Jungmeister im Porträt / Karriere im Handwerk für Studienabbrecher
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Nr. 187
7. März 2015
www.handwerk-special.deGuter Neustart
Vom Jurastudium zur Kfz-Ausbildung
„Stern des Handwerks“ geht nach Sinzig
Das Auge isst mit – das
gilt auch für die Gestal-
tung von Fahrzeugen, die
nicht nur Material von A
nach B transportieren,
sondern auch als rollende
Werbebotschafter ins
Auge fallen. Besonders
gute Beispiele werden als
„Sterne des Handwerks“
ausgezeichnet.
425 Handwerksbetriebe
schickten ihre werblich ge-
stalteten Firmenwagen ins
Rennen um den Titel „Stern
desHandwerks2015“.Mitdem
Wettbewerb suchte die Aktion
Modernes Handwerk e. V. –
unterstütztvonMercedes-Benz
Deutschland (Vertrieb Trans-
porter und Vans) – die krea-
tivste Fahrzeugbeschriftung
mit Vorbildfunktion für den
handwerklichenBetriebsalltag.
Ein hervorragender dritter
Platz ging ins nördlicheRhein-
land-Pfalz: „Fliesen Falkus“
aus Sinzig überzeugte mit „ih-
remreduzierten, einprägsamen
und zugleich eindeutigen
Design in Fliesen-Optik“, so
die Jury. Die große Siegesfeier
für alle Gewinner steigt am12.
März auf der Internationalen
Handwerksmesse inMünchen.
Rundum alles blitzblank
Alexander Kraus aus
Nistertal ist Gebäuder-
einigermeister. Als Be-
triebsleiter bei der Firma
Uniserve, einem Dienst-
leister im Bereich Gebäu-
demanagement, trägt der
29-Jährige Verantwortung
für 300 Mitarbeiter im
Köln/Bonner Raum.
„Nach der Fachhochschulreife
war ich bei der Bundeswehr
und habe danach bei Uniserve
in Wiesbaden eine Ausbildung
zum Bürokaufmann absolviert.
Mein Vater Dirk ist Gebäude-
reinigermeister und Geschäfts-
führer der Firma, auchmeinOpa
Karl-Heinz istGebäudereiniger.
In den Ferien habe ich ihnen oft
bei der Arbeit über die Schulter
geschaut. Bei der Berufswahl
habe ich aber zunächst das kauf-
männische Umfeld favorisiert“,
erklärt Alexander Kraus seine
Entscheidung.NachBeendigung
der Lehrzeit war er vorrangig
in der Finanzbuchhaltung im
Ausbildungsbetrieb tätig.
„Als ich gefragt wurde, ob
Interesse bestünde, an einem
zweijährigen, firmeninternen
Schulungsprogramm teilzuneh-
men und dabei alle Bereiche der
Alexander Kraus, 29 Jahre, Gebäudereinigermeister
Gebäudereinigung an verschie-
denenEinsatzortenkennenzuler-
nen,habeichdirektzugesagt.Mir
wurde dabei schnell klar, dass
Reinigung weit mehr umfasst
als das bloße Saubermachen.
Unterschiedliche Materialien
verlangen richtig dosierte und
umweltschonende Reinigungs-
mittel. Der Blick hinter die Ku-
lissenundFassaden ist spannend
undaufschlussreich“, beschreibt
erdieabwechslungsreicheArbeit
eines Gebäudereinigers.
DieOptionauf eineStelle alsBe-
triebsleiter bei Uniserve war für
Alexander Kraus an den Erwerb
des Meisterbriefs im Gebäude-
reinigerhandwerk gebunden.
„Ich habe die Herausforderung
gern angenommen“, sagt er.
Während der kaufmännische
und rechtliche Teil der Meister-
vorbereitung für ihn aufgrund
seiner Vorkenntnisse relativ gut
zu bewältigen war, erforderte
FachtheorieundFachpraxisAle-
xanderKrauseinigesab.„Ichwar
mit der Praxis weniger vertraut,
und im Meisterkurs habe ich
richtigGasgebenmüssen.Mirist
aber wichtig, die Arbeitsabläufe
an der Basis von der Pike auf zu
kennen“, betont er.
Heute hat der Jungmeister vor-
rangigadministrativeAufgaben.
Er sieht sich aber auch „als
Problemlöser im praktischen
Einsatz. Ich bin immer wieder
bei unseren überwiegend ge-
werblichen und kommunalen
Kunden amOrt, ummir ein Bild
zu machen. Das bekommt man
nicht am Schreibtisch.“
Dirk Kraus ist stolz, dass sein
Sohn Handwerksmeister ist
wie er. Und Alexander Kraus
freut sich, dass er diesen Weg
allein gefunden hat, ganz ohne
väterliche Fürsprache.
Der 29-jährige Alexander Kraus übernimmt als Gebäu-
dereinigermeister Verantwortung für 300 Mitarbeiter.
Vom Hörsaal zum Handwerk heißt ein neues Projekt der vier
rheinland-pfälzischen Handwerkskammern sowie der Kammer
des Saarlands. Es hat das Ziel, Studenten, die ihre akade-
mische Laufbahn abgebrochen haben, individuell zu vermit-
teln. Sie sollen für eine berufliche Zukunft im Handwerk in
einem von 130 Handwerksberufen gewonnen werden, die auf
einer dualen Berufsausbildung basiert. Regelmäßig stellen
wir in Handwerk Special ehemalige Studenten vor, die in einer
Handwerkslehre die lohnende berufliche Alternative gefunden
haben. Alexander Stöffler aus Burgbrohl gehört dazu.
„Ich habe relativ spät herausgefunden, dass ein Studium nach
dem Abitur nicht die richtige Wahl war“, so der 31-Jährige.
Nach der Bundeswehr studierte er zunächst drei Jahre Jura an
der Universität in Trier, wechselte dann zum Lehramtsstudium
in den Fächern Sport und Geografie. „Das Jurastudium war mir
zu trocken und beim Lehramt habe ich während der Praktika
gemerkt, dass der Umgang mit den Schülern für mich keine Le-
bensaufgabe ist.“
Durch Gespräche mit einem ehemaligen Mitschüler, der be-
geistert vom Kfz-Handwerk erzählte, bekam er Lust, in diesem
Gewerk zu schnuppern. Ein Praktikum in einer Autowerkstatt
noch während seiner Studienzeit bestärkte ihn darin, es im Hand-
werk zu versuchen. Bei Kraftfahrzeugmechanikermeister Stefan
Jeub in Niederzissen fand er nach erfolgreichem Praktikum
einen Ausbildungsplatz. „Ich habe darin auch eine Herausfor-
derung gesehen, Alexander zu bewegen, durchzuhalten. Einen
Lehrabbruch gibt es bei mir nicht. Wenn es Probleme geben
sollte, lösen wir sie gemeinsam, habe ich ihm gesagt“, so der
46-Jährige. Der Handwerksmeister ist seit 1995 selbstständig
und ein erfahrener Ausbilder. „Jeder, der es wirklich möchte, be-
kommt bei mir eine Chance. Da zählt sein bisheriger Werdegang
wenig“, sagt er. „Nicht ganz einfache Lehrlinge“ kennt er aus
der Vergangenheit.
Alexander bestand seine Probezeit ohne Probleme. Zurzeit ist er
im dritten Lehrjahr. Die Zwischenprüfung legte er als Prüfungs-
bester ab. Auf eine für ihn mögliche Verkürzung der Lehre hat er
verzichtet. Sein Studium sieht er nicht als „verlorene, sondern als
informative, lehrreiche Zeit“. „Ich habe außerdem meine Frau
kennengelernt. Inzwischen bin ich verheiratet und Vater eines
zweijährigen Sohnes. Schon für ihn lohnt es, die Ausbildung gut
zu beenden. Dann habe ich alle Möglichkeiten zur beruflichen
Fort- und Weiterbildung.“
Kfz Jeub, Niederzissen
Gegr. 1995 | 13 Mitarbeiter | freie Werkstatt, Reparaturen
Tel.: 02636/ 6670 |
inf@kfz-jeub.deAusbilder Stefan Jeub (links) und Alexander Stöffler,
der von der Uni in die Kfz-Werkstatt wechselte.
Prämiert: Fahrzeug-Design von „Fliesen Falkus“.