Handwerk Special Nr. 125 vom 25. Oktober 2008 - page 15

Grenzen im Alltag überwinden
Nr. 125
25. Oktober 2008
Nationalität: Handwerk
Birdal Acar spricht
fließend deutsch und
türkisch. Er ist türkischer
Staatsbürger. Seit 2007
verstärkt der 29-Jährige
das Team der HwK-
Ausbildungsberater.
Birdal Acar wurde in Deutsch-
land geboren. Seine Eltern ka-
men 1968 als Gastarbeiter von
Antalia/Türkei nach Koblenz.
Er hat hier die Schule besucht,
Integration: Mit dem HwK-Projektbetreuer auf Betriebstour
HS 31
Im Handwerk
ist jede/r
willkommen,
war bereits
die Botschaft
der Ausgabe
31 im April
1993. Das
Titelmotiv
gehörte zu
einer Reihe
von Werbe­
plakaten
für die
Koblenzer
Messe am
Rhein,
die mit jungen,
gut gelaunten Gesichtern für eine Hand­
werksmesse mit internationalem Flair warben. Also, nix wie hin ...
Drei Fragen an ...
Otto Kentzler
Präsident des Zentralverbands des
Deutschen Handwerks, Berlin.
Was bedeutet Handwerk für Sie?
Handwerk - das steht für eine unmittelbare
Beziehung zumProdukt, für einen besonderen
Qualitätsanspruch, für die stetige Suche nach
individuellenLösungen und Innovationen und
für das persönlicheMiteinander vonUnterneh-
mer,Mitarbeiter undKunden–Dienstleistung,
bei der auf beiden Seiten der Mensch im
Mittelpunkt steht.
WasgefälltIhnenan„HandwerkSpecial“besonders?
Es gibt nur wenige Publikationen, die dem Handwerk und den
Menschen dahinter so gerecht werden wie Handwerk Special. Den
Herausgebern gelingt es, Themen rund um das Handwerk gleicher-
maßen aktuell, informativ wie ansprechend aufzubereiten und mit
persönlichenGeschichten„vonnebenan“zuverbinden.Mitwelchem
Elan die Redaktion bei ihrer Arbeit ist, habe ich bereits persönlich
erfahren dürfen, als sie mich bei meiner Arbeit begleitete.
Eine wichtige Botschaft an unsere Leser ist:
Derzeit blicken wir erschrocken auf die Auswirkungen der interna-
tionalen Finanzkrise, die das Vertrauen vieler Bürger in die Funkti-
onsweise des Finanzsystems und der Wirtschaft tief erschüttert hat.
Wennwir diesesVertrauenwieder gewinnenwollen, kannHandwerk
als Vorbild dienen. Wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig steht
es für Bodenständigkeit und für gesellschaftliche Verantwortung
auch in schwierigen Zeiten.
sionalität, in der Freizeit der
Spaß und ansonsten Toleranz.
Als DJ kennt Acar auch die
musikalische Vorliebe vieler
seiner Schützlinge. Handwerk
Special hat ihn beim Besuch
in drei Betrieben begleitet. Er
schaut, ob die Ausbildung op-
timal läuft, beantwortet Fragen
undführtGesprächemitLehrling
und Ausbilder bei eventuell
aufgetretenenKonflikten.„Dann
spreche ich schon mal türkisch
ihn lag es nahe, den 18-jährigen
Ali Maden aus Koblenz in den
Kfz-Betrieb zu vermitteln und
ihn damit seinem Kfz-Wunsch-
beruf näher zu bringen. „Ali
ist sehr freundlich und sehr
geschickt. Für mich zählen
WilleundLeistung,egalwelcher
Nationalität“, urteiltAkgünüber
seinen türkischen Lehrling. Auf
die Frage, in welcher Sprache
man sich verständige, antwortet
der Kfz-Meister: „Wir sprechen
deutsch. Dumm ist nur, dass,
wenn ich manchmal türkisch
fluche, Ali es auch versteht!“
Station 2: Friseursalon
„SisterCut“, Sinzig
Funda Kahveci aus Andernach
möchte Friseurin werden. Acar
hat die 18-jährige türkische
Hauptschülerin in den Salon
„SisterCut“ in Sinzig vermittelt.
Für die beiden Inhaber Ilyas
Kabaklarki und seine Schwester
Güli Tukun steht nach einem
fünfwöchigen Praktikum fest:
Funda passt ins Team. „Für uns
zählenMotivationundWertewie
EhrlichkeitundHöflichkeit.Wer
als Friseur arbeitet, muss auch
kreative Ideen haben. Funda hat
gezeigt,dasssieespackenkann“,
ist Ilyas überzeugt. Er und seine
Schwester verfügen über mehr
als 20 Jahre Berufserfahrung.
Beide haben auf Anraten von
Acar den Ausbildereignungs-
nachweis und damit die Ausbil-
dungsberechtigung erworben.
Station 3: Installateur­
meister Dötsch, Lahnstein
Johannes Baroi aus Lahnstein
kam 2003 aus Rumänien nach
Deutschland.ÜbereinPraktikum
fand er mithilfe von Birdal Acar
seine Lehrstelle als Anlagenme-
chaniker.Gas-undWasserinstal-
lateurmeister Michael Dötsch
Handwerk integriertMigranten
Ziel desProjekts „Handwerk integriertMigranten“
istes,BetriebsgründungenvonMigrantenzuunter-
stützen, jugendlicheMigranten in eineAusbildung
zu integrieren, Fachkräfte zu qualifizieren und
die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. 164 junge
Migranten wurden seit Projektbeginn individuell
beraten. Es gab Kontakte zu 140 Betrieben, deren
InhaberMigrationshintergrundhaben. 74Betriebe
sind zur Mitarbeit in dem Projekt bereit, 47 haben
bereits einen Praktikumsplatz zur Verfügung ge-
stellt. Acht ausländische Betriebsinhaber machen
extra den Ausbildereignungsschein, um ausbilden
zu können. Es fanden elf Elterngespräche statt,
zwei Lehrabbrüche konnten verhindert, zwei
Konfliktsituationen entschärft werden.
Integration durch Bildung
InRheinland-Pfalz leben ca. 300.000Personenmit
Migrationshintergrund aus 180 Ländern (7 % der
Gesamtbevölkerung). In der Gruppe bis 35 Jahren
sind es 23,6 Prozent. 44 Prozent der ausländischen
Jugendlichen starten mit Hauptschulabschluss in
die Berufsausbildung (19 % bei den deutschen).
Der Anteil der Ausländer von 25 bis 35 Jahre, die
über keinen beruflichen Abschluss verfügen, liegt
bei 41 Prozent. 372 ausländische Jugendliche sind
derzeit in der HwK-Lehrlingsrolle eingetragen,
30 bereiten sich bei der HwK auf ihre Integration
in die Berufswelt vor. Die Maßnahmen der Päd-
agogischen Anlaufstelle der HwK werden von
den örtlichen Arbeitsagenturen und den ARGEN
finanziell gefördert.
in Lahnstein ist voll des Lobes
über den 20-Jährigen. „Nicht
die Herkunft ist wichtig, meine
Mitarbeiter müssen menschlich
ins Team passen“, sagt er. „Ich
habe nach dem Realschulab-
schluss viele Bewerbungen ge-
schriebenundPraktikaabsolviert
chaelDötschdas guteVerhältnis
zum Lehrling.
Informationen bei der HwK-
Ausbildungsberatung, Tel.:
0261/ 398-323, Fax: -989, E-
Mail:
Internet:
anzupassen, als
er zu uns in die
Klasse kam. Das
lag vor allem da-
ran, dass er kein
Deutsch konnte.
Er wollte es uns
allen zeigen und
war sehr ehrgei-
zig“, erinnert sich
der HwK-Ausbil-
dungsberater. Für
Michael Dötsch u. Johannes Baroi
IlyasKabaklarki,FundaKahveciu.GüliTukun
Ismail Akgün, AliMadenu. Birdal Acar
eine Stuckateur-
lehre erfolgreich
beendet und das
Abitur nachge-
holt. Derzeit qua-
lifiziert er sich
zum Betriebswirt
des Handwerks.
Als Ausbildungs-
berater engagiert
er sich für das
Projekt „Hand-
werk integriert
Migranten“, das die HwK im
letzten Jahr gestartet hat. Er
unterstützt junge Migranten bei
der Suche nach einen Prakti-
kums-undAusbildungsplatzund
ermutigt ausländische Betriebs-
inhaber auszubilden.
„Für mich ist der emotionale
Zugangzuden jungenMenschen
undausländischenBetriebsinha-
bern einfacher, weil ich selbst
einen Migrationshintergrund
habe“, ist Acar überzeugt. Bei
der Arbeit zählt für ihn Profes-
mit dem Jugendlichen, um zu
zeigen, ich verstehe deine Men-
talität, ich weiß, wie du tickst“,
verrät er.
Station 1: Kfz-Meister
Akgün, Koblenz
Kfz-Mechanikermeister Ismail
Akgün kam mit zwölf Jahren
nach Deutschland. Seit drei
Jahren ist der heute 29-Jährige
selbstständig. Er undBirdalAcar
kennen sich aus der Schulzeit.
„Ismail hatte es schwer, sich
und bin froh, dass
es endlich mit
einer Lehrstel-
le geklappt hat“,
freut sich auch
Johannes. „Mein
Chef traut mir
etwas zu“, betont
er. „Wem man
etwas zutraut, der
kann auch mehr“,
unterstreicht Mi-
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