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Nachgefragt

zu aktuellen Themen

Die allgemeine Ka-

terstimmung nach

dem Brexit wirkt

nach: Die bis zur

Abstimmung lei-

denschaftlich auf-

tretendenBefürwor-

ter des britischen

EU-Austritts sind

mittlerweile von

der Bildfläche ver-

schwundenundwer

auf der Insel poli-

tisch Verantwor-

tung übernehmen

will, steht vor einem

innen-wieaußenpo-

litischen Scherben-

haufen. Doch die

Entscheidung zeigt

auch mehr als deut-

lich: Die EU muss

sich reformieren,

will sie langfristig

erfolgreich sein.

Herr Krautscheid, welche Folgen hat der Brexit für das

Handwerk in der Region?

UnmittelbareAuswirkungenhaltensichinGrenzen,denndieZahlder

Handwerksbetriebe im Kammerbezirk, die intensive wirtschaftliche

BeziehungeninodermitGroßbritannienunterhalten,istüberschaubar.

Welche langfristigen Folgen die Entscheidung der Briten für unser

Handwerk haben wird, lässt sich nur schwer abschätzen. Doch so,

wie es auf unsere Gesamtwirtschaft durchschlagen wird, so sicher

wird es auch beim Handwerk ankommen. Wir sind ein wichtiger

Teil der deutschen Wirtschaft, und es wäre illusorisch zu glauben,

das ginge uns nichts an und ist weit weg. Unsere Betriebsberatung

steht grundsätzlich mit ihrem Bereich Export und Außenwirtschaft

zur Verfügung, wenn Betriebe Rat wünschen.

Ist der Brexit ein „Sturm imWasserglas“ oder ein gewaltiges

Erbeben, dass Europa in den Grundfesten erschüttert?

Aus meiner Sicht nichts von beidem. Sicher: Die Entscheidung

der Briten wird weitreichende Folgen haben, die wir aber in den

Griff bekommen werden. Unabhängig davon sehe ich aber ein

Signal andie InstitutionEuropäischeUnion.Dennmit demVotum

verbindet sich auch die klare Botschaft: Nein zur Gleichschal-

tung und Regulierungswut, die wir auch seitens des deutschen

Handwerks sehr deutlich vorgetragen haben. Es ist falsch, den

Anspruch zu haben, alles zu europäisieren, allem eine EU-Norm

aufzudrücken. Jedes Mitgliedsland hat seine individuellen Werte

undErfolge indenVerbund eingebracht, die sichnational bewährt

haben. Das muss gestärkt und nicht zugunsten schwächerer

Niveaus nach unten angepasst werden. Das deutsche Handwerk

hat mit dem Meisterbrief und der dualen Ausbildung ein in sich

geschlossenes und stimmiges Erfolgsmodell vorzuweisen, um

das uns viele andere Länder beneiden. Da seitens der EU ran zu

gehen, weil der Meisterbrief als Barriere für einen Markteinstieg

ausländischerAnbieter handwerklicherLeistungen inDeutschland

definiert wurde, war ein klarer Fehler der Brüsseler Bürokraten.

Mit unserer nationalen Praxis und Erfahrung hat das nichts zu tun

und der Verbraucher hierzulande, aber auch in anderen EU-Staa-

ten, kann sehr wohl einschätzen, welche Leistung er zu welcher

Qualität wünscht. Der europäische Gedanke ist sicherlich gut und

langfristigder einzigeWeg in eine erfolgreicheZukunft, nur sollte

man sich auf diewirklichenHerausforderungenkonzentrierenund

diese lösen, anstatt in der Breite auf Nebenschauplätzen Probleme

aufzubauen, die keine sind. Ich hoffe, das ist als Nachricht nach

dem britischen Votum so auch in Brüssel angekommen und man

zieht die richtigen Schlussfolgerungen. Denn unterm Strich ist

der Staatenverbund ähnlich aufgebaut wie das Handwerk bei

uns: Eine Solidargemeinschaft, die im Sinne aller Ziele erreichen

will. Das schließt Kompromisse und Verständnis füreinander ein.

HwK-Präsident Kurt Krautscheid.

Aktuelle Nachrichten aus dem Handwerk / Interview

3

Nr. 201

16. Juli 2016

www.handwerk-special.de

Perspektive im Handwerk

Kompetenzanalyse „KomPAS“ der HwK überprüft Fähigkeiten

Foto: Fotostudio Reuther

„Sehr gute Kenntnisse im

Schneiderhandwerk, dazu

Fleiß und Engagement“,

attestiert Kürschnermei-

sterin Martina Stertz aus

Koblenz ihren syrischen

Praktikanten Omar Bakri

und Mohammad Al Slash.

Beide arbeiten zurzeit in der

Werkstatt der stellvertretenden

Obermeisterin der Innung für

Bekleidung, Bücher, Schuhe

Mittelrhein. Geschickt haben

sie unterschiedliche Materi-

alien verarbeitet und Taschen

sowie Regenkleidung aus der

aktuellenKollektiondesAteliers

genäht. Vor ihrer Flucht aus der

Heimat waren sie in Aleppo als

selbstständige Schneider tätig

und haben mehrere Mitarbeiter

beschäftigt. Das Schneider-

handwerk hat in ihren Familien

Tradition. Aleppo war vor der

Zerstörung eine Hochburg im

Textilgewerbe. Jetzt möchten

sie für sich und ihre Familien in

Deutschland ein neues Leben

aufbauen. Die Arbeit in ihrem

Beruf ist dafür die ideale Basis.

Omar undMohammed haben an

der Kompetenzanalyse „Kom-

PAS“ (KOMPetenzAnalyse für

Flüchtlinge) der Handwerks-

kammer (HwK) Koblenz teilge-

nommen. Das Projekt überprüft

die vorhandenen handwerk-

lichen Fähigkeiten hinsichtlich

einer Übertragbarkeit auf das

deutsche Qualifizierungs- und

Qualitätsniveau. EinAnsatz, der

den personalen wie beruflichen

Ist-Zustand der Teilnehmer

abbildet. Die beiden syrischen

Flüchtlinge wurden von den

Arbeitsagenturen aus den Be-

reichen Bad Neuenahr-Ahrwei-

ler undWesterwald indeneigens

dafür eingerichteten Schnei-

derraum bei der HwK Koblenz

vermittelt. Hier haben sie bei

Probearbeiten unter Leitung von

Schneidermeisterin und Dozen-

tin Brigitte Pappe ihr Können

unter Beweis gestellt. Wenn das

Asylverfahren abgeschlossen ist

und die Arbeitserlaubnis durch

die Ausländerbehörde erteilt

wird, stehen sie dem deutschen

Arbeitsmarkt als Fachkraft zur

Verfügung. Sowohl Martina

Stertz als auch Omar und Mo-

hammad würden sich über die

geglückte Integration sehr freu-

en. „Es gibt genug zu tun und

die zwei sind in unserem Team

sehr willkommen“, betont die

Handwerksmeisterin.

HwK-Mitarbeiter Mustafa Karim (hintere Reihe von

links), HwK-Hauptgeschäftsführer Alexander Baden,

Mario Dieninghoff (Arbeitsvermittler Agentur für Ar-

beit Montabaur) mit (vorn) Omar Bakri, Mohammad Al

Slash und Kürschnermeisterin Martina Stertz.

Das Projekt „KomPAS“ greift

außerdem in den Bereichen

Metall, Bau, Friseur, Nahrungs-

mittel sowie in kaufmännischen

und verwaltungstechnischen

Berufen. Am Anfang eines In-

tegrationsprozesses steht immer

die Erkenntnissammlung über

Fertigkeiten und Fähigkeiten

der Flüchtlinge. Nur so können

individuelle Förderungen, von

der Ausbildung und Teilquali-

fizierung bis zum Eintritt in den

Arbeitsmarkt, möglich gemacht

werden. Die HwK Koblenz

ist mit ihrem Teilprojekt „IQ

Rheinland-Pfalz Beratung und

Qualifizierung im Handwerk

Koblenz“ Teil des IQ Landes-

netzwerks Rheinland-Pfalz.

Infos zum Projekt „KomPAS“:

Tel. 02635/ 9546-0, michael.

mueller@hwk-koblenz.de

Aktuelles aus dem Handwerk

Ausbildungszahlen

steigen leicht

Die Zahl neu eingetragener

Ausbildungsverträge bei der

HwKKoblenzhat sichzum30.

Juni imVergleichzumVorjahr

leicht erhöht. Hatten sich im

Sommer 2015 genau 1.596 Ju-

gendliche für eineHandwerks-

lehre entschieden, sind es 2016

exakt 1.603. Damit liegen die

Zahlen zum wiederholten Mal

leicht imPlus. „Eine sicherlich

positive Entwicklung, sehen

wir diedemografischeKurve“,

schätzenKurtKrautscheidund

Alexander Baden, Präsident

und Hauptgeschäftsführer der

HwK Koblenz ein. Die Zahl

offenerLehrstellen liegt aktuell

bei 902, darunter 573 für 2016

und 329 für 2017. „Das spricht

für eine langfristige Planung der

Betriebe, verdeutlicht aber auch

überZahlendieHerausforderung

bei der Fachkräftesicherung für

unsere Betriebe“, so die Kam-

merspitze.

Übersicht zu freien Ausbil-

dungs- wie auch Praktikums-

plätzen gibt die HwK online:

www.hwk-koblenz.de

HwK Koblenz bildet

Mediatoren aus

Alternativen zur Streitbeilegung

haben sich seit einigen Jahren

etabliert. Schlichtungsverfahren,

SchiedsverfahrenundMediation

bieten Möglichkeiten einer

zeitnahen und kostengünstige-

ren Konfliktbearbeitung. Vor

diesem Hintergrund beginnt

im November bei der HwK

eine neue Runde der Mediato-

renausbildung, die sich an Per-

sonen in Führungspositionen

richtet. Inder siebenmonatigen

Ausbildung werden unter an-

derem Mediationsverfahren,

innerbetriebliche Mediation,

Kommunikation oder Ge-

sprächsführung vermittelt.

Der Lehrgang beginnt am 11.

November und endet am 10.

Juni 2017.Gelehrtwirdanneun

Wochenenden. Info und An-

meldung bei Margarita Keil,

Tel. 0261/3 98-322, margarita.

keil@hwk-koblenz.de.