Handwerk Special Nr. 118 vom 1. September 2007 - page 5

Interessenvertretung für das Handwerk auf Bundesebene
Nr. 118
1. September 2007
„Das Wort eines Handwerkers zählt“
„Das Wort eines Hand-
werkers zählt“ und ist
„durchaus eine Basis“
für das Handeln auf
„manchmal dünnem po-
litischem Eis.“ Davon ist
Otto Kentzler, Präsident
des Zentralverbandes
des Deutschen Hand-
werks (ZDH), überzeugt.
Der gelernte Klempner und
Installateur ist seit Januar 2005
oberster Repräsentant der
923.000 Handwerksbetriebe in
Deutschland mit ihren fast fünf
Millionen Beschäftigten und
500.000Lehrlingen.Gemeinsam
mit Sohn Heiko führt er den
1872 in Dortmund gegründeten
Familienbetrieb für Bedachung
undBauklempnereiindervierten
und fünften Generation.
TrotzseinesvollenTerminkalen-
ders findet Kentzler Zeit für ein
Gespräch. Er verrät dabei auch
Privates. Beim gemeinsamen
Gang über sein Betriebsgelände
bückt er sich und hebt einen
Schraubenschlüssel auf - „Bares
Geld“,schmunzelter.Manspürt,
Otto Kentzler beherrscht den
Spagat, den er als Unternehmer
undFunktionärmachenmuss.16
Tage des Monats ist er in Berlin,
erwogen dort zu leben hat er
aber nie. Die Bodenhaftung hat
der Dortmunder mit „Leib und
Seele“, weil hier geboren und
verankert, nie verloren. Dass der
Vater nur selten im Betrieb ist,
findet Sohn Heiko „gar nicht so
schlimm“. „Es schafft Freiraum
für eigenständiges Handeln und
ein Lob von ihm spornt an“, so
der 34-Jährige.
Hohen Anspruch
an sich selbst stellen
„Einen Königsweg für erfolg-
reiches Bestehen am Markt“
sieht Kentzler nicht. Er ist aber
sicher, dass „die Handwerks-
betriebe nie aufhören dürfen,
Ansprüche an sich selbst zu
stellen“. „Meisterbetriebe müs-
sen selbstbewusst auftreten und
dabei auf traditionelle Hand-
werkstugenden setzen: Höflich-
keit, Sauberkeit, Pünktlichkeit,
Kundenorientierung und Pro-
blemlösungskompetenz“, betont
er. „Ich sage zu meinen Leuten
immer: ‚Ein undichtes Dach
ruiniert denRuf, denwir mit 100
dichten aufgebaut haben.’ Fehl-
verhalten spricht sich weit eher
rum als gute Leistungen. Dazu
zählt auch, Kunden nicht war-
Im Gespräch mit Otto Kentzler, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks
ten zu lassen oder die Ankunft
irgendwann zwischen acht und
zwölf anzukündigen“, erklärt
er. „Wir müssen verlässlich und
pünktlich arbeiten und durch
KooperationenDienstleistungen
aus einer Hand anbieten. Die
Menschen fordern mehr denn je
individuelleArbeitenmit hohem
Dienstleistungsanteil.Darinliegt
unsere Stärke. Je breiter ein
Handwerker aufgestellt ist, desto
wettbewerbsfähiger ist er.“
Technisches und betriebswirt-
schaftliches Know-how sind für
Otto Kentzler, der auchMaschi-
nenbau-Ingenieur ist und dessen
SohnHeiko nach der Klempner-
lehreBetriebswirtschaft studiert
hat, für den Handwerksbetrieb
auch in Zukunft gleichermaßen
notwendig. Wichtig ist für ihn
„Qualifizierung des Einzelnen,
des Kopfes“ schlechthin. Er
verweist diesbezüglich auf das
umfangreiche Weiterbildungs­
angebot der Handwerkskam-
mern und Fachverbände. In der
beruflichen Bildung sieht der
ZDH-Präsident für viele
den
Weg, beruflich voranzukom-
men. „Der Meister braucht sich
hinter einem Akademiker nicht
zu verstecken“, sagt er und plä-
diert dafür, die verschiedenen
Imagekampagnen für den Wert
der Fortbildung zum Meister in
jedem Fall fortzusetzen und zu
vertiefen.
Mehr Respekt vor der
beruflichen Bildung
Ihn „regt auf, wenn von Hoch-
schulabsolventen,gleichwelcher
Fachrichtung, über denBachelor
oder Master Professional als
einen Abschluss der beruflichen
Bildung gelächelt wird“. „Da
werde ich regelrecht wütend.
Eine persönliche Qualifikation
darf nicht in Frage gestellt
werden, gleich, aus welcher
Richtung sie kommt“, betont
er. Wenn er das sagt, funkeln
seine Augen und er sagt es mit
seinerihmeigenenLeidenschaft.
„Aus der Seele“ spricht man
Kentzler auch, wenn es generell
darum geht, die Anerkennung
des Meisterbriefes europaweit
nach vorne zu bringen. Er lobt
in diesem Zusammenhang das
Engagement mehrerer Kam-
mern, so beispielsweise das der
Handwerkskammer Koblenz,
die sich seit Jahren für die Ent-
wicklung von Handwerk und
Mittelstand im östlichen Europa
engagiert. „Ich hoffe, dass das in
Bulgarien Erreichte bleibt und
ausgebaut wird“, sagt er und rät
zu Geduld.
ich die Bundeskanzlerin darum
bitte, bekomme ich auch ein
Treffen im kleinsten Kreis“,
lacht er. „Mir geht es aber nicht
umHierarchien. Ichwendemich
an Leute, die mitentscheiden,
undappelliere immer: ‚Lasst den
Mittelstand atmen!’“
Kammern können
voneinander lernen
Otto Kentzler erzählt, dass er oft
noch erlebt, dass der „Mann auf
derStraße“Handwerkehertradi-
tionellwahrnimmt.„Erverbindet
mit dem Handwerk den Bäcker
oder Fleischer um die Ecke und
weiß nicht, dass Hightech in
vielen Handwerksbranchen gar
nicht mehr wegzudenken ist.
Hier gibt es noch viel zu tun. Die
Kammern sind hier gefragt, in
Öffentlichkeitsveranstaltungen
immer wieder auf das große
Potenzial des Handwerks hin-
zuweisen.“
„Das Handwerk befindet sich ja
in einemProzess der Organisati-
onsreform. Wir haben dazu ein
Benchmark-System als ein Ins-
trumentderWettbewerbsanalyse
aufgebaut. Das würde ich gern
beschleunigen,umdieKammern
und Verbände untereinander in
die Lage zu versetzen, sich zu
vergleichen und im positiven
Sinn voneinander zu lernen. Es
ist wichtig zu sehen, wo Leis-
tungsangebote ausbau- und ver-
Wie kann er am besten
entspannen? Seine Familie
ist der Zusammenhalt, das
sichaufeinanderVerlassen-
können ist ihmsehrwichtig,
obwohl „die Zeit dafür
oft knapp, dafür aber sehr
Geboren 1942 in Dortmund,
verheiratet, zwei Kinder,
Lehre und Gesellenprüfung
als Klempner und Instal-
lateur, Studium des Allge-
meinen Maschinenbaus und
Abschluss als Diplom-In-
genieur, geschäftsführender
Gesellschafter der Firma
Kentzler GmbH & Co. KG.
Seit 1994 Präsident der
Handwerkskammer Dort-
mund, seit 2005 Präsident
des Zentralverbandes des
Deutschen Handwerks.
Zur Person:
intensiv ist“. Beim Hören von
klassischer Musik kann er total
abschalten.OttoKentzleristkein
Machtmensch. ImGegenteil, die
Anrede „Herr Präsident“ liegt
ihm nicht. Er schätzt es, immer
wieder mit den Handwerkern
in den Betrieben über ganz all-
tägliche Dinge zu sprechen. Er
ist einer von ihnen, ein Mann
der Basis. „Hier bekomme ich
Impulse, das treibt mich an und
die Leute spüren das.“
Dagegen hasst er „Menschen
mit Janusgesichtern, die anders
reden, als sie denken, falsche
Dienstbeflissenheit, Wichtigtu-
erei“. Als Unternehmer ärgert
ihn vor allem die zunehmende
mangelnde Zahlungsmoral.
„Dadurchwirduns die für Inves-
titionen und Finanzierung von
Aufträgen so notwendige Liqui-
dität entzogen.“ Er kann schon
mal „auf den Tisch schlagen“,
wenn „innerbetrieblich etwas
nicht rund läuft. Dann jammere
ich aber nicht, sondern ziehe die
Karre auch aus dem Dreck“.
Als Stärke nennt er seine Glaub-
würdigkeit, die „ich auch da-
durch erworben habe, weil ich
das Fähnchen nie nach dem
Wind hänge“. Er kann zuhören
und hofft, dass die alten schon
zitierten Werte Geradlinigkeit,
Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und
Solidität auf ihn zutreffen. Als
Stärke und Schwäche zugleich
wertet er seine „zu großeGenau-
igkeit“, den „Dingen zu pingelig
aufdenGrundzugehen“.„Meine
Frau hat dafür einen bekannten
Ausdruck parat, den ich aber
hier nichtwiedergebenmöchte“,
lacht er. Entspannung findet
er bei Kurzurlauben, drei bis
viermal im Jahr. Dann wandert
er sehr gern in Kärnten oder
unternimmtbeispielsweiseFahr-
radtouren in der Normandie.
Der ZDH-Präsident bekennt,
dass er imPolitikbetrieb„gelernt
hat, geduldiger zuwerden“. „Ich
bin es alsUnternehmer gewohnt,
Entscheidungen zu treffen, die
meist unmittelbar greifen. In
Berlin ist das anders. Damuss an
vielen Rädchen gedreht werden,
bevor etwas passiert.“ Er betont
aber den „guten Zugang“ nicht
nur zu Kanzlerin und Vizekanz-
ler, sondern zu allen Ministern.
„Wenn es darauf ankommt und
besserungsfähig sind. Das ist in
der Privatwirtschaft Normalität.
DasBenchmark-Systembewirkt
ein sich miteinander Weiterent-
wickeln. Jeder sieht, wo er steht,
wie es andere machen.“
Persönliche Stärken
und Schwächen
Was liebt Otto Kentzler und was
nervt ihn? Was gefällt ihm an
sich und was mag er gar nicht?
Rückkopplung zur Basis: Otto Kentzler (r.) mit
Sohn Heiko in seinem Dortmunder Betrieb ...
... und im Gespräch mit HwK-Präsident Karl-Heinz
Scherhag bei der Meisterfeier in Koblenz 2006.
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