Handwerk im Sommer vom 14. Juni 2000 - page 7

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Der alte Holzbrennofen ist so groß wie ein ei-
genes Haus, aus Ziegel- und Bruchsteinen
undHolz errichtet. Erbaut hat ihn, anno 1840,
der Urururgroßvater von Keramikermeister
Albert Wingenter, der den Töpfereibetrieb in
der 6. Generation fortführt, in unmittelbarer
Nachbarschaft des noch runde hundert Jah-
re älteren Struthofs, den möglicherweise der
legendäre „Jäger aus Kurpfalz“ als Forst- und
Jagdhaus errichten ließ. Töpfern hat Traditi-
on hier, nicht nur in der Familie, sondern auch
in der Region, ganz in der Nähe, imSoonwald,
gab es früher ergiebige Tonvorkommen und
entsprechend viele Töpfereien. Mittlerweile ist
Albert Wingenter der einzige Töpfer in der
Gegend.
Gebrannt für Bohnen und Kraut
Auch wenn’s immer noch, schnuppert man in
das Brennofenhaus hinein, nach Feuer und
Rauch riecht – wirklich gebrannt wird seit ei-
nigen Jahren nicht mehr in ihm, sondern in
einem gasbefeuerten kleineren Ofen. „Das
lohnt einfach nicht, der Aufwand ist zu groß,
Führt das Soonwälder
Keramikerhandwerk in der
sechsten Generation im
Familienunternehmen fort:
KeramikermeisterAlbert
Wingenter.
Salzglasiertes nach traditioneller Art ist Spezialität Albert Wingenters
früher hat man größere Gefäße gebrannt, da-
mit konnte man den Brennofen alle vier Wo-
chen füllen“, erzählt Wingenter. Größere Ge-
fäße, das bedeutete besonders Töpfe, in de-
nen man all das, was der Garten im Sommer
hergab, für denWinter einlegte, Bohnen, Kraut
und Gurken. Da kam es in erster Linie auch
nicht so sehr auf vollkommene Ebenmäßig-
keit und Perfektion der Gefäße an, „die ließ
sich in einem Ofen von diesen Dimensionen
nicht so leicht erreichen“.
Großen Stücken gilt trotzdem unvermindert
die Vorliebe des Keramikers, das allzu Zierli-
che liege ihm nicht, meint er, greift zu einem
Klumpen Ton, wirft ihn
auf die Töpferscheibe, die
sich mit leisem Surren in
Gang setzt. Nur ein paar
Augenblicke und schon
entwickelt sich der Klum-
pen zu einer schön ge-
schwungenen, bauchigen
Vase. Noch einige Handgrif-
fe und ein sanft gerundeter
Rand schließt den Vasenhals ab. Die
letzte Glätte gibt ihm Wingenter mit
einem profanen Streifen Fensterleder,
„ein Trick von meinem Vater“. Bei ihm
hat er das Handwerk gelernt, führt seit sei-
nem Tod im vergangenen Winter nun den Be-
trieb alleine weiter.
Reichtümer könne man dabei zwar nicht ver-
dienen, kommentiert er realistisch, aber im-
merhin gebe es Stammkunden, die regelmä-
ßig zu ihm nach Münchwald kämen, um sich
individuell gestaltete Keramik zu kaufen, und
manch ein Tourist schaue auf seiner Hunsrück-
reise auch schon einmal herein und nähme das
eine oder andere Stück mit. Nicht umsonst ist
gleich draußen an der Wand des alten Holz-
brennofens
und im
Ausstellungs-
raum eine Auswahl zu
finden, bodenständiges
Steinzeug vor allem in der traditio-
nellen grau-blauen Salzglasur, aber
auch Schalen, Vasen, rundliche Keramik-
hühner und –enten und neuerdings tönerne
Brunnensäulen.
EineAttrak-
tion in der
Werkstatt
vonAlbert
Wingenter
ist sicher
der 1840
erbaute
Brennofen.
Mehr als
100 Jahre
wurden in
ihm vor
allem große
Gebrauchs-
gefäße aus
Keramik
gebrannt.
Großes Handwerksfest der Handwerks-
kammer in Koblenz:
AmSonntag, 10. Sep-
tember,
dreht sich auf dem
Löhrrondell
und der angrenzenden
Schlossstraße
bis
zum Schloss von
10 bis 20 Uhr
alles rund
um das Thema Handwerk. Internationale
Handwerker stellen sich, ihre Arbeit und
ihre Produkte vor. Ein großer Kunst-
handwerkermarkt lädt zum Sehen, Staunen
und Kaufen ein. Kulinarisches und ein viel-
seitiges Unterhaltungsprogramm sorgen für
Gaumen- und Sinnesfreuden. Und wer
Richtung Rhein „Marktatmosphäre“ erlebt
hat, findet im
Kurfürstlichen Schloss
mit
der
Ausstellung „Miteinander: Leben,
Wohnen, Arbeiten“
anlässlich der
100-
Jahrfeier der Handwerkskammer Ko-
blenz
den richtigen Ausklang.
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