Handwerk Special Nr. 113 vom 4. September 2006 - page 6

Bauen & Denkmalpflege: Handwerker sorgen für ein Schmuckstück
4. September 2006
Nr. 113
Alles unter einem Dach: Leben und Wohnen in altem Gemäuer
Ein Haus zum Wohlfühlen
„Es ist etwas ganz
Besonderes, in einem
denkmalgeschützten
Haus zu leben, das
bereits Anfang des 16.
Jahrhunderts urkund-
lich erwähnt ist. Die
Atmosphäre ist unbe-
schreiblich schön. Alte
Häuser erzählen Ge-
schichten, regen zum
Träumen an. Wer mag
hier wie gelebt haben“,
so Astrid und Gerhard
Pauly aus Meisenheim.
Das Ehepaar, ihre dreijährige
TochterunddieElternvonAstrid
fühlen sich wohl in ihrem alten
Haus.„DiefinanziellenAufwen-
dungen zur Restaurierung des
Kulturdenkmals waren nicht
unerheblich. Meine Eltern wa-
ren jedoch ebenso begeistert von
dem Objekt, dass sie ihren neu
errichteten Alterswohnsitz ver-
kauft, mit eingezogen und uns
das Kapital zur Verfügung ge-
stellt haben“, freut sich Astrid
Pauly, für die das Wohnen von
drei Generationen unter einem
Dach einen „ganz besonderen
Reiz“ hat. Nach seiner Restau-
rierungistdasHauseinSchmuck-
stück im Ort, der malerisch in
einer Biegung des Glans am
nördlichenRanddesWestpfälzer
Berglands liegt.
Schmuckstück von außen
und innen
DieGoldschmiedemeisterinund
Diplom-DesignerinundderEdel-
steingraveurundDiplom-Desig-
ner Pauly nutzen das Haus auch
zumArbeiten. In ihrerWerkstatt
imErdgeschoss befindet sich ein
kleiner, liebevoll gestalteterVer-
kaufsraum. Die Kunden können
den Paulys bei der Anfertigung
ihrer Objekte über die Schulter
sehen. „Ich habe ein Faible da-
für, Altes zu erhalten. Deshalb
kam, als sich die Frage stellte,
nur ein Haus mit Vergangenheit
in Frage. Ich habe mich sofort in
das ehemalige Amtsherrenhaus
verliebt“, bekennt Astrid Pauly.
Im Zentrum für Restaurierung
und Denkmalpflege der Hand-
werkskammer Koblenz in Herr-
stein hat sich die 37-Jährige zur
RestauratorinimGoldschmiede-
handwerk qualifiziert.
Gemeinsam die Restaurie-
rung angepackt
In dem denkmalerfahrenen In-
genieurbüro Gernot Zoller, das
inMeisenheimschon zahlreiche
Umnutzungen historischer Ge-
bäude realisiert hat, fanden sie
Ansprechpartner, die im denk-
malgeschützten Haus das Woh-
nen und Arbeiten von heute er-
möglichten. „Bauen und erhal-
ten hat auch mit Herz und Ge-
fühl zu tun und mit Aufmerk-
samkeit und Liebe. Man braucht
sehr viel Engagement dazu, um
ein altes Haus zu sanieren“, so
Stuckateurmeister Raimund
Engbarthaus Idar-Oberstein, der
mit seinen 53 Mitarbeitern, dar-
unter 10 Lehrlinge, auch in der
Denkmalpflege arbeitet.
600 Arbeitsstunden hat Tisch-
lermeister Dietmar Nessel aus
Obermoschel in das Haus in
Meisenheimeingebracht. „Ohne
Mühe und Zeitaufwand geht es
beim Erhalten und Erneuern al-
ter Bausubstanz nicht“, sagt er.
So entsprechen die Fenster mit
glasteilenden Sprossen sowohl
denkmalpflegerischen als auch
sicherheitstechnischenAnforde-
rungen.„Sprossenfensterwirken
nicht wie Schaufenster, sondern
vermittelndemRaumGeborgen-
heit und Wärme. In ihrer histo-
risch weißen Farbe passen sie
sich der Fassade an“, sagt er.
Auch die restaurierte Eingangs-
tür kommt aus der Werkstatt
Nessel.
Die Instandsetzung der histori-
schen Holztragwerke fiel in den
AufgabenbereichvonZimmerer-
meister Christoph Schwarz aus
Meisenheim. In Absprache mit
derDenkmalpflegebehördewur-
de das Dachgeschoss mit Dach-
gauben versehen. „Es ist an-
spruchsvoll undmacht Spaß, alte
Gebäude für die Zukunft zu er-
halten“, so Schwarz.
Auf moderne Heiztechnik imal-
ten Gemäuer brauchen die Bau-
herren nicht zu verzichten. Gas-
und Wasserinstallateur- sowie
Zentralheizungs- und Lüftungs-
bauermeister Alexander Müller
aus Nußbach baute eine moder-
ne Fußbodenheizung ein. „Im-
mer mehr Bauherrn setzen auf
dieseHeizform. Sie hat denVor-
teil, dass sie sich unsichtbar
machtundkeineNutzflächeweg-
nimmt“, erklärt der Fachmann.
Ein moderner Grundofen, intel-
ligent unter der neuenBetontrep-
pe platziert, beheizt in denÜber-
gangszeitendas ganzeHaus. Die
Fußbodenheizung ist nur in den
Wintermonaten gefordert. Mül-
ler installierte auch die im Hof
untergebrachte Zisterne, die
Brauchwasser sammelt. Müller,
der auch Elektroinstallateur-
meister ist, beschäftigt 10Mitar-
beiter, darunter drei Lehrlinge.
An Paulys Haus wird deutlich:
Es lohnt sich, alte Bausubstanz
zu erhalten und behutsammit ihr
umzugehen. Nicht nur den Ei-
gentümern gefällt ihr Haus. Ein
solches Schmuckstück kann ge-
trost auch an die nächste Gene-
ration weitergegeben werden.
Bereits im 16. Jahrhundert wurde
das Meisenheimer Haus erwähnt.
HwK-Lehrgang zum Restaurator startet in Herrstein
Anfang Februar 2007
startet bei der HwK ein
Lehrgang zum Restau-
rator im Gold- und
Silberschmiedehand-
werk.
Der bundesweit einmaligeLehr-
gangvermitteltGold-undSilber-
schmiedemeistern das fachliche
Wissen und die Sensibilität, die
bei der Restaurierung von profa-
nen und sakralen Gold- und Sil-
Wege durch und in das Haus wurden durch
verschiedene Handwerker restauriert.
berschmiedearbeiten beherrscht
werdenmüssen.OrtistdasHwK-
Zentrum für Restaurierung und
Denkmalpflege, Herrstein. Infos
unter Tel.: 06785/9731-761, E-
Mail
Informationen
Restaurierung
Info-Tel.: 06785/9731-0
Im Zentrum für Restaurie-
rung und Denkmalpflege in
Herrsteinbietet dieHwKKo-
blenz umfangreiche Infor-
mations-undWeiterbildungs-
angebote an. EinService, den
Handwerker wie auch Bau-
herren nutzen können.
Leben, wohnen, arbeiten unter einem Dach: Einblicke in den Verkaufsraum
(links), den restaurierten Wohnbereich (Mitte) sowie die Werkstatt (rechts).
Goldschmiede und Edelsteingravuren 1998 gegr. Meisterbetrieb
Tel.: 06753 / 96 48 88 E-Mail:
Steckbrief: Gerhard Pauly, Meisenheim
Das Haus der Familie Pauly
nach der Restaurierung
(rechst) und eine historische
Aufnahme (unten).
1,2,3,4,5 7,8,9,10,11,12,13,14,15,16,...20
Powered by FlippingBook