Handwerk Special Nr. 162 vom 25. August 2012 - page 21

Thomas Kipping bildet
seine Fachkräfte von
morgen selbst aus.
Jessica Rörig lernt
Orthopädiemechanikerin.
Vereinbarkeit von Handicap und Sport sowie Beruf und Familie
21
Nr. 162
25. August 2012
Vorgestellt
Ausbildung in Teilzeit
Um Familie und
Ausbildung per-
fekt unter einen
Hut zu bekom-
men, setzen die
HwK und Koope­
rationspartner
eine Initiative für
Teilzeitausbil-
dung um – mit
Erfolg.
Lisa Simon
(im Bild links
mit Ausbilder
Stefan Wajer)
aus Hotten-
bach imHuns-
rück möchte
Bürokauffrau
werden. Die
23-Jährige ab-
solviert ihre
Ausbildung in
Olympialuft schnuppern
Wenn zur Eröffnungsfeier
der Paralympics 2012 am
29. August die Teams aus
aller Welt im Londoner
Olympiastadion einmar-
schieren, ist Thomas
Kipping mit dabei. Der
Westerwälder Handwerks-
meister wird in gleich
mehreren Disziplinen auf
Medaillenjagd gehen und
mehrere Sportler dafür
ins Rennen schicken.
Wenn der Startschuss fällt, geht
der 42-Jährige nicht selbst aus
den Blöcken, sondern hofft,
dass seine Arbeit den Athleten
„Beine macht“ ... und das im
wahrsten Sinne des Wortes. Der
Orthopädiemechanikermeister
ist Betreuer der Sportler, die
mit Prothesen oder im Rollstuhl
antreten.
Handwerk & Psychologie:
Immer und für alles da
Ein Traum geht für den Hand-
werksmeister in Erfüllung – das
gibterfreimütigzuundistzurecht
stolz auf diesen Spezialeinsatz
imZeichenderfünfolympischen
Ringe. Bereits imTrainingslager
hat er alle Athleten und ihre
Prothesen kennengelernt, „mit
den meisten Sportlern arbeite
ich ohnehin schon seit vielen
Jahren zusammen und wir sind
längsteinTeam“.SchoninAthen
konnteKippingolympischeLuft
schnuppern, damals im Service
eines Ausrüsters. „Auf dem
Rückweg haben wir aus dem
Autoradio erfahren, dass 2012
London Treffpunkt der Sportler
aus aller Welt sein wird und
für mich stand fest: Da bin ich
dabei!“
Meister Thomas Kipping: Mitglied des Paralympic-Teams
Steckbrief: APT Kipping, Stockum-Püschen
Gegr. 2002 | 9 Mitarb. (1 Meister, 1 Lehrl.) | Beratung, Planung u.
AnfertigungvonProthesen | Tel.:02661/953796 |
I
nfos
Mit dem
Smartphone
zum Filmbei-
trag aus HwK-TV vom 22.
Teilzeit. Sie ist im dritten Lehrjahr und wird in der Firma Rotec,
einemBetrieb aus demInstallateur- undHeizungsbauerhandwerk,
in ihrem Wohnort ausgebildet. Lisa hat einen vierjährigen Sohn
und freut sich, dass sie durch die betriebliche Teilzeitausbildung
mehr Zeit für ihn hat. „Ohne Abschluss habe ich keine guten
Berufsaussichten“, weiß sie. Sohn Luis kommt durch ihre Aus-
bildungsform trotzdem zu seinem Recht.
Bereits 2005 hat der Gesetzgeber entschieden, Auszubildenden
die aus familiären Gründen zeitlich beeinträchtigt sind, die Be-
rufsausbildung in Teilzeit zu ermöglichen. Agentur für Arbeit,
Jobcenter, Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammer
(HwK) Koblenz und weitere Kooperationspartner arbeiten im
nördlichen Rheinland-Pfalz zusammen an der Realisierung der
Teilzeitausbildung für zu fördernde Jugendliche. Im Landkreis
Birkenfeld wurde im März ein Arbeitskreis Teilzeitausbildung
gegründet. Laut Berufsbildungsgesetz beträgt die Arbeitszeit
einschließlich des Berufsschulunterrichts mindestens 25 Wo-
chenstundenundmaximal 30WochenstundenohneVerlängerung
der Ausbildungsdauer. Bei 20 Wochenstunden verlängert sich
die Lehrzeit entsprechend. Die Ausbildungsvergütung erfolgt
prozentual zur Arbeitszeit.
Lisa Simon und ihr Chef, Gas- undWasserinstallateur StefanWa-
jer, haben sich auf eine Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit
geeinigt. „Es passt sehr gut, weil wir bereits eine Bürokauffrau
ausbilden. Beide sind durch die Teilzeit von Lisa und unter-
schiedliche Berufsschultage nie zusammen da. Jede übernimmt
sozusagen allein die Navigation im Büro“, so Wajer. Er hat bei
der HwK Koblenz den Ausbildereignungsschein erworben. „Ich
finde es gut, dass alleinerziehende junge Mütter diese Chance
bekommen, Familie und Ausbildung zu vereinen. Dabei wird
ihr Organisationstalent gefördert und sie sind für den beruflichen
Alltag gerüstet“, sagt er. Für Lisa ist der Vorteil für ihre kleine
Familie wichtig und für ihre Seele.
Am 13. September findet im Jobcenter Idar-Oberstein eine Info-
veranstaltung zur Chancengleichheit am Arbeitsmarkt statt.
... zur Ausbildung in Teilzeit bei der HwK-
Ausbildungsbertaung, Tel. 0261/ 398-333
DasgehtnuninErfüllung,bedeu-
tetaberauch:vielVerantwortung
übernehmen, immer für die
Sportler da sein und handwerk-
liche Spitzenleistung bringen.
„Ich bin dann nicht nur der Fach-
mann für die Prothesen, sondern
auchwichtiger Ansprechpartner
für ganz unhandwerkliche,
private Dinge und ein Stück
Sicherheit, dass den Sportlern
wichtig ist.“Dennwenn da einer
direkt neben der Tartanbahn ist,
der, wenn nötig, in Sekunden-
bruchteilendierichtigeSchraube
nachjustiert oder die Spikeplatte
nochmal festkleben kann, macht
das auch den Sportler-Kopf frei.
„Die Athleten reagieren sehr
sensibel auf Veränderungen der
Technik,aufdiesiefürsportliche
Höchstleistungen angewiesen
sind. Sitzt etwas nicht 100-pro-
zentig, hat das auch negative
Auswirkungen auf die Psyche.“
Undwer ThomasKippingkennt,
der weiß: Für
„seine“ Sportler ist er rund um
die Uhr da –mit Hand und Herz!
Und die danken es mit Worten,
Gesten – und Medaillen. Denn
hinter demErfolg, beispielweise
von Heinrich Popow, der seit
Jahren eng mit Kipping zu-
sammenarbeitet, steht auch der
Handwerker.
25 Kilo Klamotten,
Speere und Kugeln
Das handwerkliche Wissen
und Können wie auch die
Erfahrungen aus dem Spit-
zensport kommen in Kippings
Handwerksbetrieb „APT Aktiv
Prothesen Technik“ mit Haupt-
Eine von
Thomas
Kippings
Medaillen-
hoffnungen:
Weitsprin-
gerin
Vanessa
Low beim
technischen
Check vor
der Abreise
nach Lon-
don.
Orthopädiemechanikermeis­
ter und Mitglied des Olym-
piateams: Thomas Kipping
Foto: privat
Immerhin:
Als Teil der
O l ymp i a -
mannschaft
ist Thomas
Kippingmit
dengleichen
Trainings-
a n z ü g e n ,
T - S h i r t s
oder Hosen
ausgestat-
tet, wie alle
Olympioniken 2012 – alles in ei-
nerleichtenSporttascheverpackt
und 25 Kilo schwer! Zusätzlich
hat Kipping auch den Hut der
Nationalmannschaft geordert
– und ist so bestens ausgerüstet
für London 2012. Für seinen
Hightech im Handwerk:
Bei der Prothesenher-
stellung verarbeiten die
Kippings auch Carbon.
Start, dermit demServicewagen
über die Straße auf die Insel
führt, ist alles bereitet. Und weil
sie Probleme bei der Luftfracht
machen, hat er auch die Kugeln
und Speere der Athleten mit an
Bord – ganz Sportsgeist eben!
sitz im Westerwaldörtchen
Stockum-Püschen auch 300
Stammkunden zugute. Über ein
Franchise-System betreibt APT
heuteauchvierweitereStandorte
– von Kaufbeuren über Koblenz
bis Köln. NeunMitarbeiter zählt
der Betrieb am Stammsitz, da-
runter auch eine
Auszubildende.
Die bleiben als
„Rumpfmann-
schaft zu Hause,
denn einer muss
ja das Geld ver-
dienen“,schmun-
zelt Kipping und
bekennt: „Der
Pa r a l ymp i c s -
Einsatz ist eine
große Ehre und
das Team eine
f­este Gemein-
schaft – über ei-
nen Lauf oder Sprung hinaus.
Aber reichwirdmanalsBetreuer
sicher nicht, da zählen ganz
andere Werte.“
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