Handwerk Special Nr. 128 vom 28. März 2009 - page 17

Straßenbauerhandwerk – Lehrlinge helfen Kindern in Kenia
Nr. 128
28. März 2009
Wasser für Kenia
„Ihre“ Schule – das sind
gleich zwei: die Berufs-
bildende Schule (BBS)
Betzdorf/Kirchen mit
der Straßenbauer-Klas-
se von Lehrer Norbert
Rink und die „Mirisa
Academy“ für die Kinder
von Nakuru in Kenia.
Seit vier Jahren gibt es
die Patenschaft vom Wes-
terwald zum schwarzen
Kontinent. Nach dem Bau
eines Wasserbehälters und
der 4 km langen Anschluss-
leitung gingen Anfang 2007
15 Straßenbauer-Schüler
der BBS mit ihrem Lehrer
und dem Lehrlingswart
der Straßenbauer-Innung
Koblenz Paul Sauer daran,
eine Vorschule bei Nakuru
imWestenKenias zu bauen.
Straßenbauerlehrlinge und „ihre“ Schule
Kunst zum Betreten
„Unser Spezialgebiet ist
das Pflastern mit Natur-
steinen. Damit gestalten
wir Kunst, die man be-
treten kann“, beschreibt
Paul Sauer sein Hand-
werk. Gemeinsam mit sei-
ner Schwester Elisabeth
Sauer-Kirchlinne leitet der
Straßenbauermeister seit
1982 eines der ältesten
Koblenzer Familienun-
ternehmen im Tiefbau
in zweiter Generation.
DieWurzelndes 1953gegründe-
tenBetriebes lassen sich bis zum
Ende des ErstenWeltkrieges zu-
rückverfolgen, als Arbeiter wie
der Großvater noch mit Hacke,
Schaufel und einem Wasserfass
zu Fuß zur Baustelle aufbrechen
mussten. ImKoblenzer Stadtbild
gibt es bis heute Referenzen
der Sauerschen Pflasterkunst,
etwa am Florinsmarkt, an der
Liebfrauenkirche oder vor der
Jugendherberge auf dem Ehren-
breitstein.Heute erleichternMa-
schinen die Arbeit – ein Grund,
warum der Personalbestand
in den Straßenbauerbetrieben
zurückgegangen ist.
Bauunternehmung Sauer: Engagement für Ausbildung und Soziales
Steckbrief: Willi Sauer GmbH&Co. KG, Koblenz
Gegr. 1953 | 35Mitarb. (5M., 3 L.) | Straßen-, Tief- u. Kanalbau, Na-
tursteinpflaster | Tel.: 0261/ 66066 |
Preiswert oder
den Preis wert?
Langlebigkeit kennzeichnet
traditionell verlegtes Natur-
steinpflaster. Nur noch wenige
Betriebe beschäftigen Fachar-
beiter, die diese Technik beherr-
schen und das geübte Auge sieht
schnell, ob eineArbeit sach- und
fachgerecht ausgeführt wurde.
Die Voraussetzungen beginnen
bereits mit der Ausschreibung.
Paul Sauer: „In früheren Jahren
waren in der Ausschreibung
alle Details wie Steinsorte, Un-
terbau oder Verfugung sowie
die jeweiligen Arbeitsschritte
einzeln beschrieben. Heute wird
vieles zusammengefasst, präzise
Vorgaben beispielsweise für die
physikalischen Eigenschaften
desSteinmaterials fehlenmeist.“
Eine sorgfältig ausgeführte
Pflasterarbeit mit Natursteinen
Im Detail
starr oder homogen
In der Natursteinpflasterei unterscheidet man zwischen
starrer und homogener Bauweise. Bei der ersten werden
die Steine über einer Tragschicht aus Drainbeton in drain-
fähigem – wasserdurchlässigem – Bettungsmörtel versetzt
und mit einem Spezialmörtel verfugt. Die homogene
oder ungebundene Bauweise baut auf einer Frostschutz-
schicht aus Basaltschotter auf, die Pflastersteine werden
in eine Bettung aus einem Mineralgemisch versetzt und
mit Brechsand eingeschlemmt. Diese Bauweise eröffnet
deutlich mehr individuelle Gestaltungsmöglichkeiten und
kommt heute vor allem im privaten Sektor zum Einsatz.
ist aufwendig und teurer alsVer-
bundsteinpflaster –dankt es aber
durch ihreLanglebigkeit. Neben
der sogenannten homogenen
Bauweise (s. Info) kommt heute
auch eine Pflasterverlegung in
starrer Bauweise zur Ausfüh-
rung; diese allerdings verzeiht
keineFehler.„LöstsicheinStein,
kommt es zumDomino-Effekt“,
erläutert der 50-Jährige.
Damit die alte Handwerkskunst
nicht verloren geht, hat sich
die Straßenbauerinnung dafür
stark gemacht, dass in den
überbetrieblichen Lehrgängen
der Handwerkskammer dem
Pflastern ein fester Platz zu-
kommt. „Unsere Lehrlinge sind
dort gut aufgehoben, weil die
Ausbildungsmeister der HwK
diesesKnow-howbeherrschen“,
sagt Paul Sauer, Lehrlingswart
der Koblenzer Innung und
Vorsitzender des Gesellenprü-
fungsausschusses.
Das Engagement für den beruf-
lichen Nachwuchs – die Sauers
stellen jedes Jahr einen Lehrling
ein – findet seine Ergänzung im
sozialen Bereich. Meister Paul
Sauer engagiert sich seit mehr
als 15 Jahren in Entwicklungs-
projekten (s. nebenstehenden
Artikel), seine Schwester Eli-
sabeth als Präsidentin für den
„Zonta Club Koblenz I“
r sich für
die Stärkung von Frauen in
Beruf und Gesellschaft und die
Heranführung Jugendlicher an
die Berufswelt einsetzt.
Seit dem Sommer 2007 gibt es
in der „Mirisa Academy“ für
65 Kinder im Alter von 3 bis 6
Jahren nicht nur Bildung, son-
dern auch Frühstück und eine
warme Mahlzeit – gesichert
durch Patenschaften, die die
Betzdorfer eingeworben haben.
Nach dem Ende der Unruhen in
Kenia hat sich im Februar 2009
dieBetzdorferGruppewiederfür
18Tage nachKenia aufgemacht.
„Wir waren überwältigt, wie
lebendig der Schulbetrieb läuft.
Die Kinder lernen diszipliniert
und engagiert. Unsere Probleme
hier in Deutschland relativieren
sich angesichts der dortigen Er-
fahrungen“, fasst Paul Sauer die
jüngsten Eindrücke zusammen.
Timo Tielmann aus Friedewald
bei Daaden, seit Sommer 2008
in der Straßenbauerlehre bei
Paul Sauer
und seine
Schwester
Elisabeth be-
gutachten die
homogene
Pflasterei vor
der Jugend-
herberge auf
dem Ehren-
breitstein.
Gebrüder Schmidt
in Kirchen-Freus-
burg, hat sich gleich
von Norbert Rink
begeistern lassen.
„Mit der Ankunft
in Kenia waren wir
mitten in einemsehr
schönen Land, aber
Fernsehen“, er-
zählt der 17-Jäh-
rige. Die Freude
und Dankbarkeit
in den Augen der
Kinder sind ihm
lebendig in Er-
innerung. Beim
Aufbau eines
Spielplatzes mit
Kletternetz, Rut-
sche und Schau-
keln an der Mi-
risa, den sie mit-
gebracht haben, dem Bau eines
Wassertanks aus Ferrozement
auf dem Schulgelände und wei-
teren Installations- undVerschö-
nerungsmaßnahmen „mussten
wir viel improvisieren. Aber zu
wissen, wofür man’s macht, ist
eine sehr starke Motivation“.
Die Materialien finanzieren
sich aus Spendengeldern. Die
Kosten fürReise undUnterkunft
– „es war mehr als das, was ich
sonst für einen Urlaub ausgeben
Weitere Infos unter
oder
Norbert Rink (l.)
und Paul Sau-
er am fertigen
Wasserbehälter.
auch inderArmut.Das kannman
dann nicht wegzappen wie im
Timo Tielmann (3.v.l.) und die Lehr-
lingsgruppe freuen sich mit den
Kindern über das vollbrachte Werk.
würde“, so Timo
Tielmann – tra-
gen die Lehr-
linge selbst.
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