Interviewzur deutschenBerufsbildung / BauHwK-Kompetenzzentrum
9. März 2005
Nr. 104
Bildungspolitisch die Weichen
Richtung Zukunft gestellt
Exklusiv-Interview mit Prof. Dr. Helmut Pütz, Präsident des BiBB
Seinem engagierten Wirken ist
zu verdanken, dass die Berufs-
bildung in ihren Inhalten und
Methoden mit den raschen tech-
nischen und wirtschaftlichen
Veränderungen Schritt halten
konnte. Moderne Bildungs- und
Technologiezentren sind dabei
wichtige Voraussetzung. Eine
dieser hochmodernen Einrich-
tungen istmit dem„Kompetenz-
zentrum für Gestaltung, Ferti-
gung und Kommunikation“ ak-
tuell in Koblenz im Bau.
Bei seiner Arbeit sucht der
Berufsbildungsexperte gerne
undoft dendirektenErfahrungs-
austauschunteranderemmitdem
Handwerk. Die daraus resultie-
renden Ideen und Anregungen
sind „Vorlagen“ für neue bil-
dungspolitische Modelle, die
immer wieder auch in Zusam-
menarbeitmit derHwKKoblenz
entwickelt und umgesetzt wer-
den konnten.
Im Interview geht Prof. Dr. Hel-
mut Pütz auf die bildungspoliti-
schen Herausforderungen der
Zukunft ein, die er in einem eu-
ropäischen Kontext beurteilt.
Themen sind außerdem die Be-
deutung der Gestaltung im Rah-
men der technologischen Ent-
wicklung im Handwerk und die
Ausbildungssituation.
Handwerk Special: Der Aus-
bildungspakt hat sich im Jahre
2004 auch im nördlichen
Rheinland-Pfalz bewährt.
Welche Herausforderungen
und Maßnahmen erwarten Sie
für das Ausbildungsjahr 2005?
Pütz:DerAusbildungspakt 2004
hat erfreulicherweise zu einer
Erhöhungder betrieblichenAus-
bildungsverträge geführt. An
diesem Erfolg und dem großen
Engagement der ausbildenden
Wirtschaftsunternehmen muss
auch in diesemAusbildungsjahr
2005 weitergearbeitet werden.
Es darf aber auch nicht überse-
hen werden, dass die Nachfrage
der Jugendlichen nach betriebli-
chenAusbildungsplätzen in die-
semJahr umrund 5000Schulab-
solventen wächst. Die 2004 ge-
stiegene Nachfrage um rund
10.000 Bewerber hat trotz aller
Anstrengungen der Wirtschaft
dazu geführt, dass sich die An-
gebots-Nachfrage-Relation im
Vergleich zu 2003 verschlech-
tert hat. Zu selbstgefälliger Zu-
friedenheit besteht also kein
Anlass.
Europa wächst in Berufsbil-
dung und Beschäftigung zu-
sammen. Welche Auswirkun-
gen hat dies für die deutsche
Berufsbildung in einem größe-
ren Europäischen Bildungs-
raum?
Das Zusammenwachsen Euro-
pas ist bei uns eine Chance und
Herausforderung zugleich. Aus-
zubildende haben – wie noch
keine Generation zuvor – die
Chance, im europäischen Aus-
land zu arbeiten und leben. In
der beruflichen Bildung müssen
wir sie darauf vorbereiten. Die
Absicherung längererAuslands-
aufenthalte im Berufsbildungs-
reformgesetz ist ein wichtiger
Schritt, um die Ausbildung zu
europäisieren.Wirwerdenkünf-
tig die „Lesbarkeit“ unseres Be-
rufsbildungsnetzes verbessern
müssen. Insgesamt brauchenwir
mehrOffenheit bei europäischen
Entwicklungen und die Bereit-
schaft, von unseren Nachbarn
zu lernen.
Bei ständigen Veränderungen
in Wirtschaft und Technik
müssen auch die Berufskennt-
nisse in den Betrieben mithal-
ten. Welche Aufgabe kommt
hierbei den Kammern zu?
Auf die Kammern mit ihren
Berufsbildungszentren kommt
die Aufgabe zu, eine neue Funk-
tion als Bildungsdienstleister zu
übernehmen. Bildungsstätten,
die als Kompetenzzentrum tätig
sein wollen, müssen aktiv, in
engem Kontakt mit den Betrie-
ben den jeweiligen Qualifizie-
rungsbedarf ermitteln und dar-
auf abgestimmte Bildungsmaß-
nahmen entwickeln und durch-
führen. Wesentlich ist dabei die
Unterstützung der Handlungs-
und Selbstlernkompetenz.
Ein Beispiel, wie das in der Pra-
xis funktionieren kann, ist das
Kompetenzzentrum der HwK
Koblenz. Aktuell im Bau, wird
es seine Aufgabe sein, gestalte-
rische Fähigkeiten in jungen
Menschen aller Ausbildungsbe-
rufe des Handwerks zu wecken
und zu fördern. In einem ganz-
heitlichen Konzept soll hand-
werkliche Kreativität unter Ein-
beziehung neuer Fertigungsver-
fahren und neuer Medien wei-
terentwickeltwerden.DasHand-
werk wird dadurch seine Wett-
bewerbsfähigkeit steigern, denn
Gestaltung erfährt einen immer
höheren Stellenwert.
Was muss Ihrer Meinung
nach dafür getan werden, dass
Gestaltungsqualifizierung
nicht nur eine Aufgabe der
Weiterbildung bleibt, sondern
schon in der Ausbildung einen
konkreten Raum erfährt?
Bei vielen Handwerksberufen
sind gestalterische Fragen, wie
z.B. Funktionalität, Formge-
bung, Material- und Farbaus-
wahl, bereits Bestandteile der
Berufsausbildung. Ich nenne als
Beispiele Maler/in und Lackie-
rer/in (mit eigener Fachrichtung
„Gestaltung und Instandhal-
tung“)sowieMetallbauer/in(mit
Fachrichtung „Metallgestal-
tung“).
Gleichwohl werden in den meis-
ten übrigen Fällen derzeit ge-
stalterische Inhalte oft nur im
Rahmen von Zusatzqualifi-
kationen vermittelt. Also auf
freiwilliger Basis. Demgegen-
über bin ich der Meinung, dass
grundsätzlich bei jedem Neu-
ordnungsverfahren geprüft wer-
denmuss, obGestaltungsfragen
Bestandteile der regulären Be-
rufsausbildung sein sollten. Ge-
stalterisches Können ist m. E.
unbedingt erforderlich, damit
ein Handwerker bei der Ent-
wicklung von Form und De-
sign ein kompetenter Ge-
sprächspartner des Auftragge-
bers ist, um dessen Ideen disku-
tieren und anschließend auch
kreativ umsetzen zu können.
Seit über drei Jahrzehnten gestaltet er maßgeblich die Bildungspoli-
tik in Deutschland auf Bundesebene mit: Prof. Dr. phil. Helmut
Pütz, Präsident und Generalsekretär des Bundesinstituts für Berufs-
bildung mit Sitz in Bonn. Eine Arbeit, in deren Mittelpunkt die be-
rufliche Bildung, auch und gerade im und für das Handwerk, steht.
Dabei gilt Pütz als leidenschaftlicher und erfolgreicher Verfechter
einer starken und gegenüber schulischen und akademischen Bil-
dungswegen gleichwertigen beruflichen Bildung.
Zentrum für Gestaltung, Fertigung und Kommunikation
Fakten zum Neubau
172 Theorie- und 24 Werkstattplätze; Fläche ca. 3.000 m
2
Planung: Architekturbüro Heinrich und Steinhardt, Bendorf;
ortsansässige, überregional tätige Ingenieurbüros
Gebäudekonzept: HwK Koblenz in Zusammenarbeit mit dem
Heinz-Piest-Institut, Hannover; Konzepte für Ausstattung und
Beleuchtung Prof. Heiko Bartels
Baurechtliche Abstimmung: Landesbetrieb Liegenschafts- und
Baubetreuung (LBB) und Stadt Koblenz
Baukosten: ca. 12 Millionen Euro. Getragen zur Hälfte durch den
Bund über das Bundesinstitut für Berufsbildung und das Bundes-
amt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle, zu einem Viertel durch
das Land Rheinland-Pfalz über das Wirtschaftsministerium, zu
einem Viertel aus Eigenmitteln der HwK Koblenz.
Weitere Infos bei der HwK Koblenz, Tel.: 0261/ 398-581, E-Mail:
komp@hwk-koblenz.de, Internet:
www.hwk-koblenz.deAn der Stelle, wo HwK-Präsident Karl-Heinz Scherhag,
Prof. Dr. Helmut Pütz, Wirtschaftsminister Hans-Artur
Bauckhage und HwK-Hauptgeschäftsführer Dr. h.c.
Karl-Jürgen Wilbert (von rechts) im Mai 2004 den
ersten Spatenstich zum Bau des neuen HwK-Kompe-
tenzzentrums legten ...
... ragt heute der imposante Bau in den Himmel. Am
18. März wird Richtfest gefeiert. Weitere Infos auf der
Rückseite dieser Ausgabe.