Handwerk im Sommer vom 14. Juni 2000 - page 3

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In einemEhrenbreitsteiner Haus aus dem 18.
Jahrhundert findet sich die kleine, aber feine
Werkstatt des Holzblasinstrumentenmachers
GerwinRodewald. Hinter der alten, geschnitz-
ten Tür verbergen sich erstaunliche Seiten ei-
nes nicht ganz alltäglichen Berufs.
Handwerk und Musik
Bereits als Fünfjähriger erkannte Gerwin
Rodewald seinen Hang zu manuellemAr-
beiten. Damals hatte dies allerdings noch
wenig mit seinem heutigen Beruf zu tun:
sein Fahrrad war das Experimentierfeld.
„Als ich dann mit 12 begann, Fagott zu
spielen, war eigentlich schon klar, dass
eineVerbindung der beidenVorlieben die
ideale Lösung für mich wäre“, schildert
er seine recht frühe Berufsentschei-
dung. Nach der Schule begann Ger-
win Rodewald ein Musikstu-
dium in Darmstadt, das er
allerdings nach fünf
Semestern wieder
aufgab:
„Irgendwann
sah ich kei-
nen Sinn
mehr
dar-
in,
auf ei-
nen Beruf
hin zu arbeiten, bei
dem ich so gut wie
keine Zukunftsper-
spektive hatte. Schließ-
lich fasste ich den endgül-
tigen Entschluss, das Holz-
blasinstrumentenmacher-
Gerwin Rodewald ist die
Verbindung aus Beruf und
Hobby perfekt gelungen.
Der Holzblasinstrumenten-
machermeister baut und
repariert tasgsüber Fagotte,
abends spielt er auf ihnen.
DieArbeit vomKoblenzer Holzblasinstrumentenmachermeister Rodewald wird auch imAusland gehört
Handwerk zu erlernen“, begründet er seine
damalige Entscheidung.
Die Musik musste Gerwin Rodewald trotzdem
nicht an den Nagel hängen: er
spielt noch immer leiden-
schaftlich gerne Fagott
und Oboe, so im Or-
chester der Uni
Koblenz und in
der Jungen
Philharmo-
nie Neu-
wied.
Frankreichliebe
Nach seiner Gesellenprüfung
1984 führte ihn seine Ausbil-
dung nach Paris, zu den angese-
henen Firmen Loree und
Marigaux. „In Paris habe ich sehr
viel gelernt, insbesondere meine Fer-
tigkeiten in der Reparatur konnte ich
dort verbessern“. Seinen Meister machte
der Holzblasinstrumentenmacher 1994 in
München. Seit dreieinhalb Jahren wohnt er
nun mit seiner Familie in Ehrenbreitstein. Im-
mer wieder aber führt ihn sein Beruf nach
Frankreich. Erst kürzlich sah er sich auf der
großen Pariser Musikmesse „Musicora“ nach
Instrumenten um, die er in Ehrenbreitstein ver-
kauft. Dabei kommt es ihm speziell auf ein
gutes Preis-Leistungsverhältnis an.
„Exportschlager“ im Internet
Mit seiner Qualitätsarbeit, die er auf Messen
auch ausstellt, hat er sich in den Benelux-Län-
dern einen Namen gemacht. Auch nach Frank-
reich, bekannt für besonders hochwertige
Holzblasinstrumente, liefert Gerwin Rodewald
seine Maßanfertigungen. Im Dezember letz-
ten Jahres verkaufte er sogar ein Fagott an die
Pariser Oper - darauf ist er besonders stolz.
Übrigens: wer sich über die vielseitigen Tä-
tigkeiten des Meisters und seine Instrumente
weiter informieren möchte, kann dies seit
Neuestem unter
sson =frz.
für Fagott) tun.
Um seine Nachfolge in dem doch etwas aus-
gefallenen Beruf muss sich der Holzblas-
instrumentenma-
cher-Meister wahr-
scheinlich keine
Gedanken machen:
der 7-jährige Sohn
Christoph hat be-
reits Interesse be-
kundet...
Das Fagott (ital.) entstand im 16. Jahrhundert, war im Barock zumeist das
Generalbassinstrument und ist im Orchester das tiefste Instrument der Holz-
bläser. Die Oboe (v. frz. Hautbois = helles, lautes Holz), wie wir sie kennen, ist
etwas jüngeren Datums. Auch sie gehört zum großen Orchester.
Saxophon und Klarinette sind ebenfalls Holzblasinstrumente. Grund hierfür
ist die in allen Fällen ähnliche Blas- und Klappentechnik.
Besonders bekannt sind die Soli für Oboe und Fagott aus dem Ballett „Peter und der Wolf“ des
russischen Komponisten Sergej Prokofjew (1891-1953). Lange Soli für die Instrumente finden
sich auch in der Komposition „Karneval der Tiere“ von Charles-Camille de Saint-Seans (1835-
1921). Wer einen ersten Eindruck vom besonderen Klangcharakter der Instrumente erhalten
will, sollte sich diese Stücke unbedingt „zu Ohren führen“.
Musik & Handwerk: In Windesheim/Nahe entsteht ein Musikinstrumentenmuseum
Vor zehn Jahren wurde der Gedanke geboren, im Land ein Musikinstrumentenmuseum ein-
zurichten; jetzt nimmt das Projekt in Windesheim an der Nahe konkrete Formen an. Dass
ausgerechnet Windesheim als Standort ausgewählt wurde, hat mehrere Gründe. Zum einen
will man der Region zusätzliche wirtschaftliche und touristische Impulse bescheren; zum
anderen ist hier der Standort der Orgelbauwerkstätte Oberlinger. Deren umfangreiche eigene
Sammlung historischer Musikinstrumente, darunter beispielsweise Vorläufer des Klaviers
wie Klavichorde und Cembali aus dem 17. Jahrhundert, Erlesenes wie eine kleine Stumm-
Orgel von 1730, Ausgefallenes wie ein Organum und ein Giraffenklavier, bildet den Grund-
stock des Orgel- und Instrumentenmuseums.
Jetzt konstituierte sich im Rathaus von Windesheim der Zweckverband für das Orgel- und
Instrumentenmuseum Rhein-Nahe; in wenigen Wochen wird mit den Bauarbeiten begonnen
werden. Das Grundstück für das Museum stellt gleichfalls die Orgelbauwerkstätte Oberlinger
zur Verfügung. Bereits in seinem Grundriss wird das Gebäude die Aufgabe des Museums
widerspiegeln und eine Orgel mit ihren markanten Pfeifen nachzeichnen; die vorgesehene
große Außenorgel erlaubt es darüber hinaus, auch akustisch auf das Museum aufmerksam zu
machen.
Rund 830 Quadratmeter werden als Ausstellungsfläche in Erd- und Obergeschoss zur Verfü-
gung stehen, neben den Räumen für Dauer- und Wechselausstellungen ein einladendes Fo-
yer, ein Café, das dabei hilft, den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten, und ein
kleiner Laden, in dem u. a. auch Produkte aus der Region angeboten werden. Ein abwechs-
lungsreiches und lebendiges Programm mit Wechselausstellungen, Demonstrationen und
Konzerten soll möglichst viele Besucher in das Museum ziehen und zum intensiven Dialog
mit der Musik anregen.
Das Musikinstrumentenmacherhandwerk setzt sich aus verschiedenen Hand-
werksberufen zusammen, darunter sind im
nördlichen Rheinland-Pfalz
vertreten: 12 Orgel- und Harmoniumbauer, sieben Klavier- und Cembalo-
bauer, zwei Handzuginstrumentenbauer, zwei Geigenbauer, drei Metall-
blasinstrumentenbauer, drei Holzblasintrumentenbauer sowie fünf
Zupfinstrumentenbauer.
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