
Versorgung der Jugend mit mehr Lehrstellen und, man glaubt es nicht, zur Technologie-
orientierung leisten will. Das Politikprogramm, das uns aufgetischt wird, ist aber – bei aller
Zurückhaltung – ein Rezept der Beliebigkeit, der Anspruchslosigkeit und der Selbsttäuschung.
Kernstücke der neuen „Strukturangebote“ sind eine unvollständige Reduzierung der verpflich-
tenden Meisterprüfungen auf Umweltschutz und Gefahrenabwehr, Öffnung der Handwerksrolle
für Gesellen mit größerer Berufserfahrung und mit Blick auf Europa ein inhaltliches Abschmel-
zen der Berufsinhalte. Das bleibt auch für die Kammern nicht ohne Auswirkung. Kurzum, ein
neues Gesellschaftssystem soll entstehen. Zugegeben, auch die Opposition lässt erst jetzt eine
größere Nachdenklichkeit erkennen und kommt aus den Startlöchern. Und die FDP, die den
wirtschaftlichen Rundumschlag des Bundeswirtschaftsministers durchbrechen will und etwas
von wirtschaftlicher Stabilität hält, muss sich geißelnden Spott gefallen lassen: Sie verhindere
im europäischen Haus mehr Marktzugang und Freizügigkeit. In Südosteuropa, also auf dem
Balkan, wenden sich immer mehr Staaten und Handwerker dem bisher bewährten Bildungs-
und Mittelstandssystem Handwerk in Deutschland zu. Eine perfekte Welt!
Das ganze Spektakel erinnert, wenn der Bundesrat nicht noch die Notbremse zieht (inwieweit er
es kann, ist noch offen), fatal an die altbekannte Devise “Haltet den Dieb”, wenn man Verfol-
ger (Wähler) im Kreis herum führen will. Handwerk scheint indes endlich ein Bereich zu sein,
wo die Regierung Stärke, Ausdauer und Reformfreudigkeit demonstrieren kann. Die Republik
lacht, wenn es um Schornsteinfegergebühren und Zupfinstrumentenmacher-Meister geht. Und:
Handwerker sind nicht so streiklustig wie die Gewerkschaften und mit ihren kleinen und
mittleren Betrieben nicht so global wirksam und finanziell vernetzt wie die Großindustrie. Die
Handwerker müssen im Land bleiben, Steuern zahlen und die Suppe auslöffeln. Was sollen sie
sonst auch tun?
Es ist – oder war bisher – bekannt, dass eine Stärke unseres Wirtschaftssystems die Klein- und
Mittelbetriebe des Handwerks sind. Dass es nicht nur um Arbeit und Kapital geht. Qualifizierte
Betriebsinhaber bleiben länger am Markt bestehen und stellen Fachkräfte ein. Das ist oft genug
nachgewiesen. Das Bundesverfassungsgericht spricht auch nicht von einem Lattenzaun für die
Kühe des einzelnen Handwerkers, sondern vom Interesse der Volkswirtschaft an robusten
Betrieben mit geringerer Konkursquote, hoher Qualifikation und starker Ausbildungsbereit-
schaft. Seit 1990 sind eine halbe Millionen Meister in Deutschland geprüft worden. Natürlich
könnte auch bei uns - da alles im Leben gesteigert werden kann - die Selbstständigenquote
gesteigert werden, aber es fehlt nicht an Gründungswilligen. Es fehlt an Aufträgen. Unser
bewährtes System zu verlassen, heißt südeuropäische oder nordafrikanische Verhältnisse
herbeiführen. Warum nicht auch die Kfz-Werkstatt auf dem Bürgersteig?
Und natürlich sollte jeder, der nur wolle, auch ausbilden. Bisher werden 32,5 % aller gewerbli-
chen Lehrlinge im Handwerk mit Meisterprüfung ausgebildet. Offensichtlich ist das nicht
genug. Das bisschen praktische Ausbildung bekommen wir sicher irgendwie hin und für
anspruchsvollere Bildungsangebote haben wir dann die von unseren Steuern bezahlten Schulen
mit ihren (neuen) Bildungsgängen und Warteschleifen. Wenn es so käme, hätte der Staat
endlich alles im Griff. Moin, Big Brother. Das Thema „Balkan“ hatten wir bereits weiter oben.
In diesen Ländern gab es das alles schon zu sozialistischer Zeit. Die teuren schulischen
Bildungssysteme sind am heutigen Staatsbankrott dieser Länder stark beteiligt. Übrigens, wenn
ich an die Schulsysteme in Sachen gewerblicher Wirtschaft in den USA denke, fällt mir mein
damaliger Kulturschock wieder ein. Dort kommt man aus einer anderen Richtung. Dies alles
lässt uns aber kalt in Germany.
Zurück zum Handwerk: Warum sollte der Handwerker bei Wegfallen der Meisterprüfung
ausbilden und nicht einfach irgendwelche Facharbeiter einstellen? Billiger wäre es allemal. Die
gesellschaftliche Verantwortung wäre er auch los und zur Fortführung seines Betriebes
brauchte er keine Ausbildung mehr, was soll’s? Alles würde dann leichter und einfacher. Es
würde beliebig. Ich hoffe, dass all dies nicht eintritt. Aber mal im Ernst: Warum trennen wir
uns von Dingen, die uns vorangebracht haben? Ich weiß es nicht. Geht es um den schnellen
politischen Erfolg? Ich kenne das Geschäft seit über 30 Jahren. Wo sind die Scharen von
Anwärtern im Norden von Rheinland-Pfalz, die qualifiziert sind, die in die Handwerksrolle
eingetragen werden möchten oder ausbilden wollen, und denen wir nicht einen akzeptablen
Weg aufgezeigt hätten?
Viel Lärm um Nichts. Das Handwerk stockt in der wirtschaftlichen Entwicklung nicht, weil
keine Existenzgründer oder Betriebsübernehmer oder betriebsbereite Unternehmen zur
Übernahme da wären, sondern weil die Arbeit zu teuer ist. Und sie ist zu teuer, weil den kleinen
und mittleren Betrieben zu viele Steuern aufgebrummt werden. Hier besteht Handlungsbedarf.
Durch Abschaffen der Meisterprüfung wird die Handwerksleistung nicht billiger. Welch ein
Trugschluss! Billiger wird sie nur durch Schwarzarbeit. Und was heißt schon Europatauglich-
keit? Es kann doch nur darum gehen, dass ein Europäer in Deutschland keinen Nachteil
erleidet. Dafür sorgt aber schon die EWG-Verordnung vom 4.8.1966. Sie fragen sich nun zu
Recht, was in die Regierung gefahren ist, als sie diese Änderungsvorschläge ersann. Sinnvolle
Vorschläge zur Modernisierung der Handwerksordnung gibt es schon länger. Ich habe in den
letzten 25 Jahren selbstverantwortlich an verschiedenen Schriften mitgearbeitet, die „Meister
der Zukunft“, „Neue Märkte – Neue Chancen“, „Neue Aufgaben – Neue Wege“ usw. heißen...
Verehrte Leser, natürlich bringt Handwerk special Nr. 94 - die Ausgabe nach der erfolgreich
verlaufenen 9. Handwerksmesse - auch diesmal noch mehr Meisterliches.
Ihr
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