Handwerk Special Nr. 99 vom 2. Juni 2004 - page 13

Mario Adorf - Privat / Exklusiv in Handwerk special
2. Juni 2004
Nr. 99
Impressum
fung imSchneiderhandwerk ab-
gelegthatundihnfrühzurSelbst-
ständigkeit erzogen hat. „Sie hat
mir immer das Gefühl gegeben,
etwas Besonderes zu sein.“ Er
hat aber die Stadt nicht nur in
guter Erinnerung. „Je weiter die
Erinnerungenzurückreichen,um-
so weniger innig sind sie“, sagt
ermitHinweisaufBombennäch-
te im Luftschutzkeller. „Ich er-
wärme mich lieber an der Ge-
genwart“, erklärt er mit einem
verschmitzten Lächeln.
DeutscheGründlichkeit und
italienische Leidenschaft
Was ist deutschan ihmundwann
kommt das Italienische vomVa-
ter bei Mario Adorf durch? „Die
Neugier, schon als Student nach
Italien zu gehen, empfand ich
damals als die Stimme des Blu-
tes. Später habe ich gemerkt,
dass dieser Zug nach Süden ei-
gentlich etwas sehr Deutsches
ist. DerAusländer sucht dieSon-
ne, der Italiener meidet sie. Ich
wohne zwar in Rom, aber in
einer Terrassenwohnung, inmit-
ten der Altstadt, in der Verbin-
dung mit den Menschen unten
auf der Straße. Das ist auch nicht
italienisch. Die Italiener haben
versucht, sich aus dieser ehe-
mals armen Umgebung zu be-
freien. Sie sind hinaus gezogen,
in neue Wohngebiete. Nach Ita-
lienischem in mir muss ich tat-
sächlich lange suchen. Mein
Aussehen ist es vielleicht. Als
ich jung war noch stärker. Es ist
dieSpielfreude, dieFantasie, das
Temperament und die Leiden-
schaft, die leichteVitalität.Sonst
bin ich sehr pünktlich, genau, im
Beruf manchmal pingelig, or-
dentlich. Ich richte meine Sa-
chen abends sehr sorgfältig zum
Paket.“
Vorbild haben, Vorbild sein
Erinnert sich Mario Adorf an
Vorbilder? „Im Alter hat man
natürlich kein Vorbild mehr, es
sind alte Bilder, die man in sich
trägt.“ So habe er Fritz Kortner
bewundert, obwohl er nieRegis-
seur sein wollte. „Es waren im-
mer ältere Personen, von denen
ich zu lernen glaubte.“ Sieht er
sich selbst als Vorbild? „Ich ver-
suche ein Leben zu führen, das
es erlaubt ein Vorbild zu sein.
Ich mache keine Schlagzeilen
über mein Privatleben, lebe seit
über 30 Jahren mit Monique zu-
sammen und selbst wenn ich es
eilig habe, gehe ich nicht bei Rot
über die Straße.“ Er räumt ein:
„DieVorbildfunktion schafft al-
lerdings Zwänge, sich an Re-
geln zu halten. Das mache ich
aber gern. Ich war nie revolutio-
när, habe immer Regeln akzep-
tiert.
Regeln geben Konzept
Siehelfen, gebeneinemeinKon-
zept.“ Disziplin, Genauigkeit,
Zuverlässigkeit, eine solideAus-
bildung, sich anstrengen müs-
sen, nennt er als Werte, die sein
Leben bestimmen. „Ich stehe
nicht mit erhobenem Zeigefin-
ger, kann nur sagen, was für
mich gut war.“ Er nennt die Fa-
milie, in der Werte angelegt
werden. „Ich schätze ihre Rolle
in der Erziehung sehr, obwohl
ich sie selbst nicht hatte und
damals auch nicht vermisst
habe.“
Begegnung mit Sir Peter
„Welche Personen würden Sie
gernzumEsseneinladen?“Adorf
überlegt. „Politiker wären es
nicht, Künstler eher. Ich bin aber
keinMensch, der sich aufdrängt.
Ich habe nie flüchtige Bekannt-
schaften gesucht und nie ange-
strebt, mich mit Menschen zu
umgeben, die berühmter und ge-
scheiter sind. Ich habe immer
gewartet, bis man mir etwas an-
bietet.VielleichtwardaseinFeh-
ler in meinem Leben“, sagt er
nachdenklich. Auf Nachhaken
bezeichnet er es aber doch als
großes Glück, Sir Peter Ustinov
vor dessen Tod getroffen zu ha-
ben. „Eine Sternstunde meiner
Begegnungen.“
Luxus hat mit
Überflüssigkeit zu tun
„Was ist Luxus fürAdorf?“ „Lu-
xus hat mit Überflüssigem, aber
auch Angenehmen zu tun. Na-
türlich genieße ich schöne Rei-
sen, Unterkünfte in guten Ho-
tels. Ab und zu belohne ichmich
und kaufe mir etwas Luxuriö-
ses, sozusagen als Streichelein-
heit. Meistens frage ichmich bei
materiellen Dingen aber immer,
ob ich es wirklich haben muss.
Ich war bis in meine Studenten-
zeit sehr arm und habe viel ge-
hungert. Manches vergisst man
nie.“
Keine Angst vor dem Alter
„Ich hatte nie Angst vor dem
Alter“, sagtAdorf. „Nur vor dem
Alter, das mühsam ist, nicht le-
benswert. Aber ich sehe es auch
nicht euphorisch. Es ist natür-
lich der Abschied von vielen
Dingen, die man gern getan hat
oder tun konnte. Jetzt gehe ich
auf die 75 zu. Das tut schon ein
bisschen ... ,nein, weh ist falsch.
Das gesunde Alter ist ein Ge-
schenk.“
Bundesfilmpreis für
Lebenswerk
Am 18. Juni bekommt Adorf
denBundesfilmpreis für seinLe-
benswerk. Würde er alles noch
einmal so machen im Leben?
„Inder gleichenSituation ja oder
nur unwesentlich anders“, so die
Antwort. Adorf ist ein so guter
Schauspieler und ein höflicher
Mensch dazu. Was in solchen
Augenblicken ihm wirklich
durch den Kopf geht, bleibt den-
noch sein Geheimnis, trotz vie-
ler persönlicher Dinge, die er
aus seinem Leben preisgibt.
(Das Interview führte Beate
Holewa. Sie istMitarbeiterinder
Pressestelle der HwK Koblenz.)
Am Ende der Lesung signierte M. Adorf den von Tischlermeister
Emanuel Hook aus Altrip hergestellten Stuhl, auf dem er während
der Lesung saß. Der Designerstuhl ist ein mit mehreren Preisen
bedachtes Modell. Das Gestell ist aus schwarz gebeizter Esche. Die
Rückenlehne aus Birnbaummassiv ist durch drei Edelstahlstäbemit
demGestell verbunden. Jetzt wird er von der HwK Koblenz für das
Kinderhilfswerk UNICEF versteigert. Das Mindestgebot liegt bei
1.500 Euro und kann unter Tel.: 0261/398-222 abgegeben werden.
Hook, zweifacher Staatspreisträger und Fan von Adorf, war sicht-
bar stolz, als der Künstler auf seinem Stuhl Platz nahm und ihn
später signierte. Emanuel Hook ist seit 1972 selbstständig und
arbeitet heute als freischaffender Künstler und Designer.
Layout: Danielle Boos
Fotos: Beate Holewa
Designerstuhl für UNICEF
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