Handwerk Special Nr. 128 vom 28. März 2009 - page 22

Frische und Qualität vom Fleischermeister – Eigene Herstellung
Nr. 128
28. März 2009
Nachgefragt
Streit ums Salz im Brot
Die Seele des Dorfes
Am Mittwoch, 9. Novem-
ber 1898, verzeichnete
das „Amts-Blatt für das
Fürstenthum Birkenfeld“
unter der Rubrik „Ob-
rigkeitliche Bekanntma-
chungen“ folgendes:
Der „Metzger Carl Fillmann
zu Veitsrodt“ beabsichtige, „in
einem neu erbauten Schlacht-
hause daselbst eine Schlächterei
einzurichten. Zeichnung der
Anlage liegt demBürgermeister
in Herrstein aus.“
Vier Jahrzehnte zuvor hatte
Carl Fillmann seine Metzgerei
in Veitsrodt, einige Kilometer
von Idar-Oberstein entfernt,
eingerichtet; im vorigen Jahr
feierte der Betrieb, der zu Be-
ginn des 20. Jahrhunderts ins
benachbarte Niederwörresbach
umzog, seinen 150. Geburtstag.
Geführt jetzt von der fünften
Generation der Familie, von
Fleischermeister Ivo Juchem.
Der 28-Jährige übernahm die
Metzgerei 2002, ein Jahr nach
seinerMeisterprüfung,vonVater
Gerold, der erste Juchem in der
Reihe der Betriebsinhaber.
Mehr als eineinhalb Jahrhunderte Metzgerei Juchem
Eigentlich sind die
Juchems, wie es der
Region entspricht, eng
mit Edelsteinen verbun-
den. Gerolds Vater war
Edelsteingraveurmeis-
ter, „aber meine ältere
Schwester war schon
für sein Handwerk vor-
gesehen und da kam ich
halt zu meinem Onkel
in die Metzgerei, in der
ich schon mit zwölf
Jahren geholfen habe.“
Drei Jahrzehnte lang,
ab 1972, führte er den
Betrieb in Niederwör-
resbach, bevor er ihn
seinem Sohn übergab.
Der, meint er, werde
allerdings vielleicht die
letzte Generation sein.
Denn Niederwörresbach hat
gerade mal 1.000 Einwohner.
VomLadenverkauf allein könne
man, ergänzt Ivo Juchem rea-
listisch, nicht leben, belieferte
die Metzgerei nicht viele Ver-
anstaltungen in der Region: die
Achatbörsemit Fleischkäseoder
Idar-Obersteiner Spießbraten,
stilgerecht überm Feuer und
Steckbrief: Metzgerei Juchem, Niederwörresb.
Gegr. 1858 | 4 Mitarbeiter, 1 Meister, | Fleisch, Wurst und
Schinken aus eigener Produktion | Tel.: 06785/ 7128
Obermeister
Peter Erbach
Obermeister
Heinrich-Jür-
gen Dhein
nicht im Elektrogrill zubereitet.
„Was wir verkaufen, ist alles
vonuns selbst hergestellt.“Auch
die Hunsrücker Kartoffelwurst,
gleichfalls eine heimische Spe-
zialität aus Fleisch- und Wurst-
würfel, herzhaft abgeschmeckt
– „Wir würzen hier sowieso
alles recht pikant!“ –, und der
luftgetrocknete Schinken. Bis
der richtiggelang, erzähltGerold
Juchem, habe es vielerVersuche
bedurft. „Schließlich haben wir
ja alles andere als das optimale
Klima für die Lufttrocknung.“
Alle
Pro-
dukte,
wie hier
der Idar-
Oberstei-
ner Spießbraten,
stammen bei Ivo
Juchem aus eigener Herstellung.
Steckbrief: Fleischerei Zirwes, Wollmerath
Gegr.1998 | 10Mitarbeiter(2Meister,3Lehrl.) | Fleisch-,Wurstwaren
von eigenen Tieren | Tel.: 06867/ 1088 |
Fleischerei Zirwes: Fleisch und Wurst aus artgerechter Haltung
Hofladen und in zwei Filialen
als Fleisch undWurst direkt ver­
kauft. 1959 gründete die Familie
Zirwes den Bauernhof, 1998
begannmanmiteigenerSchlach-
tungundVermarktung,2002,ein
Jahr nach seinerMeisterprüfung
Qualität aus eigenem Stall
Auf den rauen Eifelhöhen
zeigt sich erstes Grün.
Doch bis die Rinder des
Birkenhofs in Wollmerath
wieder auf die Weide
dürfen, müssen sie noch
etwas in ihrem geräu-
migen Laufstall warten.
100 Milchkühe und 150 Jung-
bullen sind hier in Wollmerath,
das in der Nähe vonUlmen liegt,
untergebracht; letztere werden
im Alter von 16 bis 22 Monaten
in der hofeigenen Fleischerei
geschlachtet, verarbeitet und im
als Fleischer, eröffnete Zirwes
zusätzlich zumHofladen einGe-
schäft inPerl anderMosel, inder
Nähe der Grenze zu Luxemburg
und 2006 eine Verkaufsstelle in
Hermeskeil.
Zirwes, dessen Brüder Erwin
und Rainer die Landwirtschaft
betreuen, ist mit dem Gang der
Geschäfte zufrieden. „Wir haben
Kunden, die wissen wollen,
woher das Fleisch und dieWurst
stammen und die auf artgerechte
TierhaltungWertlegen.Diekön-
nen wir garantieren“, erklärt er.
Die Kühe und Bullen, darunter
Fleckvieh, Limousinrinder und
Piemonteser, bei denen, wie Zir-
wes versichert, dieFleischfasern
zarter sind als bei den weißen
Charolais-Rindern, dürfen sich
auch im Stall frei bewegen und
werden nur mit Futter von den
über 200 Hektar Grün- und
Ackerland des Birkenhofs ver-
sorgt. „Das ist besser und gün-
stiger als gekauftes Kraftfutter.“
Wahre Futterberge türmen sich
im Stall vor den Gittern, durch
die überall rupfende, zupfende,
mahlende, rotweiße, graue
Köpfe hervorschauen. „Natür-
lich können wir nicht mit den
Dumpingpreisen der Discounter
konkurrieren, aber wer Qualität
schätzt,deristbeiunsgenaurich-
tig,“betont der Fleischermeister.
In den vergangenen Wochen und Monaten sorgte er unter den
deutschen Bäckern, aber auch unter den Verbrauchern für Un-
ruhe: der Vorstoß der EU-Kommission zum Salzgehalt im Brot.
Auslöser war der schwelende Streit über sogenannte „Nährwertpro-
file“, die Auskunft darüber geben, ab wann ein bestimmter Gehalt
anKohlehydraten, Fettenoder Salzen in einemNahrungsmittel nicht
mehr als gesund deklariert werden darf.
Soferneinbestimmter Salzgehalt imBrot überschrittenwürde, dürfte
ein Bäcker nicht mehr damit werben, dass dieses Brot gesund sei.
Die endgültige Entscheidung wurde vorerst vertagt. Jetzt ist nach
massivenProtestendes deutschenBäckerhandwerks dieRededavon,
dass der ursprünglicheGrenzwert von 1 Prozent Salz imEndprodukt
indenkommenden Jahren schrittweise auf 1,5Prozent heraufgesetzt
und damit den im deutschen Brot enthaltenen Werten zwischen 1,5
und 2 Prozent angenähert werden könnte.
Brot gesund, aber kein Arzneimittel
Peter Erbach, Obermeister der Bäckerinnung
für den Kreis Birkenfeld, meint dazu: „Auch
wenn das Thema für einige Zeit vom Tisch
ist, sehen wir die Problematik nach wie vor
kritisch.“ Ein gewisser Prozentsatz an Salz
sei für das deutsche Brot wichtig, für den
Geschmack, aber auch für die Stoffwechsel-
vorgänge beim Backen. Außerdem seien die
gesundheitlichen Gefahren des Salzkonsums
selbst bei Medizinern umstritten.
Zum Problem, dass deutsche Bäcker nicht mehr mit dem Gesund-
heitsfaktor ihres Brotes werben dürften, erklärt Erbach, das spiele
eigentlich gar keine so große Rolle. „Wir sind ja keineApotheke und
unserBrot ist zwar eingesundesNahrungs-, aber keinArzneimittel.“
Vielleicht, soder Inhaber einerBäckerei in Idar-Oberstein, verstecke
sich hinter der Diskussion noch ein ganz anderer Aspekt. „Mögli-
cherweise versucht die Industrie, durch die Hintertür irgendwelche
Ergänzungs- und Zusatzstoffe ins Spiel zu bringen.“
Weniger Salz macht fade
Nicht so aufgeregt sieht auch Heinrich-Jür-
gen Dhein, Obermeister der Bäckerinnung
Rhein-Hunsrück und Inhaber einer Bäckerei
in Argenthal, die Lage. Mit seinem Kollegen
stimmt er überein, dass die Vielfalt an Brot­
sorten in Deutschland ohne Salz nicht möglich
sei. „Man müsste es mal probieren und Brote
mit dem gewohnten Salzgehalt und andere mit
weniger Salz verkosten lassen. Die meisten
würdendasweniger salzhaltigeBrot vermutlich
sehr fade finden.“
Andere Nahrungsmittel, meint Dhein, enthielten mehr Salz. „Wenn
Sie Ihr Frühstücksei essen, streuen Sie bei jedem Bissen mehr Salz
drauf als das, was im Brot enthalten ist.“ Nicht mehr werben dürfen
mit dem Gesundheitsfaktor? „Damit können wir leben. Wir haben
ja noch nie behauptet, dass unser Brot gesund macht.“ Was am
Brot gesund sei, seien seine Ballast- und Mineralstoffe. „Man sollte
ohnehin den Verbraucher nicht unterschätzen, der kann sehr wohl
beurteilen, worauf es ihm ankommt und worauf nicht.“
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