Handwerk im Frühjahr vom 20. März 2004 - page 8

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Früher einmal, vor ungefähr 150
Jahren, war es das stattlichste
Haus weit und breit. Der Getrei-
dehandel, den Philipp Selbach
mitten imWesterwald in Helfers-
kirchen gleich gegenüber der Kir-
che betrieb, muss gut gelaufen
sein, außerdem gehörten Land-
wirtschaft, ein Gasthof und später
sogar noch eine Bäckerei mit
dazu. Getreidehandel, Landwirt-
schaft und Gasthof gingen im
Laufe der Jahre zurück, geblieben
ist bis heute und nun schon min-
destens 125 Jahre die Bäckerei.
Nach wie vor befindet sie sich im
Besitz der Selbachs, mittlerweile in
der vierten und bald in der fünften
Generation. Manfred Selbach, Jahr-
gang 1944, erlernte das Bäcker-
handwerk bei seinemVater Karl und
übernahm zusammen mit seiner Frau
Marianne 1967 den Betrieb. Bei al-
lem Familien- und Traditionsbe-
wusstsein wurde die Bäckerei in den
folgenden Jahren grundlegend mo-
dernisiert, die Backstube umgebaut,
eine neue Ofenanlage, moderne Ma-
schinen installiert und ein anspre-
chender Verkaufsladen eingerichtet.
In dem geht es bereits ab 6 Uhr in
der Früh richtig rund. Morgenstund
hat hier wirklich Gold im Mund.
„Wir müssen einfach so zeitig auf-
machen, bevor die Leute vom Land
zurArbeit fahren. Unser größtes Ge-
schäft läuft während der frühen Vor-
mittagsstunden“, erklärt Marianne
Selbach und deutet auf die schon ge-
gen 11 Uhr kräftig geleerte Auslage.
Das aber bedeutet für Bäckermeister
Selbach seit Jahrzehnten: Aufstehen
mitten in der Nacht, damit am Mor-
gen genügend frisch Gebackenes,
vom Brot, das er besonders gerne
bäckt, bis zu den Feinbackwaren, in
den Regalen liegt. 20 Mitarbeiter
helfen ihm bei der Arbeit, darunter
vier Auszubildende (in Backstube
und Verkauf) und nicht zuletzt Sohn
Jens, 33, der vor zehn Jahren seine
Meisterprüfung ablegte und im kom-
menden Jahr die Bäckerei überneh-
men wird. „Überhaupt nicht er-
zwungen, sondern ganz freiwillig,
weil’s mir Spaß macht und weil ich
schon in der Backstu-
be groß geworden
bin.“ Ansonsten,
meint er, würde man es
sich vermutlich doppelt
und dreifach überlegen,
ob man die nicht ganz
leichte und nicht eben
viel Freizeit sichernde
Arbeit auf sich nimmt.
An der Kontinuität
des Familienun-
ternehmens wird
die Übergabe je-
doch kaum rüt-
teln, will sich
doch Jens Sel-
bach angesichts
der allgemeinen wirtschaftlichen Si-
tuation „zumindest erst einmal vor
allem auf das Bewahren des Erarbei-
teten“ konzentrieren. Die nächsten
25 Jahre sind also in jedem Fall ge-
sichert - und damit eine Land-
Seit 125 Jahren gibt’s bei den Selbachs in Helferskirchen schon früh nicht nur frische Brötchen
Morgenstund
hat
Gold
im Mund
„Es hat sich gelohnt, den Meisterbrief ...
... zu machen, weil ich mir als
selbstständiger Bäckermeister die
Freiheit nehmen kann, nach Her-
zenslust die Kinderseele mit einem
geschenkten Hörnchen glücklich
zu machen“, nennt Michael Thier
aus Ransbach-Baumbach einen
Grund für die berufliche Selbst-
ständigkeit mit dem Meisterbrief.
„Es gibt nichts Schöneres, wenn
einen dann strahlende Kinderaugen
anschauen. Ein Angestellter, der
seine Waren verschenkt, bekommt
Ärger. Wir haben einen sehr direk-
ten und guten Kontakt zu unseren
Kunden und es tut wirklich nicht
weh, hier und da an die
Kleinen etwas zu ver-
schenken.“ In der Bä-
ckerei mit zwei Nieder-
lassungen arbeiten Sohn
und Vater zusammen, haben 11
Mitarbeiter, darunter vier Lehrlin-
ge. Gegründet hat das Unterneh-
men der Opa. „Das war 1941. Die
Meisterbriefe der ersten beiden Ge-
nerationen hängen im Laden. In
wenigen Tagen kommt meiner
dazu.“ Michael Thier ist einer der
rund 1000 Jungmeister, die am 21.
März während der Meisterfeier in
Koblenz ihren Meisterbrief entge-
gennehmen. „Auf diesen Tag habe
ich lange hingearbeitet. Wenn man
es dann geschafft hat, erfüllt einen
das schon ein wenig mit Stolz.“
Und seine Pläne? „Irgendwann
werde ich das Familienunter-
nehmen weiterführen. Wichtig ist
mir dabei besonders die Ausbil-
dung junger Menschen. Auch hier
haben wir die Philosophie, dass
sich dieser Teil nicht in Euro
oder Cent ausdrücken
lässt. Das muss vom
Herzen kommen.“
Bäckermeister
Michael Thier.
Manfred (v.l.) und Marianne Selbach wissen ihr altein-
gesessenes Familienunternehmen bei ihrem Sohn Jens in
den besten Händen.
Steckbrief: Bäckerei Selbach
Landbäckerei in Helferskirchen
|
Filialen in Siershahn und Mogendorf
|
20
Mitarbeiter, darunter 4 Auszubildende
|
Telefon: 02626/5560
bäckerei, in der es nicht nur frische
Brötchen, sondern auch die neuesten
Dorfnachrichten gibt. „Das gehört
hier einfach mit dazu“, meint Mari-
anne Selbach und ist schon wieder
auf dem Sprung in den Laden.
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