Vom Hörsaal zum Handwerk / Integration durch Selbstständigkeit
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Nr. 205
3. Dezember 2016
www.handwerk-special.deAngekommen!
Syrer betreibt Salon in Andernach
Wie ausländische Bildungsabschlüsse anerkannt werden
Die im Ausland er-
worbene Bildungs-
abschlüsse können
in Deutschland aner-
kannt werden, wenn
die Qualifikation eines
Antragstellers gleich-
wertig mit deutschen
Abschlüssen ist.
Die Erfahrungen der HwK
Koblenz mit dem Berufsqua-
lifikationsfeststellungsgesetz
zeigen, dass vielen Antragstel-
lern eine Anerkennung hilft: Es
öffnensich Chancenauf demAr-
beitsmarkt, es kann sich die tarif-
licheEingruppierungverbessern
oder auch eine Selbstständigkeit
imHandwerkermöglichen.Auch
für Arbeitgeber ist das interes-
sant, beispielsweise wenn die
Beschäftigungvonqualifizierten
Fachkräften nachgewiesen wer-
denmuss. Gerade in schulischen
Berufsbildungssystemenvermit-
telteKenntnisse reichen oft nicht
aus, umeineGleichwertigkeitmit
denAnforderungen inDeutsch-
land zu erreichen. Das vom
Bundesarbeitsministeriumund
demEuropäischenSozialfonds
geförderte Projekt Integration
durch Qualifizierung hilft. Die
HwKKoblenzbietet alsPartner
bietet Anpassungsqualifizie-
rungen an.
Auskunft gibt die HwK-
Koblenz unter Tel. 02635/
9546-701, E-Mail Michael.
Mueller@hwk-koblenz.deVom Hörsaal zum Hand-
werk ist ein Kooperations-
projekt der Handwerkskam-
mern in Rheinland-Pfalz
und im Saarland. Das Pro-
jek wird vom Bundesbil-
dungsministeriums und dem
Europäischen Sozialfonds
gefördert.
Jobstarter plus
für Studienaussteiger
Info-Tel. 0261/ 398-333
Die richtige Entscheidung
Als „richtige Entschei-
dung“ bewerten Georg
Kost aus Bonn und
Dennis Schroer aus Kem-
penich ihren Schritt, statt
akademischer Laufbahn
eine berufliche Zukunft
im Handwerk gewählt zu
haben. Beide sind diesen
Schritt allerdings über ei-
nen Umweg gegangen.
WährendGeorgseinStudiumder
Japanologie an der Universität
Düsseldorf mit dem Bache-
lor abgeschlossen hat, hängte
Dennis das Architekturstudium
bereits nach zwei Semestern an
den Nagel. Einem sozialen Jahr
beim Deutschen Roten Kreuz
schloss sich die Ausbildung an.
Jetzt sindbeideTischlerlehrlinge
undwerden inderHolzwerkstät-
te Kutzner & Ritzdorf in Bad
Breisig ausgebildet.
Um Studienabbrechern oder
Hochschulabsolventen Mut zu
machen, eine Alternative im
Handwerk zu suchen, wurde
GeorgKost inHandwerkSpecial
192 bereits vorgestellt. Damals
hat er über seine Motive für den
Neuanfang gesprochen. Wie
auch Dennis Schroer hat er sich
von der allgemein vertretenen
Meinung, nach dem Abitur ist
eine akademische Berufswahl
folgerichtig, leiten lassen. In-
zwischen ist er im zweiten
Lehrjahr und berichtet stolz von
spannenden Arbeitsaufträgen.
„Vor kurzem haben wir ein 100
Jahre altes Hotel in Mayschoss
ausgebaut und zwölf Zimmer
komplett neu möbliert. Auch
Fenster, individuell an den
Erfordernissen eines alten, aus
Natursteinen gebautem Haus
orientiert, entstanden in der
Holzwerkstätte. „Man geht mit
Ehrfurcht daran, Altes neu zu
interpretieren“, erklärt Dennis
Zwei Ex-Studenten sehen ihre Zukunft im Tischlerhandwerk
Schroer. Seine praktische Ader
und die Affinität zum Werk-
stoff Holz haben ihn ermutigt,
nach Abbruch des Studiums die
Tischlerlehre zu beginnen. „Das
war gar nicht so leicht. Ich habe
mir die Homepage von vielen
Tischlerbetrieben angesehen,
mich über die Angebotspalette
informiert und Bewerbungen
geschrieben.“DieGeschäftsfüh-
rer der Holzwerkstätte Kutzner
& Ritzdorf luden ihn zum Vor-
stellungsgespräch und einem
zweiwöchigem Praktikum ein.
„Wichtig ist, dass der Bewerber
in unser Team passt. Mit Georg
Kost habenwir einengutenGriff
gemacht. Auftreten und Fertig-
keiten konnten auch bei Dennis
überzeugen“, soMartinRitzdorf.
Der 36-Jährige hat wie sein
Geschäftspartner, TischlerMike
Kutzner, bei der HwK Koblenz
die Ausbildereignungsprüfung
bestanden. 2006 haben sie ihre
Tischlerei gegründet und sind
seitdem über eine Ausnahmebe-
willigung in dieHandwerksrolle
der HwK eingetragen. Inzwi-
schen zählen13Mitarbeiter zum
Team. „Wir sindbreit aufgestellt
und zählen Privatpersonen und
Architekten imKreisAhrweiler,
der Eifel und dem Raum Köln-
Bonn zu unseren Kunden. Die
LehrlingewerdenvonAnfangan
in die Arbeitsabläufe integriert
und mit anspruchsvollen Auf-
gaben vertraut gemacht“, so die
beidenChefs. Dennis undGeorg
schätzen das Vertrauen und füh-
len sich in ihrer Entscheidung
bestärkt. Beide wollen einmal
Meister werden.
Ein motiviertes Team (von links): Dennis Schroer,
Georg Kost und Martin Ritzdorf.
Ursprünglich kommt Abdulaziz Alo aus Aleppo. Seit
zehn Jahren lebt er in Deutschland und hat sich nun
seinen Traum von der Selbständigkeit erfüllt. Fri-
seurmeister Sara-Al-Kaissi betreut die Damen, die in
den Andernach Salon kommen.
Kutzner & Ritzdorf, Bad Breisig
Gegr.2006 | 13 Mitarbeiter | Möbelschreinerei, Innenausbau,
Fenstertechnik | Tel. 02642/993 97 97 |
www.kutzner-ritzdorf.de„Ich bin beruflich angekommen“, so Abdulaziz Alo aus
Andernach. Der 39-jährige Friseur hat im Juni den Bar-
ber Salon Kalash in seinem Wohnort eröffnet. Für den
aus Aleppo in Syrien stammenden Alo ist dies ein gro-
ßer Schritt, der mit Hilfe der Handwerkskammer (HwK)
Koblenz möglich wurde.
Die HwK überprüft im Ausland erworbene handwerkliche Berufsqua-
lifikationen auf ihre Gleichwertigkeit nach dem Berufsqualifikations-
feststellungsgesetz. Abdulazis Alo hat in Syrien als Friseur gearbeitet.
„Bei uns ist es üblich, dass zwischen Damen- und Herrenfriseuren un-
terschiedenwird, und ichhabe ausschließlichHerrengestylt“, erklärt er.
Bereits vor 10 Jahren kam er der Liebe wegen nach Deutschland.
Beruflich Fuß konnte er aber nicht fassen. „Ich habe verschiedene
Jobs angenommen, um meine finanzielle Existenz zu sichern.“ Seinen
Wunsch, wieder als Friseur zu arbeiten, hatte er immer im Hinterkopf.
OhnedieAnerkennungseiner beruflichenQualifikationblieben ihmaber
selbst in Friseursalons nur Tätigkeiten als Helfer. Das änderte sich nach
einem dreimonatigen Trainingskurs im HwK-Berufsbildungszentrum
in Rheinbrohl unter Anleitung von Friseurmeisterin Sandra Dorfey.
Alo konnte seine Fertigkeiten nachweisen und legte erfolgreich eine
Sachkundeprüfung ab. Sie ist die Basis, um sich mit einer Ausnah-
mebewilligung in die Handwerksrolle der HwK Koblenz eintragen
zu lassen. Als sich für den Syrier die Gelegenheit bot, einen Salon zu
übernehmen, griff er direkt zu. „Der Name Kalash ist eine Hommage
an meine syrische Heimat. Dahinter stehe ich“, sagt er.
VonAnfangan imTeamist Sara-Al-Kaissi.DieFriseurmeisterinkommt
aus dem Irak und lebt seit 17 Jahren in Deutschland. Hier hat sie ihr
Handwerk gelernt und die Meisterschule absolviert. Im Salon Kalash
werden nun auch Frauen meisterhaft frisiert.
Barber Salon Kalash, Andernach
Gegr. 2016 | 2 Mitarbeiter | Tel. 02632/441 14