Handwerk Special Nr. 128 vom 28. März 2009 - page 25

Glaskunst von Meisterhand restauriert und repariert
Nr. 128
28. März 2009
Zerbrechliche Handwerkskunst
Winzig klein ist er, doch
er zerschneidet hartes
Glas. Ein kleiner Diamant
sitzt an der Spitze des
Glasschneiders, den
Jochem Keller in Hän-
den hält und mit dem er
langsam eine
gerade Linie auf
dem blauen Glas
hinterlässt.
„Früher musste jeder
Glasmalergeselle solch
einen diamantenen Glasschnei-
der besitzen. Heute haben sechs
Schneiderädchen den Platz des
Diamanten eingenommen“,
erzählt der Glasermeister, der
1998 den Betrieb seines Vaters
Reiner in Höhr-Grenzhausen
übernahm. Jetzt nur noch ein
gezielter Ruck und das Glas
ist säuberlich zerteilt. „Bis in
die 70er Jahre ist mit sakraler
Kunst eher rüde verfahren wor-
Glasermeister Jochem Keller ist Spezialist für die Restaurierung von Kirchenfenstern
Das Glashandwerk vorgestellt
Steckbrief: Glasmalerei J. Keller, Höhr-Grenzh.
Gegr. 1956 | 3Mitarbeiter (2Meister) | Glasmalerei, Glasbruchrepara-
turen,Restaurierung | Tel.:02624/7208 |
Wenn Glasermeister
Udo Denker seinen
Brenn-Ofen anschaltet,
herrschen Tempera-
turen von 580 Grad
Celsius und darüber.
Denn nur dann verbinden sich
die Glasschmelzfarben mit der
Glasoberfläche und es entsteht
die Grundlage für das spätere
Farbenspiel.
Udo Denker und das Glaserhandwerk
„Im Mittelalter war das Hand-
werk des Glasmalers einer der
angesehensten Berufe“, weiß
Udo Denker, der sich an der
staatlichen Glasfachschule in
Hadamar zumGlasmaler ausbil-
den ließ. Heute sei die künstle-
rische Seite in den Hintergrund
gerückt und stattdessen das
technische Können gefragt. Um
sich auch hier mit Fachwissen
auszuzeichnen, qualifizierte er
sich zum Glasbautechniker und
erarbeitete sich den Meistertitel
im Glaserhandwerk. In den 21
Jahren, die Udo Denker nun
schoninNisterauimWesterwald
selbstständig ist, habe sich der
„Glas-Geschmack“ erheblich
geändert. Waren zu Beginn
noch Glastüren mit fantasie-
vollen Sandstrahlmotiven oder
Bleiverglasungen gefragt, so
werdendieseVerglasungen jetzt
eherseltenangefertigt.„Geomet-
rische Formen liegen im Trend.
Es gibt aber auch Anfragen nach
individuellen Buntglasfenstern,
die in Haustüren eingebaut wer-
den oder in Wartezimmern für
Abwechslung sorgen“, berichtet
der54-jährigeGlasermeister,der
für einen Kinderarzt ein Motiv
mit bunten Fischen entwarf. Seit
Steckbrief: Glaserei Denker, Nisterau/WW
Gegr. 1988 | 1 Meister, 1 Geselle | Kunstglaserei, Reparatur-, Sand-
strahlarbeiten, Glasbau | Tel.: 02661/ 1671 |
Fast unbegrenzt sind die Möglichkeiten,
die der Werkstoff Glas bietet. Wer sich
damit auch beruflich beschäftigen will,
der ist im Handwerk genau richtig.
Drei Handerksberufe stehen zur Auswahl: Glaser, Glasveredler und
Glasapparatebauer. Der vormals selbstständige Beruf des Glas-
malers ist seit dem 1. August 2004 mit dem Beruf des Glas- und
Porzellanmalers zum neuen Ausbildungsberuf des „Glasveredlers“
zusammengefasst worden. Die Glasveredlerausbildung erfolgt in
den Fachrichtungen „Kanten- und Flächenveredlung“, „Schliff und
Gravur“ und „Glasmalerei und Kunstverglasung“. Nach der Gesel-
lenprüfungbestehtbeispielsweisedieMöglichkeit,durchdenBesuch
einer Fachschule in Form eines zweijährigen Vollzeitstudiums den
Abschluss zum staatlich geprüften Techniker der Fachrichtung
Glastechnik mit verschiedenen Schwerpunkten zu erwerben. Der
anschließende Schritt zum Meistertitel wird dadurch vereinfacht,
dass nach erfolgreichemAbschluss der Technikerprüfung der fach-
theoretische Teil der Meisterprüfung erlassen wird.
Weitere Infos zu den Ausbildungsberufen im Handwerk bei der
HwK-Ausbildungsberatung, Tel.: 0261/ 398-323, Fax: -989, E-Mail:
Meister des Farbenspiels
Ob Löcher oder ver-
blasste Farben: Glas-
maler verhelfen Kir-
chenfenstern zu altem
Glanz zurück.
einigen Jahren steht ihm Sohn
Christoph zur Seite und wird
später einmal den Betrieb über-
nehmen. „Aber vorherwerde ich
meinen Meistertitel erwerben“,
ist sich der 22-Jährige sicher.
Glasmaler Udo Denker sind
Restaurierungsarbeiten an Kir-
chenfenstern eine willkommene
Herausforderung. Wenn Steine,
Fußbälle oder der Zahn der Zeit
sakrale Fenster verblassen las-
sen,istdasGeschickdesMeisters
gefragt. Sind alle Reparaturen
abgeschlossen, fehlen nur noch
Als gelernter Glasmaler
restauriert Udo Denker
kaputte Kirchenfenster.
Kunstvolle Fenster, wie
hier von Christoph Den-
ker angefertigt, fangen
das Sonnenlicht ein.
Glasmalerei
Die Glasmalerei hat
eine lange Tradition.
Wahrscheinlich im sassani-
dischenPersien (die heutigen
StaatenIranundIrak)entstan-
den, setzten schon die Römer
im 1. Jahrhundert n. Chr.
Scheiben mit Glasmalerei in
ihre Thermen ein.
den. Kunstvolle Kirchenfenster
wurden bei Umbauten einfach
abmontiert und weggeworfen“,
weiß Jochem Keller, der sich an
der staatlichen Glasfachschule
in Hadamar zum Glasermeister
ausbilden ließ. Erst Mitte der
70er Jahre entwickelte sich die
Wertschätzung für dieKunst der
Jahrhundertwende.„Danachwar
die Nachfrage nach Restaurie-
rungsarbeiten anKirchenfenster
so hoch, dass ich damals in den
BetriebmeinesVaters eingestie-
gen bin.“
Bis dahin hatte Jochem Keller
eigentlich einen anderen Weg
eingeschlagen und sich für die
Landwirtschaft entschieden.
„Ich bin dann bei meinem Vater
in die Lehre gegangen und habe
1981 meine Gesellenprüfung
zum Glasmaler abgelegt“, erin-
nert sich der heute 50-Jährige.
Der Weg der Familie Keller zur
GlasmalereiführteüberUmwege
undbegannmitGroßvaterEugen
Keller. Als gelernter Maler und
Bildhauerengagierteersichnach
dem Zweiten Weltkrieg in der
Gestaltung von Taufbecken und
Kirchenfenstern. Schon 1927
hatteihneinefesteAnstellungals
Gestalter nach Höhr-Grenzhau-
sen imWesterwaldgelockt. Eine
Generation später entdeckte sein
Sohn Reiner seine Leidenschaft
für Keramik und Gestaltung.
„Um 1960 kam der Trend zu
Betonverglasungen auf. Mein
Vater hat mit seinem Wissen
über Keramik und Glas eine ei-
gene Methode dafür entwickelt,
was ihm zahlreiche Aufträge
einbrachte“, erzählt Jochem
Keller. Auch im Ausland ist die
Kellersche Handwerkskunst zu
bewundern: Bis in die USA, Ka-
nada,PortugalundSkandinavien
haben es ihre Kirchenfenster
geschafft. Und mit ein bisschen
Glück profitieren auch bald die
Fenster von Schloss Stolzenfels
von ihrem Können.
Entsprechend
der Vorlage (o.)
schneidet Jochem Keller
die Glasstücke (l.) zu.
Stück für Stück ensteht
ein neues Buntglas-
fenster. Blei (l.) verbin-
det die Glasstücke.
die Sonnenstrahlen und die Bil-
der erwachen zum Leben.
Glas-
schneider
1...,15,16,17,18,19,20,21,22,23,24 26,27,28
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