Handwerk im Frühjahr vom 16. April 2005 - page 10

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„Ein steinernes Schiff, ewig auf
dem Rheine schwimmend, ewig
angesichts der Pfalzgrafenstadt vor
Anker liegend”, so schrieb Victor
Hugo die Erinnerungen an die
Pfalzgrafenstein in seinem Tage-
buch über die Rheinreise vor mehr
als 100 Jahren nieder. Der weltbe-
rühmten Burg kommt das seltene
Privileg zu, weder rechts- noch
linksrheinisch zu liegen, sondern
mittendrin.
Zu Beginn des 13. Jahrhunderts als
Zollstation auf einer Felseninsel im
Rhein gebaut, trotzt die Burg bei
Kaub seit Jahrhunderten Wind und
Wetter wie auch anstürmenden Fein-
den. Strategisch bietet die Lage Vor-
teile, bautechnisch ist sie nicht ganz
einfach.Wasser kommt hier von oben
und unten. Für den Schutz vor Re-
gen sorgt ein Schieferdach, das zur-
zeit von Dachdeckermeister Berthold
Punstein und seinen 9 Mitarbeitern
erneuert wird. Der 64-jährige Unter-
nehmer aus Oberwesel ist stolz dar-
auf, an dem Prestigeobjekt vor sei-
ner Haustür zu arbeiten. „Wir sind
auf Arbeiten mit Naturschiefer spe-
zialisiert, diese machen rund 90 Pro-
zent unserer Aufträge aus.“ Nötig
wurden dieArbeiten nicht wegen des
Schieferdaches, sondern weil der
Holzwurm im Gebälk darunter „am
Zahn der Zeit nagte“.
Mit der Fähre zur Baustelle
Wann das letzte Mal Dachdecker-
kollegen auf der Pfalzgrafenstein mit-
ten im Rhein ihrer Arbeit nachgin-
gen, weiß Punstein nicht. „Da sie al-
lerdings Kauber Schiefer verarbeitet
haben und dieser schon lange nicht
mehr abgebaut wird, liegt das schon
einige Jahrzehnte zurück.“ „Sein“
Dach wird mindestens 100 Jahre
Wind und Wetter trotzen. Mit einer
normalen Baustelle haben dieArbei-
ten an dem weltweit bekannten Bau-
werk wenig zu tun. „Das fängt schon
damit an, dass wir unser Werkzeug
Steinernes Schiff
mit Holzwurm an Bord
Dachdecker und ihr besonderer Einsatz mitten im Rhein
Steckbrief: Fa. Punstein, Oberwesel
gegründet 1970
|
alle Dachdeckerarbeiten, spezialisiert auf Naturschiefer-
deckungen und Denkmalpflege
|
9 Mitarbeiter
|
Tel.: 06744 / 203
und den Schiefer mit
der Fähre zur Burg fah-
ren müssen.“ Rund 28
Tonnen des schwarzen
Naturgesteins werden es
am Ende sein, die auf
800 m² in altdeutscher
Deckung die einstige
Zollstation schmücken.
Mit auf dem Dach 20
Meter über dem Rhein
dabei: Wolfgang (39)
und Markus (32)
Punstein, die Söhne von
Berthold Punstein, der
das Unternehmen 1970
gründete. Beide werden
zusammen den Famili-
enbetrieb weiterführen.
Zu Beginn des 13.
Jahrhunderts ge-
baut, liegt die Burg
Pfalzgrafenstein
mitten im Rhein.
Wasser von unten
ist Alltag, gegen
das Wasser von
oben schützt ein
Schieferdach, das
zurzeit erneuert
wird.
Ein absoluter
Hingucker:
Schieferdä-
cher verbin-
den Ästhetik
mit Langle-
bigkeit und
Hightech,
denn auch So-
lar-Technik
lässt sich hier
installieren.
Aus den
Tiefen
des Berges
auf die
Dächer
der Welt
Mit Rathschek Schiefer versorgt ein Global Player das Handwerk mit Naturschiefer aus der Region
Was versteht der Dachecker unter ...
... einer „Wilden Deckung“?
Datenbank zur
Denkmalpflege
Über mehr als 300 Handwerksbetrie-
be verschiedenster Gewerke infor-
miert die HwK Koblenz in ihrer Da-
tenbank „Denkmalpflege“, die unter
gerufen
werden kann. Es sind Unternehmen,
die sich auf Arbeiten in der Denk-
malpflege spezialisiert haben.
Mehr Infos zum Thema gibt das
HwK-Zentrum für Restaurie-
rung und Denkmalpflege, Tel.:
06785/97 31 -0 , E-Mail:
Aktueller Tipp:
Instrumentenausstellung
„Töne, Klänge, Schwingungen“ -
noch heute bis 17 Uhr präsentieren
Musikinstrumentenmacher-Innun-
gen ihre Spitzenleistungen in der
Galerie Handwerk in Herrstein. Zu
sehen sind historische Instrumente
undderenhandwerklicheFertigung,
die für die Vielseitigkeit mehrerer
Berufe steht.
Info-Tel.: 06785/9731-761.
Er ist schwarz, kommt aus den fins-
teren Tiefen eines Berges und
bringt doch - im übertragenen Sinn
- so viel Farbe in das Erschei-
nungsbild eines Hauses: Schiefer.
Aus rund 300Meter Tiefe auf die Dä-
cher nach ganz oben - der Aufstieg
hört sich nach einer Erfolgsstory an.
Und tatsächlich ist Schiefer auf den
Dächern auf demVormarsch. Ob bei
der Restaurierung historischer Bau-
substanz oder demNeubau eines Ein-
familienhauses, ob großes oder klei-
nes Dach, ob in altdeutscher oder wil-
der Deckung - sein Einsatz ist viel-
seitig und verbindet sich mit hohen
ästhetischenAnsprüchen, seit einiger
Zeit aber auch mit modernster Haus-
technik, denn auch die Solarstrom-
gewinnung auf dem Schieferdach ist
kein Problem.
Bei ihrer Arbeit mit dem traditionel-
len Baumaterial können Handwerker
auf Rohstoffe „vor der Haustür“ zu-
rückgreifen. Mit „Rathscheck Schie-
fer und Dach-Systeme“ arbeitet ein
weltweit agierendes Unternehmen
mit demHandwerk in der Region eng
zusammen. Die Mayener bauen in
zwei Bergwerken nicht nur den Schie-
fer ab und verarbeiten ihn, sie bieten
auch die dazu gehörende Technik für
ein modernes Dach.
Rund 4 Mio. Quadratmeter Schiefer
werden derzeit jährlich auf deutschen
Dächern verlegt - Tendenz steigend.
Der Vorteil des Natursteins: Er sieht
gut aus, schützt das Haus wirkungs-
voll vor Wind und Wetter und ist mit
rund 100 Jahren besonders langlebig.
Kein Wunder also, dass er seit Jahr-
hunderten zum Ein-
satz kommt, so auf der
Burg Eltz, dem Aa-
chener Dom oder auf
der Würzburger Resi-
denz. Dabei hat Schie-
fer Qualitäten bewie-
sen, die heute auch in
der modernen Archi-
tektur genutzt werden,
so beim spektakulären
Neubau des Baseler
Schauspielhauses.
Als riesiger
Block 300 Meter
unter Tage bei
Rathscheck ab-
gebaut und wei-
terverarbeitet,
bringen Hand-
werker den Na-
turstein auf die
Dächer. Dabei
gibt es ganz un-
terschiedliche
Möglichkeiten
der Deckung.
Heinz Lenz, Obermeister der
Dachdecker-Innung St. Goar, aus
Niederburg:
Bei einer „Wilden Deckung“ spielt
nicht die Form der aufgebrachten
Schieferplatte die entscheidende
Rolle. Wichtig ist: Das Dach muss
dicht sein. Die ursprüngliche, nicht
einheitliche Form des Schiefers hat
der Deckung den Namen gegeben,
auchwenn das Gesamterscheinungs-
bild eines solchen Daches nicht wild
aussehen mag, sondern dank der
Arbeit eines Dachdeckers ein ästhe-
tischer Gesamteindruck dominiert.
Die „Wilde Deckung“ gehört zu den
anspruchsvollsten Dachdeckerarbei-
ten überhaupt. Grundsätzlich gibt es
rund 10 Deckungsarten in der Arbeit
mit Schiefer, von denen drei stärker
durch die Kunden nachgefragt wer-
den: Schablonendeckung, altdeut-
sche Deckung und Schuppende-
ckung. DieArbeiten mit Schiefer sind
seit Jahren auf dem Vormarsch, was
auch mit der Asbestsanierung zu tun
hat. Und auch wenn die Schiefer-
deckung teurer ist als andereVerfah-
ren: Mit rund 100 Jahren hält sie
auch am längsten und ist deshalb im
Preis-Leistungsverhältnis auch für
private Bauherren interessant.
Das 1971 von Heinz Lenz gegrün-
dete Unternehmen hat sich mit sei-
nen fünf Mitarbeitern auf Schiefer-
arbeiten spezialisiert, bietet aber alle
Arbeiten rund ums Dach. Die In-
nung, der Dachdeckermeister Lenz
seit 1993 vorsteht, hat 12 Mitglie-
der.
1,2,3,4,5,6,7,8,9 11,12,13,14
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