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Gestalterische Fähigkeiten entdecken
Jugend
ist besser als ihr Ruf
Die jungen Leute sind pünktlich,
fleißig, hilfsbereit und zuverlässig,
aber weniger kritisch, eher ange-
passt. Eigene Fähigkeiten und Zie-
le zu verwirklichen zählt mehr, als
sich durchzusetzen. So das Resü-
mee zahlreicher Befragungen jun-
ger Leute zwischen 15 und 29 Jah-
ren, das Professor Dr. Jürgen Fal-
ter in seinem Impulsreferat zum
Auftakt der 30. Lehrerinforma-
tionstage bei der HwK Koblenz zog.
Fazit: Die Jugend ist besser als ihr
Ruf.
30. Lehrerinformationstage bei der HwK: Orientierung an Werten – Praxistage für Lehrer
Die Lehrerinformationstage sind ein jährliches Angebot der HwK Koblenz
für Lehrer aller allgemein bildenden Schulen. Mitveranstalter sind die Schul-
aufsicht bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) und die fünf
Agenturen für Arbeit im nördlichen Rheinland-Pfalz.
Darüber hinaus gibt die HwK viermal im Jahr die in ihrer Art in Deutschland
einzigartige Schriftenreihe „Lehrerinformation“ heraus. Sie bringt Informa-
tionen aus dem Handwerk in die Schulen und schlägt die Brücke zwischen
dem Handwerk und seinem Nachwuchs.
Die Ausgabe 3/2006 geht den Fragen nach: Was hat die HwK Koblenz mit
dem Hauptschulabschluss zu tun? Welche berufsvorbereitenden Maßnahmen
bietet sie für Jugendliche mit Behinderungen an? Wie hilft die HwK ratlosen
Schulabgängern, ihre berufliche Eignung zu testen? Die aktuelle „Lehrerin-
formation“ berichtet über die neue berufsvorbereitende Maßnahme für Ju-
gendliche mit Behinderungen (BvB-Reha), die die HwK Koblenz gemein-
sam mit der Arbeitsagentur Koblenz anbietet. Es geht um die Maßnahmen
„Fit für Job“ und auch um „creAktiv“ in Zusammenarbeit mit dem Sozialamt
Bad Kreuznach.
Informationen bei der Pädagogischen Anlaufstelle, Tel.: 0261/ 398-324,
Fax: -989, E-Mail:
„Der Erfolg von 30 Jahren Lehrerin-
formationstage liegt auch für die
Zukunft im Dialog zwischen Schu-
le und Wirtschaft“, resümierten
HwK-Präsident Karl-Heinz Scher-
hag und Hauptgeschäftsführer Dr.
h.c. mult. Karl-Jürgen Wilbert. Ab-
teilungsdirektor Wolfgang Redwanz
von der Schulaufsicht verwies auf
die gemeinsame Verantwortung für
die Jugendlichen und dankte der
HwK für „das enorme Engagement“.
„Das Comeback der Disziplin?“ lau-
tete das Thema des ersten Tages der
in ihrer Art einzigartigen Veranstal-
tung in Deutschland. „Den jungen
Leuten muss klar werden, dass es
kein Widerspruch ist, pünktlich und
zugleich unabhängig zu sein“, führ-
te Falter, Politikwissenschaftler an
der Universität Mainz, aus. Nach sei-
nen Erhebungen sind Jugendli-
che zunehmend bereit,
anderen zu helfen und
auchVerantwortung zu
tragen. Reines Frei-
zeitdenken spielt
eine eher unterge-
ordnete Rolle. Per-
sönliche Bereiche
wie Familie und
Informationen der HwK für Lehrer
Freunde sind ihnen wichtiger als ge-
sellschaftliche wie Politik, Kultur
und Religion. Rücksichtsnahme und
Pflichtbewusstsein dominieren ge-
genüber einer Spaßgesellschaft.
„Auch der Leistungswille liegt im
positiven Bereich.“
In der Diskussion wurde die Frage
aufgeworfen, ob ein Verlust an Wer-
ten in der Schule an die Aussicht auf
einen Ausbildungsplatz gekoppelt
sei. Pessimismus wachse, wenn sich
berufliche Wünsche nicht verwirk-
lichen ließen. Arbeitslose Jugendli-
che blickten düster in die Zukunft.
Helene Dax, Dax MetallForm Co-
chem, berichtete von einem Schüler,
den sie „durch gutes Zureden der
Lehrer“ in dieAusbildung übernom-
men hatte und der heute zu ihren
motiviertesten Mitarbeitern zählt.
Tilman Boehlkau, Landesvorsitzen-
der der Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft, forderte die Eltern
auf, bei der Werteerziehung mit den
Lehrern und den Ausbildern stärker
an einem Strang zu ziehen. Gymna-
siastin Cecilia Grebing bestätigte:
„Die Schule tut viel. Die Werte, die
hier vermittelt werden, müssen aber
auch im Elternhaus gelebt werden.“
Professor Dr. Jürgen
Falter beleuchtete in
seinem Impulsreferat
das Verhältnis der
Jugend zuWerten.
Der 2. Tag der Lehrerin-
formationstage stand ganz im Zei-
chen der praktischen Arbeit, dem
Entdecken und Umsetzen gestalte-
rischer Fähigkeiten. Der Wunsch der
Lehrer ist groß, von Fachleuten et-
was über handwerkliche Fertigkei-
ten zu erfahren, die sich im Schul-
alltag im Fach Arbeitslehre umset-
zen lassen. In diesem Jahr begann
der Workshop erstmals im neuen
HwK-Kompetenzzentrum für Ge-
staltung, Fertigung und Kommuni-
kation. Unter dem Thema: „Vom
Strich zum Produkt“ drehte sich al-
les um den Werkstoff Holz. Ob Le-
sezeichen, Buchstütze oder Bücher-
regal - die Lehrer setzten ihre krea-
tiven Ideen, die sie vorher skizziert
und diskutiert hatten, in der Werk-
statt um.
„Ich war auf das neue Kompetenz-
zentrum neugierig“, bekennt Carola
Laube-Wolf von der Dualen Ober-
schule Naststätten, „dieAusstattung
macht beinahe neidisch.“ Ihre Krea-
tion „Bücherliege“ wird sie ihren
Schülern zeigen und dabei „begeis-
tert von dem Praxisworkshop erzäh-
len“. Angelika Wostrack von der
Grundschule Urmitz-Bahnhof unter-
richtet Kunst: „Ich nutze den Work-
shop als Erfahrungs-
austausch mit Fachleu-
ten. Eine bessere
Ideenschmiede gibt es
nicht.“ Sie hat ein Ord-
nungssystem für ihre
Arbeitsblätter gebaut,
„funktional und doch schön anzuse-
hen“. Jörg Mauscherning von der
Hauptschule in Rennerod hat ein Bü-
cherregal gefertigt. „Das Kompe-
Angeregte Diskussion
im Spannungsfeld zwi-
schen Gestaltung und
Fertigung: Carola Lau-
be-Wolf diskutiert mit
Tischlermeister Matthi-
as Altmaier ihre
„Bücherliege“.
tenzzentrum ist faszinierend, es regt
mich an, kreativ zu arbeiten. Ich
wünsche meinen Schülern, dass sie
einmal hierher kommen können.“
Angelika
Wostrack kon-
struierte ein
Ordnungssystem
für ihreArbeits-
blätter.
Jörg
Mauscher-
ning baute
ein Bücher-
regal.
Daniela Rabante aus Koblenz ist
fest entschlossen, ihren Haupt-
schulabschluss bei der HwK Ko-
blenz zu meistern. Die 23-Jährige
ist Mutter von vier Kindern imAl-
ter von ein bis sieben Jahren.
„Mein ältester Sohn wurde in die-
sem Jahr eingeschult. Ich werde
mit ihm zusammen lernen.“ Später
möchte sie Bürokauffrau werden.
„Es ist nicht alles so gelaufen, wie
ich es wollte. Jetzt ordne ich noch
einmal mein Leben“, bekennt sie.
„Lange bevor die Politik die Not-
wendigkeit der umfassenden Förde-
rung benachteiligter Jugendlicher
thematisierte, hat die HwK Koblenz
gehandelt und gemeinsam mit der
ADD und den Schulen zukunftswei-
sende Perspektiven erarbeitet“, be-
dankte sich Regierungsschuldirek-
torin Dr. Ingeborg Thümmel von der
Schulaufsicht Koblenz für die kon-
tinuierliche Kooperation. „Ich bin
überzeugt, dass Sie wie schon in den
Jahren zuvor vom Förderschultag
theoretisch und praktisch profitieren
werden“, richtete sie sich an die Leh-
rer. In drei Workshops informierten
diese sich über Möglichkeiten der
Berufsberatung, -vorbereitung und
-ausbildung.
Perspektiven für Förderschüler durch Qualifizierungsmaßnahmen
Im September startete die HwK mit
der Agentur für Arbeit Koblenz erst-
mals eine berufsvorbereitende Bil-
dungsmaßnahme, die speziell auf die
Stärken und Schwächen Jugendli-
cher mit Behinderung ausgerichtet
ist. Diese „BvB-Reha“ ist zukunfts-
weisend für eine individuelle Be-
rufskarriere der jungen Leute. In
Qualifizierungsphasen von zehn bis
zwölf Monaten werden die Teilneh-
mer in Theorie und Praxis intensiv
geschult. Sie orientieren sich zu-
nächst in den Bereichen Hauswirt-
schaft, Lager/Handel, Bau- und
Metalltechnik. Die Qualifizierung
erfolgt auf dem Ausbildungsniveau
abgestufter Berufe wie Metallfein-
bearbeiter, Baufachwerker oder
Hauswirtschaftshelfer. „Die Jugend-
lichen sollen in pädagogisch betreu-
ter Umgebung ihre Fähigkeiten und
Neigungen entwickeln, um so Zu-
gang zu ihrem Wunschberuf zu fin-
den“, betont Ulrich Meinhard, Päd-
agoge und Leiter der neuen Maßnah-
me bei der HwK. Bei Bedarf besteht
auch die Möglichkeit, den Haupt-
schulabschluss nachzuholen.
Nach der Theorie bekamen die Leh-
rer in den HwK-Werkstätten einen
Einblick, welche theoretischen und
praktischen Anforderungen an die
jungen Leute während ihrer Orien-
tierungs- und Lehrzeit gestellt wer-
den. „Ich bin schon zehnmal dabei
und immer wieder vom Angebot
angetan. In diesem Jahr wollte ich
in einen eher frauentypischen Beruf
schnuppern“, begründet Christoph
Guckenbiehl von der Förderschule
Kaisersesch seine Praxiswahl in der
Friseurwerkstatt. Zum ersten Mal ist
KerstinAdrian von der Förderschule
in Kirn bei der HwK. „Viele Mäd-
chen in meiner Klasse interessieren
sich für den Friseurberuf. Ich bin
erstaunt, wie hoch die theoretischen
Anforderungen sind.“ Klaus Sche-
mann von der Burggartenschule Ha-
chenburg hat sich für die praktische
Arbeit im Metallbereich entschie-
den. „Für uns, die wir nicht aus dem
gewerblichen Bereich kommen, ist
es sehr interessant, nicht alltägliche
Arbeitstechniken zu üben und von
Fachkräften Hilfen für den Transfer
in der Schule zu bekommen.“
KerstinAdrian und Christoph Guckenbiehl (im Hintergrund) lernen das
Friseurhandwerk in der Praxis kennen.
Praktische Anregungen für Hand-
werksprojekte in der Ganztagsschule
gab es am 5. Lehrerinformationstag.
Die Lehrer testeten in unterschied-
lichen Berufen ihr handwerkliches
Geschick. Sie konnten beispielswei-
se ein Fliesenmosaik erstellen, einen
CD-Ständer oder einen Karteikasten
aus Metall bauen oder sich bei den
Malern und Lackierern in Stupf-,
Putz- und Lasurtechnik üben. Lehr-
linge der überbetrieblichen Lehr-
lingsunterweisung und die HwK-
Ausbildungsmeister standen ihnen
dabei mit Rat und Tat zur Seite.
Ute Schneider von der Dualen Ober-
schule in Koblenz gewann neue An-
regungen für ihren Praxisunterricht:
„Wir arbeiten überwiegend mit Holz.
Ich wollte einen neuen Werkstoff
kennen lernen“, begründet sie ihren
Ausflug in die Metallwerkstatt. „Ich
arbeite an einer Ganztagsschule, der
Hans-Zulliger-Schule in Koblenz.
Wir werden den Schülern zukünftig
neue Angebote machen. Der Praxis-
tag bringt mir viele gute Tipps“, so
Barbara Riebenstahl.
Seit dem Start der Ganztagsschulen
2002 beteiligt sich die HwK als
Projektpartner in handwerklichen
Berufsfeldern. Die Durchführung
der Projektarbeiten in den Bereichen
Holz, Farbe und Raumgestaltung,
Metall, Bau, Elektro und Friseure
erfolgt in enger Absprache mit den
Schulen. Die HwK kooperiert der-
zeit mit zwei Grundschulen, jeweils
neun Förder- und Hauptschulen, sie-
ben Regional-, fünf Real- und fünf
Dualen Oberschulen. Ziel ist dabei
die Förderung persönlicher, sozialer
und beruflicher Kompetenzen durch
gewerkübergreifende Projektarbei-
ten, arbeitsteilige Aufgabenstellun-
gen, Übertragen von Eigenverant-
wortung und wirtschaftliches Han-
deln. So wurden unter anderem in
der Regionalen Schule Vallendar
Spiele aus Holz und eine Torwand
gefertigt und in der Hauptschule
Remagen ein Pavillon gebaut.
Seit 2002 schreibt die HwK auch den
Wettbewerb „Handwerksprojekte in
der Ganztagsschule“ für Projekte aus
den Bereichen Handwerk - Wirt-
schaft - Arbeitswelt aus. Die besten
Arbeiten werden bei Highlights der
Kammer, wie zuletzt dem Sekundar-
I-Fest, prämiert.
Ganztagsschulprojekte und überbetriebliche Lehrlingsunterweisung
Barbara Riebenstahl (l.) orientierte sich in der Kfz-Werkstatt, während Ute Schneider sich als Metallbauerin probierte.
Der 4. Tag stand im Zeichen von
Computer, Netz und Internet. Mo-
derne Medien bei der Vorbereitung
und Durchführung des Unterrichts
spielen eine immer größere Rolle,
ihre systematische Einbeziehung
führt zu einer neuen Qualität des
Unterrichts.
Im Workshop „EDV-Kummerkas-
ten“ ging es um Lösungen für All-
tagsprobleme. Der EDV-Experte
der HwK informierte auch über
IT- und Computertag
Internetzugang- und -sicherheit mit-
tels Proxyserver. In einem weiteren
Workshop ging es um Steuerung und
Anwendung mobiler Roboter. Wei-
terer Themenschwerpunkt war das
Erstellen von Internetseiten mit
„Joomla!“. Mit Alternativen zu
Word, Excel und PowerPoint be-
schäftigte sich ein weiterer Work-
shop zum „StarOffice“.
Für Karl-Heinz Lindhorst von der
Gutenbergschule in Dierdorf gehö-
ren Computer längst zum Schul-
alltag. Er hat sich für den IT-Tag
entschieden, weil „man immer
weiter lernen muss, sonst wird man
von den Schülern überholt“. Rai-
ner Assemacher von der Haupt-
schule in Höhr-Grenzhausen
möchte „mit meinen Schülern
selbst eine Internetseite erstellen.
Joomla ist ein geeignetes System
dafür und ich bekam wie gewohnt
viele Anregungen von den HwK-
Experten“.