Handwerk im Sommer vom 14. Juni 2000 - page 5

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Es war einmal ein Fachwerk-
bauernhaus, mehr als 300 Jahre
alt, Wohnung, Stall und Scheu-
ne friedlich unter einem Dach
vereint, das stand in Buchholz im
Hunsrück, bis eines Tages, 1983,
Architekturstudenten der Fach-
hochschule Mainz kamen, es
fein säuberlich abbauten und ei-
nige Kilometer weiter entfernt,
im benachbarten Emmelshausen,
gleich neben dem Staatlichen
Stilecht unterge-
bracht in einem alten
Fachwerkbauernhaus
bietet das Museum
anschaulichen Unter-
richt in Handwerks-
und Bauernkultur.
Lebendiges Handwerk erleben: Ein Besuch imAgrarhistorischen Mueum in Emmelshausen
Bildungsseminar für die Agrarverwaltung
Rheinland-Pfalz, wieder aufbauten. Dank der
Sammelleidenschaft des ehemaligen Leiters
des Seminars, Dr. Klaus Hesse und des Enga-
gements eines eigens gegründeten Förderver-
eins entwickelte sich daraus rasch ein über-
aus lebendiges Agrarhistorisches Museum,
dessen Bestände noch immer weiter wachsen
und dabei nicht nur bäuerliche Geschichte,
sondern vor allem auch die des mit ihm eng
verbundenen Handwerks dokumentieren.
Pflüge, vom Bauer selber gezogen
Den Grundstock des Museums bildet eine
umfangreiche Sammlung landwirtschaftlicher
Geräte, von der prähistorischen
Steinhacke bis zur schon richtig
fortschrittlich anmutenden, von
einem Pferd angetriebenen
Dreschmaschine, anschaulich ar-
rangiert in verschiedenen thema-
tischen Blöcken, die alles doku-
mentieren, von derAussaat bis zur
Ernte und zur Verarbeitung, vom Joch, das
auch die Kühe trugen, über die Säschürze bis
zu Pflügen und Eggen, vor die sich der Bauer
früher zunächst selber spannte. Im Erdge-
schoss, gleich neben der “guten Stube”, hat
man eine Küche eingerichtet, komplett mit
Butterfass und Waffeleisen, Kaffeeröster und
Krauthobel, so liebenswürdig altmodisch und
dabei wohnlich, dass man sie eigentlich gleich
am liebsten in Besitz nehmen würde.
Ein Blasebalg, der wieder faucht
Zum Landwirtschaftlichen aber ist seit Beste-
hen des Museums verstärkt Handwerkliches
gekommen. Draußen, auf dem Freigelände des
Museums, hat man in einem kleinen Haus mit
alten Originalwerkzeugen die Dorfschmiede
aus Langscheid wieder zum Leben erweckt.
Ab und zu setzt sich jetzt der alte Blasebalg
wieder fauchend in Bewegung, wird überm
offenen Feuer und mit Hammer und Amboss
so geschmiedet wie in der “guten alten Zeit”.
Ähnlich funktionstüchtig ist die ehemalige
Stellmacherei aus Liebshausen, in einer be-
nachbarten Halle untergebracht, in der die
hohe Kunst des nahezu ausgestorbenen
Stellmacherhandwerks beispielsweise bei der
Herstellung von Speichenrädern demonstriert
wird. Gleich gegenüber haben Spinnstube und
Weberei ihren Platz, daneben die Futterküche,
“in der sich früher auf demBauernhof so ziem-
lich alles abspielte, von der Zubereitung des
Viehfutters bis zum Apfelsaftmosten und
Schlachten”, wie Willi Halfmann erzählt, der
das Museum betreut und durch die Ausstel-
lung führt und Hunsrücker Bauernleben von
Kindesbeinen an aus eigener Anschauung
kennt.
Brot, gebacken nach guter alter Art
Mit Unterstützung der Handwerkskammer
Koblenz und der Fachhochschule Mainz hat
selbst der aus dem 19. Jahrhundert stammen-
de Dorfbackes von Ehr den Weg nach
Emmelshausen gefunden. Nie riecht es hier
so verlockend, als wenn er wieder einmal an-
geheizt (“Das ist eine Kunst für sich,” meint
Halfmann) und kräftiges Bauernbrot in ihm
gebacken wird. Oder der leckere Apfelplatz,
der am besten schmeckt, wenn er noch ein
bisschen lauwarm ist, “dann reißen ihn die
Leute uns fast aus den Händen”.
Das Agrarhistorische Museum in
Emmelshausen, Rhein-Mosel-Straße 9 ist von
Mai bis Obktober montags ab 14 Uhr (mit
sachkundiger Führung) geöffnet und für Grup-
pen nach telefonischer Vereinbarung (06747/
901111).
Bei den Führungen demonstriert
Willi Halfmann den Museums-
besuchern auch die Handhabung
traditioneller Werkzeuge, wie
hier in der original aufgebauten
Dorfschmiede.
Sie stand kurz vor dem Abriss, bis sie Frank
Sprenger, Leiter des HwK-Zentrums für Re-
staurierung und Denkmalpflege in Herrstein,
entdeckte: die 200 Jahre „Alte Scheune“ aus
Sonnschied. Die HwK Koblenz entschloss
sich dazu, die Scheue am alten Standort ab-
tragen und sie in Herrstein wieder aufbauen
zu lassen. Maurerlehrlinge des ersten Lehr-
jahres aus der überbetrieblichen Ausbildung
der Berufsbildungsstätte der HwK in Herrstein
übernahmen denAbbau der alten Scheune, do-
kumentierten alleArbeiten sorgfältig und sam-
melten so praktische Erfahrung im Umgang
mit alter Bausubstanz. Genau das wird auch
Sinn und Zweck der „Alten Scheune“ an ih-
rem neuen Standort in Herrstein sein. Absol-
venten von Fortbildungsseminaren des HwK-
Zentrums, die die Zusatzqualifikation eines
Restaurators oder einer Restaurierungsfach-
kraft im Handwerk erwerben möchten, u.a.
Maurer, Zimmerer oder Maler, werden in den
nächsten Jahren alte Techniken unmittelbar in
der Praxis erproben.
Die nächsten Seminare im HwK-Zentrum für
Restaurierung und Denkmalpflege in Herr-
HwK-Zentrum für Restaurierung und Denkmalpflege in Herrstein „verpflanzt“ 200 Jahre alte Scheune
stein: vom 7. bis 9. Juli und 18.
bis 20. August geht es um
Bau-
en und Gestalten mit Lehm
;
vom 9. bis 13. Oktober um die
Baumaterialien
Mörtel, Putze
und Anstriche in der Denk-
malpflege
.
Infos beim HwK-Zentrum für
Restaurierung und Denkmal-
pflege in Herrstein, Tel.: 0261/
398-760, Fax: -769, e-mail:
-
ternet:
1,2,3,4 6,7,8,9,10,11,12
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