Handwerk Special Nr. 90 vom 13. November 2002 - page 17

Trends und Prognosen von Koblenzer Goldschmieden
13. November 2002
Nr. 90
... so die Koblenzer Goldschmiedemeister Julian Talavera, Wolfram
Ziehl, Klaus Näther, Evert Hofacker, Carl Willy Müller, Clemens
Leyendecker und Alexander Schöne. Sie sind Spezialisten für indivi-
duelle Schmuckanfertigungen, kreieren eine eigene Schmuckware
„Made in Koblenz“. HANDWERK SPECIAL hat sie in ihrer Werk-
statt besucht und mit ihnen über Schmucktrends und Kaufverhalten
seit Inkrafttreten des Euros gesprochen. Aber auch darüber, was sie
sich vom Weihnachtsgeschäft erhoffen, wie sie Kundenpflege betrei-
ben und neue Kunden gewinnen. In unserer nächsten Ausgabe
„Handwerk im Winter“ lesen Sie, was ihre Kollegen in Idar-Oberst-
ein zu diesem Thema sagen.
Made in Koblenz:
Die Seele schmücken
Alles, was wir machen, ist etwas Besonderes...
FürGoldschmiedemeisterKlaus
Näther, Obermeister der Gold-
schmiedeinnung Koblenz, ist
„Schmuck zu schaffen, für viele
Goldschmiede nicht nur Beruf,
sondern Berufung. Uniformier-
ten Schmuck werden die Kun-
den bei uns nicht finden“, so der
Obermeister. Deshalb hält er
nichts vom „Handeln um den
Preis“, wie inzwischen in vielen
Branchen üblich. „Durch
Internet undVersteigerungen ist
die Konkurrenz für uns noch
härter geworden, handgearbei-
tete Sachen haben aber Bestand.
Das ist die Chance für unser
Handwerk, etwasBesonderes zu
schaffen.“ Vom Weihnachtsge-
schäft erwartet der Obermeister,
der seit 1974 sein Geschäft in
der Löhrstraße hat, auch in die-
sem Jahr wieder guten Umsatz.
„Wir Deutschen neigen nun mal
dazu zu jammern, man darf aber
nicht alles immer nur pessimi-
stisch sehen.“
„Weihnachtskrabbelkiste“
Carl Willy Müller hat Umsatz-
rückgänge nur im „absoluten
Luxusbereich“ bei Uhren und
Schmuck zu verzeichnen. „Wer
soeben arbeitslos geworden ist,
dem steht nicht der Sinn nach
Schmuck.DasKonsumverhalten
wird sich meiner Meinung nach
in den nächsten Jahren halbieren
und alle Branchen betreffen“,
betont er. Grund zu Pessimis-
mus sieht er allerdings nicht.
„Mein Großvater hat unser Ge-
schäft 1925 aufgebaut und
musste nach demKrieg bei Null
wieder anfangen.“ 18 Mitarbei-
ter und drei Lehrlinge bilden das
TeamC.W.Müller.„UnsereSpe-
zialität besteht darin, den Kun-
den alles zu bieten, was ermöch-
te“, erklärtMüller.ImDezember
gibt es traditionsgemäß eine
„Weihnachtskrabbelkiste“ mit
versilberten und silbernen Ge-
schenken. Antikschmuck kön-
nen die Kunden im Dezember
bei C. W. Müller bewundern.
Persönlichkeit schmücken
„Schmuck ist so alt wie die
Menschheit. Schon immer war
es ein Bedürfnis der Menschen,
ihre Persönlichkeit zu schmük-
ken. Deshalb wird Schmuck
immer eine Rolle spielen“, sagt
Evert Hofacker. „Gerade Weih-
nachten ist ein optimistisches
Fest, ein Fest, der Hoffnung und
der Liebe. DieMenschen rücken
näher zusammen, möchten sich
Freude bereiten, deshalb sehe
ichdemWeihnachtsgeschäft op-
timistischentgegen“ Seit 26 Jah-
ren ist die Goldschmiede Hof-
acker inder Schlossstrasse, Ecke
Casinostrasse zu finden. Der
Name Hofacker ist seit 50 Jah-
ren weit über die Grenzen hin-
aus ein Begriff. „Wir sprechen
mit unserem Sortiment Men-
schen an, denen Einkommens-
einbußen nicht so weh tun. So
gesehen stimmen unsere Zah-
len. Aber wir spüren auch, dass
Kaufentscheidungen durch die
allgemeine schlechte Stimmung
negativ beeinflusst werden. Die
Menschen überlegen genau, in
welcher Weise sie langgehegte
Wünscherealisieren.“ DieGold-
schmiedeHofackerhatdiegrößte
Goldschmiedewerkstatt in Ko-
blenz. 14 Mitarbeiter in der Fi-
liale Trier und Koblenz bilden
das Team. 6 Goldschmiede-
meister bilden den Kern.
Unikate mit Aquamarinen
Von einem Rückgang der Um-
sätze seit Anfang des Jahres
sprichtGoldschmiedemeister Ju-
lian Talavera. „Die Leute über-
legen länger, manchmal scheint
es, sie haben Angst ihr Geld in
Schmuckanzulegen.“Anlasszur
Sorge ist das aber für den aus
Spanien stammenden Gold-
schmied nicht. DasWeihnachts-
geschäft sieht er positiv. Für ihn
ist Schmuck auch in wirtschaft-
lich schwierigeren Zeiten „Aus-
druck von Schönheit, Ästhetik
und Sinnlichkeit.“ Im Dezem-
ber verwandelt er Werkstatt und
Laden in einen Smaragd und
Aquamarinausstellungsraum.
Auch wer nicht kaufen möchte,
erfährt dabei Wissenswertes
überHerkunft undBesonderhei-
ten der Steine. Zusätzlicher Ef-
fekt: Die grünen und blauen
Edelsteine vermitteln Hoffnung
und Zuversicht. In Silber gefasst
sind sie auch für Leute mit klei-
nerem Geldbeutel ein interes-
santes Angebot. Dabei handelt
es sich stets umUnikatschmuck.
„Der Kunde sieht bei mir, was
entsteht“, erklärt Talavera die
Symbiose von Werkstatt und
Geschäft in der Löhrstrasse.
Kommunikation wichtig
„Natürlich hat die Kauflust ge-
litten. Der Aufwand, Kunden zu
gewinnen, ist erheblich größer
als noch vor 10 Jahren“, so
Goldschmiedemeister Alexan-
der Schöne. Das hängt seiner
Meinung nach auch mit der
Schlossstraße zusammen, die
nach der Sanierung ihren „Cha-
rakter“ verloren hat. „Von einer
Prachtstraße mit hochwertigen
Geschäften ist nichts zu spüren.
Das schlägt sich in der Kunden-
struktur nieder.“ Die ist gut zu
beobachten, immerhin hat sein
Geschäft in der Koblenzer
Schlossstraße Tradition in der
Familie.Gemeinsammit seinem
Vater, dem Uhrmachermeister
WolfgangSchöne, führt esAlex-
ander Schöne in dritter Genera-
tion. Ideenreichtum und sein
Faible „etwas Zeitloses zu ent-
werfen und zu gestalten“, zeich-
nen den jungen Goldschmiede-
meister aus. „Wir sind immer
ganz nah am Kunden, Qualität
beginnt bei der ersten Kommu-
nikation“, sagt er.
Weihnachtsgeschäft später
ClemensLeyendeckerbekräftigt
Schönes Meinung. „Es ist keine
Belebung der Schlossstraße ent-
standen. ImGegenteil. Es fehlen
Kurzzeitparkplätze. Viele Leute
sagen, dass sie nur ungern hier-
her kommen. Ich spüre das an
meinenUmsätzen. Sicher ist das
auch auf den Euro zurückzufüh-
ren.DieKunden sindzögerlicher
geworden. Die Frage, was gebe
ich wofür aus, wird häufiger
gestellt.“ Seit zwei Jahren führt
er das Geschäft „Aurifex“ in der
Schlossstraße. In den Auslagen
sind ausschließlich eigene Ent-
würfe zu bestaunen. Sein Weg:
Ausgefallenes Design in mittle-
rer Preislage. Im Trend liegen
Perlen, große Farbsteine und
Bernstein. Er räumt ein, viel auf
Ausstellungen zu verkaufen. „In
Koblenz ist es in unserer Bran-
che schwerer geworden.“ Das
Weihnachtsgeschäft findet für
ihn oft erst nach Weihnachten
bis in den Januar statt. „Die Leu-
te planen dann, wissen, was sie
sich im neuen Jahr leisten wol-
len und können.“
Faszination Platin
Ausschließlich Silber, 750er
GoldundPlatinverarbeitetGold-
schmiedemeisterWolframZiehl
in seinen Kreationen. Seit 7 Jah-
ren ist der aus Bad Ems stam-
mende Meister in Koblenz.
„Meine Arbeit überzeugt die
Leute und Schmuck tut der See-
le gut“, freut sich der Gold-
schmiedemeister über Umsatz-
steigerungen. Die Faszination
von Platin erklärt er damit, daß
es sich „wie kaum ein anderes
Edelmetall für feinsteLinienund
Geflechte“ eignet. Seinen Beruf
versteht Ziehl zuerst als Hand-
werk. Er setzt auf Qualität, per-
fekten Service und individuelle
Beratung. Wer sich in seinem
Atelier amLöhrrondell/Schloss-
straße umsieht, findet überwie-
gend handwerklich gefertigten
Schmuck sowohl in klassischer
als auch moderner schlichter
Form. „HandwerklicheMeister-
schaft ist die Grundlage von De-
sign und Gestaltung“, so Ziehl.
Alexander Schöne
Carl Willy Müller
Klaus Näther
Evert Hofacker
Wolfram Ziehl
Clemens Leyendecker
Julian Talavera
1...,7,8,9,10,11,12,13,14,15,16 18,19,20,21,22
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