Handwerk Special Nr. 127 vom 31. Januar 2009 - page 25

Auf dem Hunsrück wird traditionsreiches Handwerk gepflegt
Nr. 127
31. Januar 2009
„Mechanische
Uhren boomen
wieder, der
Trend geht zur
Langlebigkeit.
Unser Beruf hat
Zukunft, Spe-
zialisten werden
immer gebraucht!“,
weiß Uhrmachermeister
Hans-Jochen Petzold.
Die Uhr
be-
stimmt
den
Tages-
ablauf,
also
muss
sie „richtig
ticken“. Bei Stö-
rungen nimmt sie der Uhrmacher
sprichwörtlich unter die Lupe. Er
I
nfos
braucht dafür nicht nur umfassendes Know-how in aktuellen
Technologien, sondern auch eine ruhige Hand und Geduld für
die Präzisionsarbeit an winzig kleinen Rädchen, Spiralen und
Hebelchen. Die meiste Zeit verbringt der Uhrmacher an seinem
Werktisch, an dem er selbstständig seine Fertigkeiten in Fein-
mechanik, Elektronik und Werkstoffbearbeitung anwendet. Er
braucht aber auch Einfühlungsvermögen und Stilsicherheit für
die Kunden, die bei ihm ihren Zeitmesser erwerben.
Informationen zu allen Fragen rund um die Lehre im
Handwerk bei der HwK-Ausbildungsberatung, Tel.: 0261/
398-323, Fax: -989, E-Mail:
Tickt für sein Handwerk
„Hier war und ist mein
Handwerk wirklich ge-
fragt!“ Grund genug für
Uhrmachermeister Hans-Jo-
chen Petzold und seine Frau
Sabine, beide aus Minden in
Westfalen, auf den Huns-
rück überzusiedeln.
Meister Petzold führt Sohrener Uhrenwerkstatt in 2. Generation
1986 hat das Paar
Werkstatt und
Geschäft des
heute 84-jäh-
rigen Uhrma-
chermeisters
Helmut Krech-
ter übernom-
men. Dieser
hatte 1949 – im
Gründungsjahr
der Bundesre-
publik – seinen
Betrieb nur ein
paarHäuser nebendemheu-
tigenStandort inderHauptstraße
von Sohren eröffnet. Die 60-
jährige Unternehmensgeschich-
te ist bis
heute von
Kontinui-
tät geprägt,
wobei die
Reparatur
als Kern des
Uhrmacher-
handwerks
immer ei-
ne zentrale
Rolle ge-
spielt hat.
Know-how des
‘sperrige’ Exemplare
auch zu Hause beim
Kunden, egal ob im
Rhein-Main-Gebiet,
an Nahe oder Mo-
sel.“ Außerdem hat
er im Stammhaus von
Augenoptikermeis-
ter Peter Hoffmeister
in Traben-Trarbach,
der in der Sohrener
Nachbarschaft eine
Filiale betreibt, eine
Uhrreparatur-Annah-
me eingerichtet.
„Waren es bis Mitte der 1990er
die Amerikaner vom Hahn, die
nach ihren Erzählungen in den
50er/60erJahrenvielealteUhren
vom Sperrmüll gerettet haben,
sind es heute Spätaussiedler, die
ihre Erbstücke pflegen lassen.
Und natürlich auch Mitarbeiter
und Touristen vom Flughafen,
die in Sohren leben oder eine
Zwischenstation einlegen, fin-
den zu uns“, sieht Hans-Jochen
Petzold Potenziale für die Zu-
kunft.
Uhrmacher
Beruf mit Zukunft
... zu freien Lehrstellen im Internet:
Meisters gefragt
Stolz präsentiert Hans-Jochen
Petzold in seinem Laden eine
mehr als 200 Jahre alte englische
Standuhr, der er das Laufen
wieder beigebracht hat.
„Da kann es durchaus drei
bis vier Monate dauern,
bis solche Liebhaberstü-
cke wieder absolut genau
und zuverlässig ticken.
Schließlich stehen wir mit
unserer Gewährleistung für
derenFunktiongerade.“Mit
Blick auf eine italienische
Wanduhr aus der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts
verweist er darauf, „dasswir
für dieses Schmuckstück
auch Teile rekonstruieren
müssen“ – Handwerk pur!
Mundpropaganda nach er-
folgreicher Arbeit ist für
ihn die beste Werbung.
„Uhren, bei denen eine
Reparatur lohnt, gibt es ge-
nug und ich begutachte
Steckbrief: Juwelier Petzold, Sohren
Meisterwerkstatt, gegr.1949, Übern. 1986 | 2 Mitarbeiter | Uhren,
Schmuck, Gravuren | Tel.: 06543/ 3300 |
Gezielte Suche
nach einem Betrieb
Der 48-Jährige hat sein
Handwerk von Grund auf
gelernt und bei seinem
LehrmeisterauchEinblicke
in die Goldschmiedekunst
gewonnen. Nach Bundes-
wehr und drei Gesellenjahren
– in dieser Zeit hat er seine Frau
Sabine kennen gelernt, die bei
einem Mitbewerber als gelernte
Fachverkäuferin beschäftigt
war –, hat er die Meisterschu-
le mit dem Ziel besucht, sich
selbstständig zu machen. „In
Fachzeitschriften hatte ich drei,
vier Betriebe gefunden. Bei
Meister Krechter hat gleich die
Chemie gestimmt und seine
helle Werkstatt war ein klares
Plus. In den ersten Jahren nach
der Übernahme stand er mir mit
Rat und Tat zur Seite, sodass ich
seine Arbeit fließend fortsetzen
konnte.“
Und wie fühlt sich ein West-
fale auf dem Hunsrück? „Über
unser Engagement im hiesigen
Gewerbe- und andere Vereinen
haben wir schnell Fuß gefasst.
DenHunsrückern sagtmanwohl
nach, dass sie stur wären – aber
das können die Westfalen noch
besser. Nein, wir sind längst
heimisch geworden ...“
Mechanik der italie-
nischen Uhr um 1670.
Hans-Jochen Petzold
meistert die Reparatur
von jahrhundertealten
Uhren.
Die Liebe zum Detail ist für Uhrmachermeister Hans-
Jochen Petzold in seinem Beruf unabdingbar.
Die Hauptstraße in Sohren Mitte der 1950er Jah-
re – eine gute Adresse auch unter Petzolds Vor-
gänger, Uhrmachermeister Helmut Krechter.
1...,15,16,17,18,19,20,21,22,23,24 26,27,28
Powered by FlippingBook