Handwerk im Winter vom 7. Dezember 2002 - page 2

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Die Kolumne:
Lassen Sie sich verwöhnen
Lassen wir das Jahr doch ruhig auslaufen,
atmen durch, lassen den herben Reiz unse-
rer Region im Übergang vom Herbst zum
Winter wirken, trinken einen Glühwein und
lassen uns verführen durch ein paar schöne
Dinge, die wir uns, auch mit überschauba-
rem Geldbeutel leisten können. Ein paar
nette Kleinigkeiten, die so herrlich über-
flüssig sind, die aber doch Spaß machen
und die Tristesse vieler Dezembertage
anno 2002 vergessen machen. Lassen Sie
in diesen Tagen das Weihnachtslicht schon
vor dem Fest ein wenig leuchten, ein biss-
chen Helligkeit und Wärme bei grauem
Himmel. Besuchen Sie z. B. unsere große
Ausstellung: Willkommen in der Galerie
des Handwerks in Koblenz mit ihren 250
Ausstellern.
Was wollten Sie oder ich sich schon immer
kaufen? Die Anschaffung des schwarzen
Maseratis oder des roten Ferrari-Cabrios,
wie auch der strahlenden Marmor-Villa am
azurblauen Meer verschieben wir auf Früh-
sommer 2003, vielleicht auch auf noch
später. Vielleicht sind es Dinge wie eine
kleine Tasche, ein paar fröhliche Tassen
aus Keramik für Morgenmuffel, buntes
Geschirr für die Familie, ein kleiner feiner
Ring mit schönen, farbigen Steinen oder
ein paar handgeformte Kugeln, die uns
reizen, heute und jetzt. Oder schauen Sie
sich in der Galerie die vornehmen Gefäße
mit Goldwandungen an, die sauber gedreh-
ten Schalen für den häufigen Gebrauch
oder die lustige Lampe für das Kinderzim-
mer. Rufen Sie mich an, wenn Sie in der
Galerie sind. Wir trinken einen Kaffee
zusammen.
Vielleicht sprechen wir nicht nur über das
Wetter, sondern auch über Banken und
Zinsen, ob es sich im Augenblick lohnt,
größere und wichtige Anschaffungen, die
man für den Alltag braucht, jetzt zu tätigen
und zu finanzieren. Und: So günstig wie
jetzt werden Sie so schnell keinen Bauauf-
trag mehr vergeben können. Wir erwähnten
es schon einmal.
Und für zu Hause gilt: Die Berichte im
Fernsehen über Politik, Wirtschaft und
Statistiken lassen wir für ein paar Tage
draußen vor der Tür, im Alltag. Vergessen
Sie, was Sie aufregt, wenigstens für die
Momente vor dem Fest, stellen Sie sich
langsam auf Weihnachten ein. Lassen Sie
sich schon vor den offiziellen Tagen ein
wenig verwöhnen. Mit Plätzchen, mit
Wildpastete, mit einer funkelnden Überra-
schung, mit einem schönen Rotwein von
der Ahr oder der Nahe und „Handwerk im
Winter“. Übrigens, mein Geheimtipp für
Weihnachten sind auch 2002 wieder Nuss-
plätzchen vom Bäcker oder Konditor.
Ihnen, verehrte Leser, wünsche ich ein
schönes Fest und ein gutes neues Jahr.
Wenn Sie Kontakt wünschen, schicken
Ihr
Karl-Jürgen Wilbert
27. Weihnachtsgespräch mit Karl-JürgenWilbert: Ausländische Meisterschüler im Dialog
Integration
geht nur
über
die Sprache
Auf Einladung von HwK-Hauptgeschäfts-
führer Karl-Jürgen Wilbert nahmen auch
in diesem Jahr wieder ausländische
Meisterschüler amWeihnachtsgespräch
teil. Das Weihnachtsgespräch mit dem
Hauptgeschäftsführer findet seit 1976
statt.
„Meine Mutter hat über 30 Jahre deutsche
Luft geatmet und deutsches Brot gegessen.
Die deutsche Sprache hat sie nicht gelernt.
Deshalb hat sie sich auch nie in Deutsch-
land zu Hause gefühlt. Integration geht
aber nur über die Sprache“, erzählt der
Grieche Christos Detsikas aus Troisdorf. Er
kam als 13-Jähriger aus Thessaloniki nach
Deutschland. „Ich habe damals die Skyline
von New York erwartet und war enttäuscht,
als unsere Familie in Troisdorf ankam.
Mein Vater lebte bereits ein Jahr dort.“ Der
Steinmetz und
Steinbildhauer
berichtet, dass
er keinWort
Deutsch sprach
und „sehr flei-
ßig war“, um die
Sprache zu
lernen. „Wenn
man die Men-
schen verstehen
will, muss man
ihre Sprache
können.“
Traditionsgespräch
Christos Detsikas gehört zu den Gästen, die
Karl-JürgenWilbert, Hauptgeschäftsführer der
Handwerkskammer Koblenz, imAdvent 2002,
seit 1976 ohne Unterbrechung zu einem vor-
weihnachtlichen Gespräch eingeladen hat.
Weitere Gesprächspartner des Hauptgeschäfts-
führers am festlich gedecktem Kaffeetisch
sind: Der aus der Türkei stammende Elektro-
techniker Oguz Topal aus Mülheim-Kärlich,
die türkischen Friseure Hamza Akdogan aus
Kaisersesch und GülsenYildiz ausAndernach
und der iranische Gebäudereiniger Dariush
Eslam aus Neuwied. Seit über einem viertel
Jahrhundert trifft der Hauptgeschäftsführer
immer zum Jahresende einige ausländische
Handwerker, die sich bei der HwK auf ihre
Meisterprüfung vorbereiten. Er spricht dann
mit ihnen über ihr Leben und Arbeiten in
Deutschland. Er fragt sie auch, welche Bedeu-
tungWeihnachten, wenn die wärmenden Lich-
ter angehen, für sie und ihre Familien hat, vor
allem dann, wenn sie nicht aus einer christli-
chen Kulturwelt kommen. In diesem Jahr wird
auch darüber gesprochen, ob die Handwerks-
meister in spe die gegenwärtige Konjunktur-
flaute spüren.
Unterschiedliche Mentalität
„Fühlen Sie sich als Deutsche oder als Tür-
kin?“, fragt Karl-JürgenWilbert GülsenYildiz.
„Manchmal zerrissen: Wenn ich aus dem Ur-
laub in der Türkei zurückkomme, vermisse ich
hier dieWärme der Menschen. Die Liebe und
Geselligkeit der Leute untereinander ist in der
Türkei stärker. Dort gehört gemeinsames Tee-
trinken zur Nachbarschaft. In Deutschland lebt
jeder für sich allein. Meine gemütlich einge-
richtete Wohnung würde mir allerdings in der
Türkei fehlen“, räumt sie ein. „Muss Ihr Le-
benspartner Türke sein?“, möchteWilbert wis-
sen. „Ich muss ihn
lieben, seine Na-
tionalität ist mir
egal.“ Wilberts
Frage, ob seine
Gäste sich vor-
stellen können,
wieder in ihre
Heimatländer zu-
rückzukehren, ver-
neinen die fünf
Gesprächspartner
nahezu geschlos-
sen. Sie sind ver-
bunden mit dem
Land, das ihnen zur Heimat wurde. Sie haben
in deutschem Boden Wurzeln geschlagen.
BeimHandwerk fühlen sie sich wohl. Vier von
ihnen wollen sich mit dem Meisterbrief hier
selbstständig machen oder sind es bereits.
Oguz Topal möchte seine Chancen auch in der
Türkei „ausloten“.
Polit-Talk
„Was sagen Sie zum Irak-Konflikt?“, möchte
Wilbert von seinen Gästen wissen. „Die USA
wollen die alleinigeWeltherrschaft. Sie möch-
ten den Islam bevormunden und diktieren“,
so die überwiegende Meinung. „Es gibt für
die anderen Staaten nur ein Für oder Gegen
die USA, kritische Meinungen werden nicht
akzeptiert.“ Wilberts Gesprächspartner sehen
in US-Präsident George W. Bush in erster Li-
nie einen texanischen „Haudrauf“. „Ohne
Amerika wäre der Nationalsozialismus nicht
zerschlagen worden. Unser heutiges Demo-
kratieverständnis in Deutschland hängt stark
mit Amerika zusammen. Wir haben von den
Amerikanern wieder unseren Freiheitsbegriff
gelernt“, widerspricht der Hauptgeschäftsfüh-
rer. Sein Bekenntnis: „Ich halte die Amerika-
ner für ein großartiges Volk.“
Keine Konjunkturdelle
„Wie kommt man
vom Persischen
Golf nach Neu-
wied?“, möchte
Karl-Jürgen Wil-
bert von dem ira-
nischen Gebäude-
reiniger Dariush
Eslam wissen.
„Eigentlich war
ich in Deutsch-
land nur auf der
Durchreise. Ich
wollte Maschi-
nenbau studie-
ren. Dann kam die Liebe und ich bin hängen-
geblieben. Und da es mit dem Maschinen-
bau damals nicht rosig aussah, hat mir mein
Schwiegervater als selbstständiger Ge-
bäudereiniger dieses Handwerk nahe gelegt.
Seit 7 Jahren bin ich in der Firma.“ „Wie ist
die wirtschaftliche Situation?“, fragt Karl-Jür-
gen Wilbert. „Es ist ruhiger geworden, es gab
aber keinen Absturz. Wir haben sogar noch 2
Mitarbeiter eingestellt.“
Hamza Akdogan ist mit einem Kollegen in
Kaisersesch bereits selbstständig. 4 Friseure
gibt es in der Stadt. „Verstehen Sie sich?“,
möchte Wilbert
wissen. „Die
Menschen ha-
ben Akzeptanz-
probleme, wenn
sie sich mental
nicht anpassen
können. Hier in
De u t s c h l a n d
muss ich mich
den Deutschen
anpassen, ohne
dass ich mich
dabei verankern
muss. Wir ha-
ben zu 90 Pro-
zent deutsche Kunden“, sagt er. Seine Frau ist
Türkin und es ist für beide selbstverständlich,
dass ihre Söhne zweisprachig aufwachsen.
Toleranz im Glauben
Zweispra-
chig wächst
auch die
Tochter von
Oguz Topal
auf. Wenn
es aber um
Glaubens-
fragen, um
Sitten und
Gebräuche
geht, zeigt
sich der tür-
kische Elek-
trotechniker
weniger tolerant. „Als Moslem erziehe ich
meine Tochter im Sinne meiner Religion. Sie
darf beispielsweise kein Schweinefleisch es-
sen und dem Weihnachtsfest messen wir kei-
ne besondere Bedeutung bei.“ „Ich würde dar-
über nachdenken, schon ihrer Tochter wegen.
Sie wächst hier auf und wird, wenn sie sich
mit ihrenAltersgefährten unterhält, etwas ver-
missen“, empfiehlt Karl-Jürgen Wilbert.
Gülsen Yildiz stimmt dem zu. Sie weiß, dass
sie als Kind Probleme hatte, wenn in der Schu-
leWunschzettel geschrieben wurden. „Wir fei-
ern Weihnachten für unsere Söhne, wir kön-
nen sie nicht abkapseln“, sagt auch Hamza
Akdogan.
Steinmetz und Steinbild-
hauer Christos Detsikas
Friseurin GülsenYildiz
Friseur HamzaAkdogan
Elektrotechniker Oguz Topal
Handwerksmesse 2003:
Internationaler Flair
Aussteller aus der ganzen Welt haben sich
bereits zur MESSE AM RHEIN: Hand-
werksmesse Koblenz 2003 angemeldet. So
kommenAussteller unter anderem aus dem
Senegal, Kambodscha, Laos,Vietnam, Bos-
nien-Herzegowina, Montenegro, Kosovo,
Mazedonien, Rumänien und Bulgarien. Sie
werden unter anderem typisches Kunst-
handwerk aus ihren Heimatländern zeigen
oder die Besucher mit landestypischen Spe-
zialitäten verwöhnen.
Weitere Informationen zur MESSE AM
RHEIN: Handwerksmesse Koblenz 2003
unter Telefon: 0261/ 398-133, E-Mail:
er Internet
Gebäudereiniger
Dariush Eslam
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