Familienbetrieb und Nachfolge: Ein Beispiel aus Braubach
7
Nr. 197
5. März 2016
www.handwerk-special.deKopf und Herz im Einklang
Erfahrungen der Betriebs-
beratung der Handwerks-
kammer (HwK) Koblenz
zeigen: Die Gründe für
das Scheitern der Staffel-
übergabe in Familienun-
ternehmen liegen weniger
an Sachthemen. Das
Zünglein an der Waage
sind eher die beteiligten
Menschen. Das Beispiel
der Schreinerei Schwieck
in Braubach zeigt, wie
ein Generationswechsel
erfolgreich vollzogen wer-
den kann.
Tischlermeister Jörg Schwieck
hat im Januar die Zügel von
seinem Vater, Detlef Schwieck,
übernommen.Nicht nur rationale
Fragen, beispielsweise die einer
Umfirmierung, sind nach vie-
len offenen Gesprächen gelöst
worden, auch gute Gefühle wie
Hoffnung,Verbundenheit,Liebe
undVertrauenwarenvonAnfang
an im Spiel.
Alles muss
auf den Tisch
Kopf und Herz stehen bei Detlef
und JörgSchwieck imEinklang!
Dagmar, Schwieck-Wölfinger,
diedasTischlerhandwerkwie ihr
Bruder Jörg beim Vater gelernt
hat, trägt die getroffene Ent-
scheidung voll mit. Sie arbeitet
Generationsnachfolge im Braubacher Familienbetrieb geglückt
im Büro, kann aber auch in der
Werkstatt mithelfen. „Reden,
reden, nochmals reden. Alle
Dinge auf den Tisch legen und
auch vermeintlich scheinbar
negative Gefühle, wie Wehmut
zulassen. Fachlichen Rat etwa
bei der HwK Koblenz einholen
und unterschiedliche Meinun-
gen ausdiskutieren“, geben die
Schwiecks einen Tipp für den
erfolgreichen Wechsel an der
Spitze eines Familienunterneh-
mens.
Nachfolgeregelung: Kein
spontaner Entschluss
„Die Nachfolgeregelung war
kein spontaner Entschluss,
sondern ist in den vergangenen
Jahren gereift“, erklärt Detlef
Schwieck. Bereits vor fünf
Jahren hat der 65-Jährige sich
über den Generationswechsel
Gedankengemacht. „Ichhabe zu
meinen Kindern gesagt, dass sie
sichüberlegensollen,wie sie ihre
berufliche Zukunft sehen. Dabei
habe ich meine Wünsche völlig
außen vor gelassen“, erzählt der
Seniorchef.
DieGeschwister stimmten darin
überein, dass es im Familienbe-
trieb immer nur einenChef geben
sollte. Dagmar Schwieck-Wöl-
finger hatte kein Problem, ihrem
Bruder das Ruder zu überlassen.
Detlef Schwiek,Obermeister der
Tischler-Innung Rhein-Lahn,
hat den Betrieb 1978 gegrün-
det. Er hat ihn mit Herzblut
und Engagement zusammen
mit Ehefrau Christa aufgebaut.
Auch ihre beiden Kinder tragen
das „Holzgen“ in sich, sind sie
doch sozusagen in derWerkstatt
groß geworden.
Die Tischlerlehre im elterlichen
Betriebwar fürSohnundTochter
erste Option. „Vater war ein
strenger Lehrherr und hat nichts
durchgehen lassen. Für uns gab
es keine Extrawürste. Wenn ich
abends mal länger mit Kumpels
unterwegs war, hieß es nicht
etwa, fang später an, sondern sei
früher da“, lacht Jörg Schwieck.
Technik und
Geschäftsfelder erweitert
2001hat JörgSchwieckdieMei-
sterprüfungabgelegt undseitdem
mehr und mehr Verantwortung
imBetriebübernommen.Damals
schaffte der Familienbetrieb
auch die erste CNC-Maschine
an. 2005 kam eine computerge-
steuerte Kantenanleinmaschine
hinzu. „Ichhabediese Investition
im Familienrat abgesprochen.
Mir war klar, dass man mit der
Zeit gehen muss und wir durch
die moderne Technik unser
Leistungsspektrum erweitern
können. Ich habe aber auch ge-
wusst, dass es mein Sohn ist, der
das technische Wissen und Ver-
ständnis dafür mitbringt“, räumt
Schwieck Senior ein. Und Jörg
Detlef Schwieck (rechts) hat den Generationswechsel gut vorbereitet. Sohn Jörg und Tochter Dagmar Schwieck-Wölfinger ziehen voll mit.
Betriebsbörse: Service der HwK Koblenz
Die Betriebsberater
der HwK Koblenz be-
gleiten eine Betriebs-
übergabe von der
Kontaktaufnahme mit
einem interessierten
Nachfolger bis zur
endgültigen Betriebs-
übertragung.
Im Einzelfall nehmen die Be-
rater auch an Bankgesprächen
teil. Bei der Suche nach einem
passenden Nachfolger hilft ein
Blick in die Betriebsbörse der
Handwerkskammer Koblenz,
dieimInternetunterderAdresse
www.hwk-koblenz.dezufinden
ist. Die Betriebsbörse ist eine
Art Schnittstelle für „Überge-
ber“ und „Übernehmer“. Jeder
der ein Unternehmen sucht
oder einUnternehmen abgeben
möchte, hat die Möglichkeit,
sich in die Betriebsbörse auf-
nehmen zu lassen.
Informationen und Formulare
können über die Betriebsbera-
tung der HwK Koblenz, Tel.
0261/ 398-251 angefordert
werden.
Schwieckbetont, dass „Vater für
Neues immer offen ist, wenn es
sich unternehmerisch rechnet“.
Mit derÜbernahmeeinesSchlüs-
seldienstesundderAnerkennung
als Fachbetrieb für Gebäudesi-
cherheit, der in die Errichter-
liste des Landeskriminalamtes
aufgenommen wurde, hat Jörg
Schwieck weitere Geschäfts-
felder erschlossen. Stolz ist er
auch auf das verliehene Güte-
siegel für „Arbeitssicherheit
und Gesundheitsschutz durch
Organisationen“.
Der Blick
geht nach vorn
„Großbetriebe vergeben ihre
Aufträge zunehmend an Fir-
men, die auch beim Thema
Arbeitsschutz gut aufgestellt
sind“, erklärt er die Zertifizie-
rung. Sie liegt ihm am Herzen.
Auch im technischen Bereich
geht die Entwicklung in der
Schreinerei Schwieck immer
weiter. So können die Kunden
demnächst via CAD-Programm
dreidimensional am Bildschirm
die Entstehung ihrer Produkte
mitverfolgen. Der Erwerb einer
computergesteuerten Maschine
ist geplant.
Reflektierte
Wahrnehmung
SchwieckSenior freut sich,wenn
sein Sohn neue Ideen umsetzt.
Er bleibt auch weiterhin im
Betrieb angestellt. „Ich habe
kein Problem damit, mein Le-
benswerk loszulassen und halte
auch nicht an der Vergangenheit
fest. Im Gegenteil, ich finde, es
ist an der Zeit, die Führung in
jüngere Hände zu legen. Fürs
Altenteil bin ich aber noch zu
fit“, begründet er die Entschei-
dung.UndSchwieck Junior freut
sich, den Vater noch im Boot zu
haben. „Er soll wissen, dass er
hier noch gebraucht wird“, so
der 41-Jährige. Beide stehen zu
ihren Gefühlen und handeln mit
dem Herzen. Wie heißt es bei
Antoine de Saint-Exupéry: „Das
Wesentliche ist für die Augen
unsichtbar.“
Schreinerei Schwieck GmbH, Braubach
Gegr. 1978 | 7 Mitarbeiter | Innenausbau, Möbelbau, Ladeneinrichtung
Tel. 02627/ 972 66-0 |
www.schreinerei-schwieck.de