Handwerk Special Nr. 115 vom 10. Februar 2007 - page 3

Aktuell: Lehrstellenplus / Veranstaltungstipps
10. Februar 2007
Nr. 115
Deutlich mehr Lehrstellen
Im Interview: HwK-Präsident Karl-Heinz Scherhag zur Berufsbildung
Das Handwerk mit sei-
ner Berufsvielfalt bie-
tet jungen Menschen
zahlreiche Perspekti-
ven. Dass dies kein
Slogan für Sonntags-
reden ist, machen die
Zahlen der Lehrlings-
rolle deutlich: 2006
stieg die Zahl der neu
abgeschlossenen
Lehrverträge um 5,1
Prozent auf 3.656.
Hinzu kommen 438 Verträge
für „Einstiegsqualifizierungen
für Jugendliche“ (EQJ) – auch
dank der zusätzlich bereit ge-
stellten Mittel der Arbeitsagen-
turen ein Plus von 36 Prozent –,
die zu deutlich mehr als 60 Pro-
zent in einen regulären Lehr-
vertrag münden.
Handwerk Special sprach mit
HwK-Präsident Karl-Heinz
Scherhag, der als selbstständiger
Kfz-Meister seit Jahren seinen
eigenen Beitrag in Betrieb und
Ehrenamt für den Berufsnach-
wuchs leistet, über die Chancen
der Berufsausbildung im Hand-
werk und notwendige Schritte,
sie zu modernisieren.
Herr Scherhag, das Hand-
werk blickt optimistisch in die
Zukunft, die Konjunktur-
kurve weist nach oben. Zieht
sie die Ausbildungsbereit-
schaft nachhaltig mit?
Unternehmenserfolg und Aus-
bildungsbereitschaft sind keine
Selbstläufer. Hinter jedem Auf-
trag und jeder Lehrstelle steht
das persönlicheEngagement un-
serer Betriebe, der Einsatz der
Meister und ihrer Mitarbeiter.
Deshalb gilt ihnen zu allererst
unser Dank. Wenn wir immer
wieder betonen, dass das Hand-
werk seiner gesellschaftlichen
Verantwortung überdurch-
schnittlich gerecht wird, ist dies
keine Floskel, sondern wesent-
licher Bestandteil des hand-
werklichen Selbstverständnis-
ses, seiner Unternehmensphi-
losophie. Zum Handwerk ge-
hört untrennbar die Ausbildung,
die Weitergabe des Könnens
und Wissens an die nächste Ge-
neration und damit die Investi-
tion in die Zukunft des eigenen
Betriebes und Lebenswerkes.
Darüber hinaus gehört zum
Handwerk das ehrenamtliche
Engagement für die Jugend, sei
es in den Prüfungsausschüssen
oder in den Aufgaben der Kreis-
handwerkerschaften und Innun-
gen.
Dennoch steuert auch das
Handwerk auf einen Mangel
an Fach- und Führungskräf-
ten zu. Wo sehen Sie Bedarf
für eine Neuausrichtung in
der Berufsbildung?
Wie alle Wirtschaftszweige
braucht auch das Handwerk
hoch qualifizierte, flexible und
motivierte Mitarbeiter, um den
Anforderungen der sich immer
schneller wandelnden Märkte
gerecht zu werden. Dafür ver-
mittelt unser Duales Berufsbil-
dungssystem die erforderlichen
Grundlagen, denn die Lehrlin-
ge sind vom ersten Tag an in die
Arbeit im Betrieb und beim
Kunden eingebunden und kön-
nen sich marktnah bewähren.
Was gut ist, kann immer noch
besser werden: Das Handwerk
möchte an einer soliden Grund-
ausbildung festhalten, diese aber
im Verlauf der Ausbildung mit
flexiblen Aufbaumodulen er-
gänzen, in denen Spezialfertig-
keiten vermittelt werden.
Haben Lernschwächere in
der immer anspruchsvoller
werdenden Berufswelt des
Handwerks noch eine echte
Chance?
Uneingeschränkt ja! Damit das
Handwerk auch weiterhin Kar-
rieren ermöglichen kann, die
auf unterschiedlichen Niveaus
der Schulbildung aufbauen,
brauchen wir genau dieses Kon-
zept der breiten Grundbildung
plus Aufbaumodule für beson-
dere Kenntnisse und Fertigkei-
ten. Das gesamte System wird
dadurch durchlässiger. Dabei
dürfen wir auch die andere Sei-
te der Bildungsdiskussion nicht
vergessen, die Perspektiven
für leistungsbereite und -fä-
hige Handwerker, die den
Weg vom Hauptschüler
über den Handwerks-
meister bis zum Di-
plom-Ingenieur oder -
Betriebswirt gehen
möchten. Wir kön-
nen und dürfen uns
eine ausschließende
Konkurrenz zwi-
schen betrieblicher
und akademi-
scher Berufs-
bildung im
größer ge-
w o r d e n e n
Europa nicht
mehr leisten.
Drei von rund
10.500 jungen
Leuten, die im
Handwerk ihre
Berufskarriere
starten: Stra-
ßenbauer Björn
Bröder, Bäcker
Osman Nabil
und Kfz-Me-
chatronikerin
Julie Leclaire.
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