Heimat Handwerk: Vom Hörsaal an die Hobelbank / Praktikum
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Nr. 187
7. März 2015
www.handwerk-special.deEs duftet nach Holz. Das
ist erst einmal nichts
Besonderes in einer
Tischlerei. Ungewöhnlich
ist aber, dass das Holz
bereits 180 Jahre alt ist.
„Der Kunde hat uns die
alten Eichenbretter aus
seiner Scheune gebracht
und wünschte sich da-
raus einen Tisch für das
Esszimmer“, so Tischler-
meister Willi Junglas.
Zusammen mit seinem Sohn,
Tischlermeister Alexander Jun-
glas, führt er den Betrieb in
Gamlen. Vor der Verarbeitung
wurde das Holz in der Trocken-
kammer der Tischlerei getrock-
net. Der Auftrag entspricht der
Philosophie der beiden Meister,
ungewöhnliche Wünsche mög-
lich zu machen. „Einen Tisch,
schmal und lang, mit denMaßen
85 cm breit und 3,20 Meter lang
findetmaninkeinemMöbelhaus.
In der handwerklichen und
individuellen Anfertigung liegt
unsere Stärke“, sind sich Vater
und Sohn Junglas sicher.
Das trifft auch auf ein nachKun-
denwunschgefertigtesBett ohne
sichtbare Füße zu. Eine weitaus
größereHerausforderung als das
schwebende Bett anzufertigen,
war für die Tischlermeister der
originalgetreue Nachbau einer
alten Haustür von 1850. „Die
Tür wurde nach historischem
Vorbild rekonstruiert und mit
neuesten technischenStandards,
wie elektrischen Türöffner, Iso-
lierverglasung und umlaufende
Dichtungen versehen. Altes im
neuenGlanzerstrahlenzulassen,
gehört zu den besonders interes-
santen Leistungen.“
Tischlerei Junglas aus Gamlen macht Ungewöhnliches möglich
Schreinerei Willi u. Alexander Junglas, Gamlen
Gegr. 1994 | 3 Mitarbeiter | Innenausbau - Einbauten nach Maß, Treppen,
Türen | Tel.: 02653/ 3315 |
www.junglas-schreinerei.deDie HwK Koblenz weist
darauf hin, dass das vom
Zentralverband des Deut-
schen Handwerks, dem
Deutschen Handwerkskam-
mertag und dem Bundes-
ministerium für Wirtschaft
und Energie (BMWi) initi-
ierte Mobilitätsprogramm
„Berufsbildung ohne
Grenzen“ fortgesetzt wird.
Die Mobilitätsberatung der
HwK bietet für Handwerks-
lehrlinge zahlreiche Be-
rufspraktika in Dänemark,
England, Spanien, Frank-
reich und Irland an. Min-
destalter ist 18 Jahre. Die
Mobilitätsberatung wird
vom BMWi gefördert.
Infos & Anmeldung bei der
HwK-Mobilitätsberatung:
Auslandspraktikum
Mobilitätsberatung
Info-Tel. 0261/ 398-331
Tischlers schwebende Treppe
Stufen kommen
aus der Wand
Spannend war auch der Bau
einer Kragarmtreppe. „Die
unsichtbare, einseitigeWandbe-
festigungmittels einer Stahlkon-
struktion,dieinderTreppenstufe
verschwindet, erlaubt es dem
massivenHolz,scheinbarschwe-
relos in den Raum zu kragen.
Die Stufen kommen sozusagen
aus der Wand“, erklärt der
Fachmann.
Treppen werden in der Tischle-
rei nach einer Schablone noch
von Hand mit einer Oberfräse
gestemmt. „Wir belegen auch
Stahl oder Betonkonstruktionen
mitHolzstufenoder fertigenGe-
länder aus Holz, Edelstahl, Glas
oder in einer Kombination aus
diesen Materialien.“ Schränke,
die maßgenau in eine Dach-
schräge oder Nische passen,
gibt es nicht von der Stange. Die
überwiegend privaten Kunden
schätzen die Angebotspallette
der Meisterwerkstatt. Dazu ge-
hört auch die 3-D-Planung von
Küchen und Möbeln.
Vom Hörsaal
an die Hobelbank
Seit Oktober 2014 verstärkt
Michael Willems aus Uersfeld
das Team. Der 21-Jährige hat
nach dem Abitur und einem so-
zialen Jahr an einer Grund- und
Realschule Musikpädagogik an
der Universität Gießen studiert.
„Der Studiengang ist interessant
aber sehr theoretisch und zuweit
wegvomBerufsleben.ZumEnde
des zweiten Semesters habe ich
beschlossen, etwas Handfestes
zu erlernen“, so Michael. Jetzt
lernt er Möbel zu bauen und
im Berufsschulunterricht die
Schnittgeschwindigkeit einer
Kreissäge zu errechnen. „Ich
hätte nicht damit gerechnet,
dass ichmal eine Ausbildung im
Handwerk mache“, so Michael.
„Wir waren erst skeptisch, ob
es handwerklich funktioniert,
haben aber bereits während sei-
nes Praktikums echtes Interesse
gespürt. Der junge Mann hat
Fragen gestellt und uns über die
Schulter geschaut“, so Junglas
Junior. Der 29-Jährige ist im
Gesellenprüfungsausschuss der
TischlerinnungMayenaktivund
hat einenBlick für dieLehrlinge.
„Michael hat uns auch in der
Probezeit überzeugt. Ihm die
Lehrstelle zu geben, war eine
gute Wahl“, schätzt er ein. Auch
der Lehrling freut sich über die
Kenntnis- undWertevermittlung
von gleich zwei Meistern. Eine
mögliche Verkürzung der Lehre
erwägt er nicht. „DieArbeit ist so
vielseitig,undichnutzedieChan-
ce, so viel wie möglich bereits in
der Ausbildung zu lernen.“
Starkes Tischler-Team: Mi-
chael Willems, Senior Willi
und Junior Alexander Jung-
las (v.l.).
„Schwe-
bende“
Treppe
(oben),
die nur
wandsei-
tig ohne
erkenn-
bare Be-
festigung
montiert
ist.
Eine historische Haustür vor (links) und nach der
Überarbeitung (rechts) durch die Tischlerei Junglas.
Wechsel vom Hörsaal ins Handwerk: Michael Willems
(rechts) studierte zunächst Musikpädagogik, nun er-
lernt er das Tischlerhandwerk.
Fotos: privat