Handwerk Special Nr. 162 vom 25. August 2012 - page 12-13

Zwei Meis­
tergenera­
tionen im
Zimmerer­
handwerk:
Björn und
sein Vater
Axel Fein in
der preis­
gekrönten
Werkhalle
in Ober­
sayn.
Das besondere Haus – vorgestellt zu den „architektouren 2012“
12
Nr. 162
25. August 2012
Natürliches Bauen mit Holz – auch im Gewerbebau
13
Nr. 162
25. August 2012
250 Tonnen Beton für
Man mag es oder man mag es nicht – in jedem Fall erregt das Haus in Andernach-Eich
Aufsehen. Es wurde vollständig aus Betonfertigteilen in Sichtbetonqualität und mit
unterschiedlichen Oberflächenstrukturen gebaut. Entstanden ist dabei keine düstere
Betonfestung, sondern ein Bau, der hell ist, warm und behaglich wirkt. So wundert es
nicht, dass die Bauherren, Rabea und Martin Hachmeister, zum Tag der „architektou­
ren 2012“ annähernd 800 interessierte Besucher durch ihr Anwesen geführt haben.
Wohlfühlhaus aus Betonfertigteilen in Andernach-Eich
Neuwieder Becken und in
die Vordereifel erlauben. Das
Andernacher Architekturbüro
Hermann Josef Käfer setzte
sich unter sieben Bewerbern
durch und überzeugte das Ehe-
paar Hachmeister mit seinem
Vorschlag.
Licht und Luft
im Haus
Der Zugang zum Gebäude
erfolgt aufgrund der Hanglage
des Grundstücks durch das im
Untergeschoss gelegene, zwei-
geschossige Entrée. Über eine
Podesttreppe gelangt man ins
Erdgeschoss und über die zum
Entrée hin orientierte Galerie
in den großzügigen Wohn- und
Essbereich mit offener Küche
und Kamin. Im Obergeschoss
befinden sich Schlaf- und Kin-
derzimmer, Bäder, eine große
Dachterrasse sowie das zwei
Meter frei auskragende, kom-
plett verglaste Atelierzimmer.
Für die natürliche Belichtung
XXL-Visitenkarte aus Holz
Der Neubau aus der Kate-
gorie Nichtwohnbau in Ro-
thenbach-Obersaynzeichnet
sich laut Jury „durch eine
klare Geometrie und ein
spannendes Wechselspiel
zwischen großflächigem
Holz und Glasoberflächen
aus“. Die Werkhalle hebe
sich erfreulich von den
üblichen Gewerbehallen
ab, „besonders unter der
Berücksichtigung architek-
tonischer, wirtschaftlicher
und energetischer Gesichts-
punkte“.
Björn Fein kann stolz auf
sein Bauwerk sein, denn
Entwurf und Ausführung
lagen in seinerHand. Bei der
Tragwerksplanung arbeitete
er eng mit Markus Reimann
von NR Ingenieurgesell-
schaft Holztragwerke in
Nettetal zusammen. Beide
setzten auf traditionelle
Holzverbindungen wie den
„Schwalbenschwanz“ beim
Haupttragwerk und selbst
die Laufbahn für den Last-
Fein: Leistungsprofil mit preisgekrönter Werkhalle demonstriert
Für den Diplom-Ingenieur Mar-
tinHachmeister,Geschäftsführer
des gleichnamigenBetonwerkes
in Andernach, ist Beton nicht
nur ein idealer Werkstoff. Der
41-Jährige ist überzeugt von
seinem „inneren Reichtum und
skulpturalen Charakter. Er ist
sensibel, vielseitigundplastisch.
Sandgestrahlter Beton fungiert
ähnlich wie Lehmputz und sorgt
für ein gutes Raumklima und
einenangenehmenRaumklang“,
sagt er. Noch ist sein Einfamili-
enhaus aus Betonfertigteilen ein
Nischenprodukt.Diezahlreichen
Besucher haben aber auf jeden
Fall einen neuen Eindruck vom
Baumaterial und seinengestalte-
rischen Möglichkeiten für Haus
oder Garten bekommen.
Privater Architektur-
Wettbewerb
ImVorfeld zumHausbau wurde
vomBauherreneigenseinArchi-
tekturwettbewerb ausgeschrie-
ben. Ein puristisches Haus sollte
Steckbriefe beteiligter Handwerksbetriebe
Josef Müller Söhne GmbH & Co.KG, Andernach
Gegr.1939 | 48 Mitarb. (3 Meister, 11 Lehrl.) | Elektroinstallationen,
Steuerungstechnik | Tel.: 02632/ 2517-0 |
Krempel & Sohn GmbH, Andernach
Gegr. 1976 | 23 Mitarb. (3 Meister, 7 Lehrl.) | Heizung, Lüftung,
Sanitär | Tel.: 02632/ 82026 |
Volker Alef Baugeschäft, Andernach
Gegr. 1968 | 6 Mitarbeiter (1 Meister) | Hochbauarbeiten, Stahlbe-
tonarbeiten | Tel.: 02632/ 48777 | Fax: 02632/ 31249
und Belüftung des
Kinderbadezim-
mers wurde ein
Flachdach-Fenster
eingesetzt.
Planung ist
das A und O
„Bis zur Realisie-
rungdiesesObjekts
haben wir Beton-
fertigteile in erster
Linie im Gewerbe-
und Industriebau
verwendet. Das
Haus Hachmeister
ist einPrototyp.Die
Fertigteile werden
am Computer in-
dividuell geplant
und im Betonwerk
von der Witterung
unabhängig mit
höchster Präzision
vorgefertigt“, so
der Architekt. Er
verweist auf die er-
forderliche Arbeit
vor dem Bau. „Bei
Wänden aus einem
Guss ist der Pla-
nungsaufwand sehr
groß.DieFrage,wo
alle technischen
Einbauten platziert
sein sollen, muss
vorher geklärt sein.
Jedes Detail, von
der Fensteröffnung
über Schalter und
Leitungsführung
bis hin zur Steck-
dose muss genau
festgelegt werden.
Mankannnichthin-
terher einfach noch
einen Lichtschalter
anbringen“, erklärt
Käfer. „Das Haus
war sozusagen fer-
tig, bevor es gebaut
wurde.“
Perfekt
gesteuert
Das unterstreicht Diplom-Inge-
nieurDirkMüller,Geschäftsfüh-
rerderFirmaJosefMüllerSöhne,
in Andernach. „Wir haben im
mehr Wohngenuss
Vorfeld zahlreiche Gespräche
mit allen anderen Gewerken ge-
führt,umSchnittstellenzuklären
und Überraschungen während
der Bauphase zu vermeiden.“
Die spezielleGebäudesteuerung
verfügt über eine Flexibilität,
die es ermöglicht, die Funkti-
onen der Schalter später noch
frei zu programmieren. „In der
Steuerung wurde neben der Be-
leuchtung auch die Bedienung
der Heizung, der Jalousien und
der Gebäudeüberwachung in-
tegriert. Der Bauherr kann alle
Funktionen von einer zentralen
Stelle aus bedienen oder über
ein Smartphone von unterwegs
ausführen“, erklärt Dirk Müller.
Er führt den Familienbetrieb
mit 48 Mitarbeitern in der 3.
Generation.
Energetisch
durchdacht
Planerische Höchstleistungen
waren auch beim Erstellen der
Heizungs- sowie der Wohn-
raumlüftungsanlage mit Wär-
merückgewinnung und vorge-
wärmter Frischluftversorgung
erforderlich. „Jeder Raum im
Haus bekameinen einzelnenZu-
oder Abluftanschluss, der viele
Aussparungen in Decken und
Wänden erforderte“, so Markus
Krempel, Geschäftsführer der
FirmaKrempel&Sohn,Sanitär-,
Heizungs- undKlimatechnikaus
Andernach. „Die Lüftungsanla-
ge sorgt für eineHeizenergieein-
sparungvonüber 30Prozent und
garantiert einenkontinuierlichen
Luftwechsel mit einem 100 pro-
zentigen Feuchteschutz, erklärt
der Zentralheizungs- und Lüf-
tungsbauermeister.Geheiztwird
mit einer Öl-Brennwerttechnik.
Abwasserleitungenwurdenvom
Andernacher Team in schall-
hemmenden Astolanrohren
ausgeführt.
es werden, in
kubischer Bau-
form, angelehnt
andenBauhaus-
stil: Formschön,
praktisch und
schnörkellos,
zeitlos elegant
mit raumho-
hen Fenstern.
Die geschickte
Ausnutzung des
Baugrundstücks
inleichterHang-
lage und die
Aufteilung der
Räume sollten
den Bewohnern
den Blick in das
Markus Krempel, der auch Gas-
und Wasserinstallateurmeister
ist, leitet seit vier Jahrendie 1976
gegründete Firma. SohnMatheo
hat 2012 seine Lehre zum An-
lagenmechaniker für Sanitär-,
Heizungs- und Klimatechnik
als Prüfungsbester der Innung
Mayen abgeschlossen.
Angemessen
erschlossen
Bevor die Betonfertigteile mit
einem Gewicht zwischen vier
und 18 Tonnen angeliefert
und montiert wurden, hat das
Andernacher Bauunternehmen
Alef die notwendigen Erschlie-
ßungsarbeiten auf dem Grund-
stück durchgeführt. „Neben
dem Erstellen der Ortbetonbo-
denplatte fiel das Verlegen der
Grundleitungen sowie sämtliche
Schal- und Betonierarbeiten der
vor Ort betonierten Stürze und
Unterzüge in unseren Aufga-
benbereich“, so Maurermeister
Volker Alef.
Das Ehepaar Hachmeister und
ihr kleiner Sohn „genießen“ die
250TonnenBeton,diezu
ihrem
einzigartigen Haus verarbeitet
wurden.
Wohnen in einem stimmungsvollen Ambiente: Raumhohe Fensterflä­
chen gliedern die Betonkuben und verleihen ihnen Leichtigkeit.
Foto: Velux Deutschland GmbH
Der Wohnbereich lebt vom Kontrast der verwendeten Baumaterialien.
Familie Hachmeister fühlt sich hier rundum wohl.
Foto: Velux Deutschland GmbH
Funktionalität und Atmosphäre im Einklang – das gilt im Haus Hach­
meister auch für die Arbeitsbereiche wie die Küche.
Foto: Velux Deutschland GmbH
Rabea Hachmeister hat bei der Ter­
rassenmöblierung die klare Formen­
sprache des Gebäudes aufgegriffen.
Ob Fenster, Schalter und Leitungsführung oder
technische Einbauten – alles musste bereits in der
Planungsphase präzise platziert werden.
Foto: Hachmeister
kran in mehr als 7 Metern
Höhe – immerhin mit einer
Tragkraft für 3,2 Tonnen – ruht
auf Holzstützen. Dabei ist die
Hallenkonstruktion mit großen
Fensterflächen ausgestattet, die
ein weitgehendes Arbeiten bei
Tageslicht ermöglichen.
Aufmerksamkeit erregt hat der
33-jährige Unternehmer aber
auch mit Arbeiten für seine
Kunden im Wohnbau, bei Ge-
bäudeaufstockungen oder Win-
tergärten. Zum wichtigen Refe-
renzobjekt wurden Umbauten
in Kindertagesstätten, die er im
KölnerRaumfür denBereichder
unter drei Jährigen ausgeführt
hat. „DerHolzbau punktet durch
hervorragende und langlebige
Materialqualität, schnelle Um-
setzung durch die Vormontage
im Betrieb und – ganz wichtig
für die Bewohner oder Nutzer
– durch die Atmosphäre einer
natürlichen Umgebung“, betont
Björn Fein.
Der Westerwälder Meister hat
seine beruflichen Wurzeln in
einem Familienunternehmen,
das sechs Generationen zurück-
reicht. Im elterlichen Betrieb
hat er gelernt, 2002 seine Meis­
terprüfung abgelegt, um später
einmal in die Selbstständigkeit
zu gehen. Diese verwirklichte
er dann im Jahr 2008, indem
er in Zusammenarbeit mit der
Betriebsberatung der Hand-
werkskammer Koblenz eine
Neustrukturierung vornahm,
die einer Existenzgründung
gleichkam.
„Ich habe meinen Traum ver-
wirklicht.UnserHolzbaubetrieb
ist klein, aber ‘Fein’. Wir sind
– auch durch die neueWerkhalle
– sehr leistungsstark, dabei aber
so überschaubar, dass wir die
Auftragsausführung imdirekten
Kontakt zumKunden und seiner
Baustelleselbststeuernkönnen“,
fasst der Holzbau-Preisträger
zusammen.
Die neue Werkhalle weist durch ihre Bauweise ein­
drücklich auf das Handwerk ihres Eigentümers Fein
hin – die hochwertige Holzbe- und -verarbeitung.
Foto: Björn Fein
Zwischen Köln-Bonn und
Rhein-Main bewegt sich
Zimmerermeister Björn
Fein meist bei der Aus­
führung seiner Aufträge.
Eine in ihrer Dimension
beeindruckende Visiten­
karte hat er jetzt vor der
Haustür hinterlegt. Denn
mit seiner neuen Werkhal­
le hat er den Holzbaupreis
Rheinland-Pfalz 2011
gewonnen.
Steckbrief: Björn Fein Holzbau, Obersayn
Gegr.2008 | 4Mitarb.(2Meister) | Effizienz-u.Passivhaus | Sanierung,
Um- u. Anbauten | Tel.: 02666/ 911921 |
Am Entwurf für die Halle
hat Zimmerermeister Björn
Fein entscheidend mitgear­
beitet und die Ausführung
der Holzarbeiten mit seinem
Betrieb natürlich selbst
übernommen.
Foto: Björn Fein
Die lichtdurchflutete Halle bietet Raum für die Bear­
beitung und Vormontage von großen Elementen.
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10,11 14,15,16,17,18,19,20,21,22,23,...24
Powered by FlippingBook