Handwerk Special Nr. 172 vom 31. August 2013 - page 17

Mein Handwerk . . . sorgt für sichere Bewegung
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Nr. 172
31. August 2013
„Büro ist nichts für uns“
„Ein Bürojob ist nichts für
uns“, darin stimmen Ka-
rin Eggert im Kampe und
Julia Himmrich überein.
Beide möchten Kraftfahr-
zeugmechatronikerinnen
werden. Sie sind im zwei-
ten und dritten Lehrjahr
und werden im Autohaus
Roth in Daaden/Wester-
wald ausgebildet.
Sie gehören zu den 31 Mädchen
von insgesamt 1.385 jungen
Kfz‘lern, deren Lehrverträge
in der Lehrlingsrolle der HwK
Koblenzregistriertsind.Mehrere
Praktika in unterschiedlichen
Berufen hatten Karin Eggert im
Kampe darin bestärkt, sich für
eine Lehre im Kfz-Handwerk
zu entscheiden. „Es war nicht
leicht eineLehrstelle zu finden“,
erzählt die 21-Jährige. 130 er-
folglose Bewerbungen hat sie
geschrieben. Fehlende sanitäre
Einrichtungen und andere Be-
Karin und Julia erlernen im Autohaus Roth das Kfz-Handwerk
Von Helikopter bis Motorjacht
Nach einer Kollision mit einem Hochspannungsmast
ist die Teillackierung im Heckbereich eines Hubschrau-
bers erforderlich. Ein Mercedes 180, Baujahr 1955,
hat einen seitlichen Unfallschaden. Karosserie- und
Lackierungsarbeiten sind notwendig. Die Zehn-Meter-
Jacht erwartet ihr neues Outfit. Kein Problem für den
Neuwieder Meisterbetrieb Nalbach & Hinkel.
Neuwieder Handwerksbetrieb Nalbach & Hinkel setzt auf mehrere Standbeine
Steckbrief: Nalbach & Hinkel GmbH, Neuwied
Gegr. 1903 | 15 Mitarbeiter | Karosserie- und Unfallinstandsetzung,
Lackierungen | Tel.: 02631/ 358033 |
gründungen führten zur Absage.
So absolvierte die jungeFrau aus
Kirchen zunächst eine Ausbil-
dung zur Altenpflegerin. „Aus
denUmständenheraus“,bekennt
sie. Umso glücklicher ist sie
jetzt, dass sie ihrenWunschberuf
lernen kann. Bei der 20-jährigen
Julia aus Katzenbach hat es mit
der Lehrstelle gleich geklappt.
Steckbrief:AutohausRothGmbH&Co.KG,Daaden
Gegr. 1924 | 55 Mitarbeiter | Meisterwerkstatt, Neu- und Gebraucht-
wagen VW und Audi | Tel.: 02743/ 9229-0 |
Acht Lehrlinge,
davon drei weibliche
„Der Kfz-Mechatroniker muss
Diagnostiker sein, wenn er bei
denmitElektronikvollgepackten
Fahrzeugen einen Fehler auf-
spüren soll. Da ist es gleich, ob
dies eine Frau oder ein Mann
erledigt“, ist der Ausbilder der
jungen Frauen, Kfz-Techniker-
meister Markus Wenzelmann,
überzeugt. „Wichtig ist, dass der
Lehrling Interesse für Technik
mitbringt und keineAngst davor
hat, sich dieHände schmutzig zu
machen“,lachter.Der31-Jährige
ist seit 1998 im Westerwälder
Autohaus. Er hat hier gelernt und
bei der HwK Koblenz in Voll-
zeit den Meisterkurs absolviert.
Darüber hinaus hat er sich zum
Servicetechniker fortgebildet.
Seit vier Jahren ist er für die
Ausbildung im Betrieb zustän-
dig. „Wir bilden imDurchschnitt
zwei Lehrlinge pro Lehrjahr aus
und ziehen so unsere Fachkräfte
heran“,sagter.Gegenwärtigsind
es acht junge Leute, außer Karin
und Julia ist noch ein Mädchen
dabei – eine hohe Quote!
„Um die richtige Diagnose mit
hochtechnisierten Instrumenten
zu erstellen, ist Weiterbildung
in unseremHandwerk selbstver-
ständlich“, betontWenzelmann.
DazugehörenregelmäßigeSchu-
lungen. „In der Autowerkstatt
kann es nur hoch qualifizierte
Fachkräfte geben, die das Auto
‚verstehen’“,sagter.Dasbekom-
men die Lehrlinge von Anfang
an mit. Die jungen Frauen und
Männer arbeiten Hand in Hand,
nur die Leistung zählt.
„Neulich hat ein älterer Kunde
gesagt, dass es ihm peinlich
sei, wenn eine Frau für ihn die
Glühlampen am Auto wechseln
muss“,erzähltJulia.„Daskommt
vor. Die meisten Kunden sind
aber sehr aufgeschlossen und
interessieren sich für unseren
Berufsweg.“ Karinmöchte nach
der Lehre noch eine Ausbildung
zur Fahrzeuglackiererinmachen
und den Meisterbrief erwerben.
„Oldtimer zu lackieren und zu
restaurieren ist mein großer
Traum“, sagt sie. Die Chancen
dafür sind gut. Im Handwerk
stehen ihr viele Wege offen.
umdemKunden denService aus
einer Hand zu bieten“, unter­
streicht Hinkel.
1903 begann alles mit
einem Malerbetrieb
Generell hat die Arbeit des
34-Jährigen etwas mit Leiden-
schaft für seinen Beruf zu tun.
Das Wohl der Firma liegt ihm
und Mutter Monika, mit der er
den Betrieb in der vierten und
fünften Generation gemeinsam
leitet, am Herzen. „Mein Ur-
großvater hat 1903 mit einem
Malergeschäft in Leutesdorf
begonnen. Im Laufe der 1950er
Jahre hat sichdann entsprechend
der steigenden Nachfrage des
Automobilmarktes eine Auto-
lackiererei entwickelt. Später
kamen am heutigen Standort
Karosserie- und Unfallinstand-
setzungsarbeiten hinzu. Wir
Kinder waren immer irgendwo
inderWerkstatt dabei undhaben
das Handwerk sozusagen in die
Wiege gelegt bekommen. Die
starke Familie gibt uns bis heu-
te Stabilität und Halt“, erzählt
Monika Hinkel.
„Uns liegt viel an persönlicher
Kundenbindung, deshalb steht
am Anfang des Auftrags immer
die individuelleBeratung.Unser
Familienbetrieb hat einen guten
Namen. Bleibendes zu schaffen
und soziale Verantwortung zu
tragen, sind Werte, für die ich
stehe“, betont der Juniorchef. Er
sagt dies ohne Pathos und man
nimmt ihm ab, dass für ihn nicht
in erster Linie der Profit zählt.
Für denErfolg desBetriebes ste-
hen auchdieMitarbeiter. „Wenn
sie sich wohl fühlen, engagieren
sie sich auch für ihr Unterneh-
men“, ist Hinkel sicher. Bis auf
zwei haben alle bei „Nalbach &
Hinkel“ gelernt.
Leckerbissen“, sagt Hinkel. Er
verweist in diesem Zusammen-
hang auf die Karosserieinstand-
setzung vonOldtimern, die nach
überlieferten Arbeitsverfahren
erfolgt und immer wieder eine
„besondere Herausforderung“
ist. Natürlich bekommen die
Oldtimerfreaks auch die Ori-
ginalfarbe ihres Wagens wie-
der. Eine computergesteuerte
Farbmischanlage ermöglicht
im Übrigen die Herstellung
sämtlicher Farbtöne aller Auto-
mobilmarken.
Zu den Stammkunden gehören
Autohäuser ebenso wie Privat-
kunden, Industrie- und Hand-
werksbetriebe. Die Lackierung
von Maschinen für einen nam-
haften Hersteller von Süßwaren
ist dazu gekommen. „Wir sind
breit aufgestellt, kooperieren
beispielsweise mit anderen
Gewerken und Versicherungen,
Mit digi-
taler Tech-
nik ermit-
teln Monika
und Jörg
Hinkel den
genauen
Hersteller-
farbton.
Julia Himmrich und Karin Eggert im Kampe (v.r.) gehen
bei Meister Markus Wenzelmann in die Kfz-Schule.
Bei Nalbach & Hinkel sind „alte Schätz-
chen“ in den besten Händen.
Foto: privat
Foto: privat
Das 15-köpfige Team um Ge-
schäftsführer Jörg Hinkel bietet
einen Rundum-Service für
Fortbewegungsmittel aller Art
beiUnfallschäden,Designverän-
derungen, Sonderlackierungen
und Reparaturen. „Die Luft-
fahrzeuglackierung entspringt
ebensowiedievonBooteneinem
Faible von mir“, so Hinkel, der
in der Freizeit gerne segeln geht.
Der gelernte Kraftfahrzeugme-
chaniker und studierte Mecha-
troniker hat seine Diplomarbeit
über Luftfahrttechnik geschrie-
ben, selbst bei der Lufthansa
gearbeitet.
Die Flugobjekte landen nahe
der Firma oder kommen auf
Tiefladern. Demontieren und
Montieren dürfen sie allerdings
nur zugelassene Mon-
teure. Der Chef kennt
aber die Zulassungs-
richtlinien und verfügt
über das Know-how für
die besonderen Lackie-
rungen, die die Luftfahrt
erfordert. „Natürlich sind
dieseLackierarbeiten ein
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