Handwerk Special Nr. 106 vom 16. Juli 2005 - page 23

Nachgefragt bei Kirche, Schule und Handwerk
16. Juli 2005
Nr. 106
Kevin Kaiser, Kfz-Mecha-
nikerlehrling im Autohaus
Kröninger, Birkenfeld
Ich bin evangelisch. Der
Religionsunterricht soll
helfen, Antworten auf Fra-
gen Suchender zu geben.
In der Grund- und Haupt-
schule ist er aus meiner Sicht
deshalb wichtig.
In der Berufsschule fällt
ohnehin schon sehr oft Un-
terricht aus. In den Religi-
onsstunden müsste es dann
besser berufstheoretische
Vertretung geben.
rer Gesellschaft bewahren“, so
Dröge. Das müsse natürlich in
einer „AtmosphärederToleranz“
geschehen, im„selbstbewussten
Dialogmit anderenReligionen“.
Dieses „Selbstbewusstsein“ver-
misse er bei vielen Christen. „Es
kann nicht sein, dass sich Chris-
ten, die vor dem Essen beten, in
der Öffentlichkeit dafür schä-
menmüssen“, stimmt Christoph
Hansen dem zu.
Ehrenamt stärkt
Selbstbewusstsein
Dröge betont, dass der Religi-
onsunterricht deutlich macht,
„jeder ist alsMensch etwaswert,
als Ebenbild Gottes. Der Wert
der Person hängt nicht davon ab,
was der Mensch im Beruf lei-
stet. Aus diesem Selbstbewusst-
sein heraus, kannst du dein Le-
ben gestalten“.
Ute Lohmann hat erlebt, wie
Berufsschüler bei Kirchentagen
erfahren haben, was Ehrenamt
bedeutet. „Sie haben gesehen,
dass Menschen bereit waren, ih-
nen morgens das Frühstück zu
richten und auch spät abends
noch für sie da waren. Das hat
sie zum Nachdenken gebracht.
‚Ich werde wertgeschätzt, selbst
dann, wenn ich keine Arbeit,
aber ein Ehrenamt habe.’ Für
jungeMenschen, die amAnfang
ihres Lebens stehen, ist dies eine
wesentliche Erkenntnis.“ Die
Religionslehrerin hat „dieses
Denken“bei ihrenSchülern, bei-
spielsweise auch durch Besuche
im christlichen Hospiz, geför-
dert. „Hier arbeiten Menschen
uneigennützig für andere Men-
schen.“
Werte vorleben
Die Gesprächspartner sind sich
einig, dassman die „christlichen
Werte nicht losgelöst von einer
Person“ sehen kann. „Das gilt
auch für den Religionsunter-
richt“, meint Dröge. „Es ist gut,
wenn Kinder in der Schule mit
Menschen zu tun haben, die an
etwas glauben und eine klare
Vorstellung vonWerten vermit-
teln. Die Schüler können diese
dann übernehmen oder ableh-
nen und dadurch ihre eigene
Überzeugung finden. Neutrale
Wertevorgaben, wie sie dasBer-
liner Modell vorsieht, sind blut-
leer und fördern die Beliebig-
keit“, ist der Koblenzer Superin-
tendent überzeugt.
Ute Lohmann stimmt dem zu.
„Gerade die aktuellen Ereignis-
se inRomhaben gezeigt, welche
Botschaftendie christlichenKir-
chenausstrahlen“, betont sie. Sie
verweist auch darauf, dass das
GrundgesetzReligionsunterricht
als Lehrfach garantiert. „Schü-
ler suchen Antworten, die vor-
gegeben werden sollten, ohne
absolutistischen Anspruch zu
vermitteln”, ist sie sicher. Auch
Hansen ist überzeugt, dass man
„Werte nicht inVorträgen“, son-
dern nur durch „vorbildliches
Vorleben der Erziehenden“ und
„imkonfessionellenUnterricht“
vermitteln kann.
Bibel wieder spannend
Die Runde spricht sich deutlich
gegen das Vorurteil aus, „unter
konfessionellem Dach würde
eher allgemeines Gerede über
Werte als biblischesWissen und
Glaubensinhalte vermittelt“.
„Das biblische Wissen wird ge-
rade von jungen Leuten ange-
fragt“, berichtet Ute Lohmann.
Sie erzählt, dass „ihr Religions-
unterricht nicht ohne Bibellek-
türe“ stattfindet. „Die Bibel ist
voll mit Bildern menschlicher
Geschichten. Der Bibeltext ist
so fremd geworden, dass er wie-
der spannend ist.“
Fazit: Orientierung wichtig
Ein Fazit des Gesprächs: Der
ReligionsunterrichtisteinOrien-
tierungsangebot,mit dessenHil-
fe junge Menschen in der Viel-
falt von Meinungen ihre eigene
finden. Er erinnert an die Bot-
schaft Jesu, dass der Mensch
nicht vom Machen allein lebt,
dass der Einzelnemit seinen Fra-
gennicht alleinbleibt. „Wir brau-
chendieAuseinandersetzungmit
den religiösen Grundlagen, weil
unsereWerte starkdavongeprägt
sind.“ Die Orientierung an reli-
giösen Werten ist wichtig, gera-
de in einer Welt, in der Karriere-
streben, Rendite und Gewinne
wichtiger scheinen als Selbst-
wertgefühl und Selbstbestim-
mung.
Jochen Seul (23), Flie-
senlegerlehrling bei Fa.
Aldorf, Münstermaifeld
Ich bin römisch-katholischer
Konfession. Meine Eltern
sind geschieden. Ich lebe bei
meiner Oma. Sie hat ihren
Glauben an mich weitergege-
ben. Ich weiß, wo ich stehe
und ich bin überzeugt, dass
jeder, der den Weg des Glau-
bens geht, am Ende schon am
richtigen Ziel ankommen
wird.
Ich denke, dass es den Religi-
onsunterricht als Orientie-
rungshilfe vor der Berufsschule an den Schulen geben soll. In
der Berufsschule ist er meiner Meinung nach als Unterrichtsfach
eher unwichtig.
Christian Kunz (20), Kfz-
Mechanikerlehrling bei
Fa. Torpedo-Garage,
Idar-Oberstein
Meine Eltern sind Zeugen
Jehovas. In diesem Sinn
haben sie mich erzogen. Ich
bin jetzt ausgetreten, weil
ich mit dieser Glaubensrich-
tung nicht einverstanden bin.
Ich gehe meinen eigenen
Weg, ohne Religion. Jeder
muss seine Orientierung im
Leben finden. Als Kind ist
man stark durch das Eltern-
haus geprägt.
Mario Seefeld (18),
Bäckerlehrling in der
Bäckerei Kugel, Nieder-
lahnstein
Ich bin römisch-katholisch
und trage seit meiner Taufe
den vom Pfarrer gesegneten
Marienanhänger. Er ist mein
Talisman. Mir gefällt es, wie
wir in der kirchlichen Ge-
meinschaft miteinander um-
gehen. Jeder ist als Mensch
etwas wert.
Ich bin für den Religionsun-
terricht, auch an Berufsschu-
len. Viele wissen nicht, wer
Maria war, kennen nicht
Moses. Das gehört einfach zur Allgemeinbildung. Im Unterricht
muss mehr am Bibeltext gearbeitet werden.
Lars Herrmann (19), Bä-
ckerlehrling in der Back-
stube Schrei, Kastellaun
Ohne meinen Glauben fühle
ich mich unwohl. Glaube ist
für mich Hoffnung. Er gibt
mir die Möglichkeit, Zwie-
sprache zu halten. Ich bin
evangelisch und ich toleriere
jeden Glauben, gleich, wie er
gelebt wird.
Welche Rolle spielt der
christliche Glauben und seine
Verankerung in der berufli-
chen Bildung aus Sicht von
Peter Gieraths, selbst-
ständiger Schlossermeister
aus Remagen und Kreis-
handwerksmeister der Kreis-
handwerkerschaft Ahrweiler?
„Ich bin praktizierender Ka-
tholik. Die religiöse Veranke-
rung ist mir ganz wichtig.
Mein Glauben schließt die
Wertschätzung des Menschen
ein, aus ihm schöpfe ich
Kraft. Ich denke, dass Religi-
on ein fester Bestandteil des
Berufsschulunterrichts blei-
ben muss. Ich bin überzeugt,
dass die moralischen Vorstel-
lungen, die die Kirche hat,
richtig sind und gerade jun-
gen Menschen, die ihren
Weg noch suchen, vermittelt
werden sollen. Hier finden
sie Kraft, Orientierung und
ein Wertesystem, dass nicht
schnelllebigen Trends nach-
läuft. Es geht dabei darum,
junge Menschen zu ermuti-
gen, ihr Leben selbst in die
Hand zu nehmen, die eigenen
Möglichkeiten voranzu-
treiben und Widerständen zu
trotzen. Christen wissen, dass
das Leben nicht das Paradies
auf Erden ist, aber ein groß-
artiges Geschenk und gleich-
zeitig eine Prüfung.“
Schlossermeister Peter
Gieraths ist Vorsitzender der
Arbeitsgemeinschaft der
Kreishandwerkerschaften
Rheinland-Pfalz. Er gehört
seit vielen Jahren dem Vor-
stand der HwK Koblenz an.
... bei Peter Gieraths
Kreishandwerksmeister
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