Handwerk Special Nr. 81 vom 30. Mai 2001 - page 16

Generationswechsel: In den kommenden Jahren erreicht jeder dritte Betriebsinhaber die Altersgrenze.
Vom Lehrling
zur Unternehmerin
Raumausstattermeisterin Daniela Kretschmann
übernimmt Hachenburger Traditionsbetrieb
Ihre Karriere war zielstrebig
und geradlinig: Nach Gymna-
sium und Fachhochschulreife
begann sie 1992 ihre Lehre im
Raumausstatter-Handwerk,
legte die Gesellenprüfung als
Innungsbeste ab, arbeitete im
Ausbildungsbetriebweiter und
belegte denMeisterkurs inTeil-
zeit. Anfang 2000 bestand sie
die Meisterprüfung vor der
HwK Koblenz. Seit dem Jah-
reswechsel ist sie Inhaberinvon
„Zuckmeyer Wohnkultur“ in
Hachenburg.
Die gerade 27-jährige Daniela
Kretschmann führt jetzt als ers-
te „Externe“ nach mehr als 150
Jahren Familientradition den
Betrieb weiter, in dem sie vor
neun Jahren ihre berufliche
Laufbahn begann. Die Kinder
der bisherigen Inhaber, Ellen
und Karl Wilhelm Breidenstein
(5. Generation der Hachenbur-
ger Raumausstatter), schlugen
andere Wege ein und erklärten
sich mit der Übergabe des Be-
triebes einverstanden. Auch die
13 Mitarbeiter stehen geschlos-
sen hinter ihrer neuen „Chefin“,
zumal beimInhaberwechsel alle
übernommen wurden.
Karriere mit Lehre
Dabei verlief der Einstieg für
die ausBetzdorf stammende jun-
ge Frau nicht gerade ideal: Sie
meldete sich auf die Lehrstelle
für einen männlichen Bewer-
ber. Gefragt nach ihren Zielen
sprach sie den Wunsch aus ein-
mal den Meister zu machen -
und bekam zur Antwort, dass
mandenhier nicht brauche, denn
es gäbe bereits einen: Karl Wil-
helm Breidenstein selbst.
DanielaKretschmannüberzeug-
te dann aber durch „ihre Tat-
kraft, ihre jugendliche Frische,
ihren gutenGeschmack und ihre
kundenorientierte Fachkompe-
tenz“, wie Breidenstein bei der
Feier zur Betriebsübergabe for-
mulierte.
Für den Übergabeprozess lie-
ßen sichKretschmann undBrei-
denstein fast ein Jahr Zeit. Auf
der einen Seite gestalteten sich
die Verhandlungen mit der
Hausbank und dadurch die Be-
willigung der öffentlichen
Fördermittel für Existenz-
gründer sehr zäh - das Raum-
ausstatter-Handwerk spürt hier
seine Abhängigkeit von der
Baubranche und ihrer schwieri-
gen Situation. Andererseits
nutzten die Vertragspartner die
Zeit für ausgiebige Betriebs-
analysen gemeinsam mit einer
Unternehmensberatung. Und
parallel dazu gaben sie dem
Geschäft behutsam ein frische-
res Erscheinungsbild.
Januar 2000, vor dem Meisterprüfungsausschuss der HwK Koblenz: Daniela Kretsch-
mann arbeitet an ihrem Meisterstück.
Die Raumausstatterin sieht sich
selbst stärker in der Rolle der
Handwerksmeisterin als in der
der Managerin. Sie sucht be-
wusst immer wieder denWeg in
die Werkstatt, in der das Team
nicht nur Dekostoffe zuschnei-
det, sondern auch Polsterer-
arbeiten ausführt. Und sie ist
viel unterwegs um vor Ort im
Gespräch mit den Kunden
Wohnideen zu entwickeln.
Arbeiten im Team
Zwei Gesellen und ein Lehrling
im Raumausstatter-Handwerk,
zwei Näherinnen im hauseige-
nen Nähatelier, vier Verkäufe-
rinnen plus Lehrling für den
Heimtextilienhandel, die beiden
Breidensteins - „sie sind mir
eine gute Stütze im Hinter-
grund“, so die Jungmeisterin -
bieten ihren Kunden individu-
elle Leistungen rund um die
Wohnkultur an.
DanielaKretschmann kennt ihre
Mitarbeiter lange genug um sa-
gen zu können, dass sie gemein-
sam den Betrieb voranbringen
werden; jeder hat seinen Be-
reich und arbeitet darin selbst-
ständig. So lassen sich Moder-
nisierungen und Aktualisierun-
gen anpacken ohne die Traditi-
on des ältesten Hachenburger
Unternehmens zu verleugnen -
Innovation und Kontinuität im
Wechselspiel.
Neue Märkte
Im Nebensatz erzählt Kretsch-
mann, dass sie „durchaus über
die Grenzen Deutschlands hin-
aus arbeiten“, denn seit mehr
als 20 Jahren kooperiert man
mit Huf Haus in Hartenfels, ge-
staltet dort das Innenleben der
Musterhäuser und in der Folge
gelegentlich auch das entfern-
ter wohnender Huf-Haus-Kun-
den. Gewöhnlich reicht der Ra-
dius rund 50 km um dieWester-
wald-Stadt.
Gemeinsam mit der Innung be-
teiligte sich „ZuckmeyerWohn-
kultur“ am Gestaltungswett-
bewerb des Landesinnungs-
verbandes des Raumausstatter-
und Sattler-Handwerks zur Ko-
blenzer Handwerksmesse; auch
Daniela Kretschmann versah
ihrenDienst amGemeinschafts-
stand im Fachmarkt Haus+
Raumund konnte dabei zahlrei-
che neue Kontakte knüpfen.
Stichwort: Begabtenförderung
Wer seine Gesellenprüfung mit „besser als gut“ abgeschlossen
oder am überregionalen Praktischen Leistungswettbewerb der
Handwerksjugend teilgenommen oder den „Betriebsassistenten
im Handwerk“ absolviert hat, kann zum weiteren beruflichen
Aufstieg ein Stipendium der „Begabtenförderung berufliche Bil-
dung“ des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, For-
schung und Technologie in Höhe von bis zu 9.000 Mark in drei
Jahren erhalten. Ob Fremdsprachen oder Arbeitstechniken im
europäischen Ausland oder ein Kurs aus dem HwK-Weiterbil-
dungsangebot - Daniela Kretschmann beispielsweise finanzierte
Teile ihrer Meisterprüfung aus diesem „Topf“...
Weitere Infos unter Tel.: 0261/398-401, Fax: -990, Email:
Mai 2001, „Zuck-
meyer Wohnkultur“ in
Hachenburg: Daniela
Kretschmann hat mit
der Meisterprüfung
die Stufen zum eige-
nen Betrieb erklom-
men und ist jetzt Che-
fin von 13 Mitarbei-
tern in Laden, Näherei
(o.) und Polsterer-
werkstatt.
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