Handwerk im Sommer vom 29. Juni 2002 - page 2

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Die Kolumne:
Großwetterlage
Wie soll man angesichts stolzer
39,4 Grad am 18. Juni 2002 nicht
vom Wetter schreiben? Immerhin
Deutschlands Hitzerekord. Da hilft
nur ein Eis, ein Stück Obstkuchen
oder abends ein kühles Bier und,
wenn Sonnenschutz besteht, auch
etwas Gegrilltes vom Fleischer Ihres
Vetrauens - versteht sich von selbst.
Auch die Fußball-WM erhitzt mehr
als sie beruhigt. Trotz unseres Sie-
ges im Halbfinale. Und welch heiße
Sache wird erst das Finale Deutsch-
land gegen Brasilien! Auch der Bun-
destagswahlkampf mit allen erfreu-
lichen und unerfreulichen Facetten
kühlt erst nach dem 22. September ab.
Dabei ist es schon spannend, wie der Bür-
ger entscheiden wird. Was bleibt, was ver-
ändert sich? Nein, ich wette nicht. Sie,
verehrte Leser?
Erleichterung bei solchen Hunds- und
Hitzetagen verschafft das Handwerk, weil
es sich um die Leute kümmert, auch wenn
die Gesamtwirtschaftssituation immer
noch nicht so toll ist. Die Situation hat für
den Verbraucher aber auch was Gutes. Ein
paar Tage bleiben die Zinsen noch auf
niedrigem Niveau. Es gibt erste Anzei-
chen, dass wieder mehr gebaut wird. Viele
nutzen also die Chance. Überlegen Sie für
sich und denken Sie daran, die nächste
Zinserhöhung steht vor der Tür.
Ein paar Sommerthemen halten wir au-
ßerdem für Sie, verehrte Leser, bereit:
Vom Handwerk beim Rennsport (auch
eine heiße Sache), vom Handwerk für die
Fortbewegung per Muskelkraft als Pedal-
ritter (nicht weniger heiß), vom Hand-
werk für und rund um einen gemütlichen
Ausflug mit der Schmalspurbahn „Vul-
kan-Express“. Mit Blick auf die nahende
Ferienzeit liefern wir Ihnen Tipps, wie
sich die freie Zeit mit dem Handwerk bes-
ser erleben lässt. Wählen Sie - ob Ferien-
kurse bei der HwK, die einen Nutzen
auch über den Sommer 2002 versprechen
oder lohnende Ausflugsziele in der Region,
die sich mit handwerklichen Spitzenlei-
stungen verbinden. Auch eine heiße Sache.
Und wenn wir von Spitzenleistungen be-
richten erinnere ich auch an die neue
MESSE AM RHEIN „Jobs und Fachkräf-
te“, die sich am 19. und 20. Oktober in
Koblenz als Messe und Kongress präsen-
tieren wird. Die Vorbereitungen dazu lau-
fen auf Hochtouren. Florian Gerster, Vor-
standsvorsitzender der Bundesanstalt für
Arbeit, wird diese besondere Veranstal-
tung eröffnen. Im Exklusiv-Interview
nennt er schon heute die wichtigsten
Punkte zur Verbesserung der Arbeits-
marktsituation, gibt aber auch Einblicke
in das Leben des Menschen Gerster. Viel
Spaß beim Lesen -
Ihr
Karl-Jürgen Wilbert
E-Mail:
Kurz vor dem Endspiel: Auch HwK-
Hauptgeschäftsführer Karl-JürgenWilbert
ist in diesen Tagen von der Fußball-Welt-
meisterschaft begeistert und freut sich auf
ein heißes Endspiel gegen Brasilien.
Neue Messe in Koblenz:
Jobs und Fachkäfte
Ein neues Highlight am Arbeitsmarkt für
Arbeitsuchende, Existenzgründer und Ar-
beitgeber soll die MESSE AM RHEIN:
Jobs & Fachkräfte 2002 am 19. und 20.
Oktober in Koblenz werden. Schon jetzt
sind die Vorbereitungen in vollem Gange.
Zahlreiche Anmeldungen, unter ihnen die
Arbeitsverwaltung, die Zentralstelle fürAr-
beitsvermittlung, die Fuchs Personal GmbH,
die deutsche Angestellten Akademie, die
IG Metall, der Deutsche Gewerkschafts-
bund und die Signal Iduna Versicherung,
liegen bereits vor. Handwerksbetriebe fin-
den hier ihre Fachkräfte.Aber auchArbeit-
nehmer, Auszubildende sowie Schul- und
Hochschulabsolventen finden individuel-
le Lösungen auf einer in ihrer Konzeption
bundesweit einzigartigen Messe.
Infos: Tel.: 0261/398-130, Fax: -997, E-
Mail:
ternet:
Arbeitsplatz Deutschland: Florian Gerster mit einer Bestandsaufnahme und Zielsetzungen
Berufsziel
Vollbeschäftigung!
Seit April ist der Rheinland-Pfälzer Chef der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg: Eine Aufga-
be, die Florian Gerster, bis dahin Arbeits- und Sozialminister in Mainz, mit viel Engagement,
Fachwissen, Durchsetzungsvermögen und klaren Zielen angeht. Jetzt zieht er im Exklusiv-Inter-
view mit „Handwerk im Sommer“ ein erstes Fazit, spricht über die hohen Erwartungen an sich
selbst, seine Mitarbeiter aber auch an die Arbeitslosen. Und über den „Menschen Gerster“.
Seit April sind Sie „Nürnberger“. Wie haben
Sie sich eingelebt?
Insgesamt gut, auch weil es eine schöne Stadt
ist. Gleichwohl konnte als neuer Chef der Bun-
desanstalt für Arbeit ich nicht so starten, wie
ich es gern getan hätte, weil die Umbaupläne
noch erarbeitet werden und sich der neueVor-
stand deshalb zurückhalten muss.
Sie haben alsVorstandsvorsitzender der Bun-
desanstalt für Arbeit - um es im handwerkli-
chen Sprachgebrauch zu formulieren - eine
Großbaustelle übernommen.Was hat sich seit-
dem getan?
Der Vorstand ist im Wesentlichen an der Be-
standsaufnahme und liefert der Reform-Kom-
mission jede Menge Daten über das Arbeits-
marktgeschehen. Ich bereise vieleArbeitsäm-
ter und führe dort Gespräche über die momen-
tane Situation. Wir können noch nicht so stark
nach Innen wirken wie wir möchten, weil die
notwendigen Umbauarbeiten vorbereitet wer-
den müssen.
Sie haben sowohl für die eigene Behörde wie
auch den Abbau der Arbeitslosenzahlen tief-
greifende Reformen angekündigt, mit denen
Sie sich nicht überall beliebt machen werden.
Welche Richtung schlagen Sie ein und wann
werden Sie am Ziel sein?
Mein Ziel ist es, kurzfris-
tig die Zahl der Mitarbei-
ter, die das Geschäft - auf
deutsch gesagt - vor dem
Tresen machen, zu ver-
stärken. Um das zu errei-
chen, brauchen wir eine
Florian Gerster, Vor-
standsvorsitzender der
Bundesanstalt für Ar-
beit, interessierte sich
auch für die Plakat-
entwürfe zur neuen
Koblenzer MESSEAM
RHEIN: „Jobs und
Fachkräfte“ am 19. und
20. Oktober, die HwK-
Mitarbeiter Jörg Dies-
ter mit zum Interview-
termin brachte.
deutliche Vereinfachung des Leistungsrechts.
Dazu dient der Vorschlag, pauschalierte Leis-
tungen einzuführen, die sich aber weiterhin
am früheren Lohn orientieren müssen.
Die wichtigsten Fragen zurWeiterentwicklung
des Konzepts „Arbeitsamt 2000“ sind: Wie
verbessern wir die Zusammenarbeit mit den
Arbeitgebern, wie kommen wir an die offe-
nen Stellen heran, wie können wir den Aus-
gleich amArbeitsmarkt voran bringen? Es geht
um die Akquisition von Arbeitsplätzen und
nicht nur Betreuung von Arbeitslosen.
Wie bewerten Sie denn die Vorschläge, so die
der Personalserviceagenturen?
Die Personalserviceagentur ist der Kern des
Reformmodells. Sie will Arbeitslosigkeit ver-
meiden oder zumindest deutlich verkürzen.
Ein Arbeitsloser soll im Idealfall durch das
Angebot der Beschäftigung in einer Personal-
serviceagentur dem Arbeitsmarkt sofort wie-
der zur Verfügung stehen. Dieser Bereich des
Arbeitsamtes muss eine eigene Rechtsform
erhalten, man muss sich ihn wie ein Chamä-
leon vorstellen, das je nach Situation die Far-
be wechselt: mal eine Zeitarbeitsfirma, dann
eine Qualifizierungseinrichtung, schließlich
auch Beratungseinrichtung für die Arbeitslo-
sen wie auch für die künftigen Arbeitgeber.
Ein hochinteressanter Vorschlag, weil er fle-
xible Beschäftigungsformen fördert. Zeitar-
beit ist unterentwickelt in Deutschland.
Welche Bedeutung hat das Handwerk für den
Arbeitsmarkt?
Eine sehr hohe. Leider wird das nicht immer
so deutlich gesehen. Wenn Großunternehmen
ins Trudeln geraten, gibt es Rettungsaktionen,
bei Klein- undMittelunternehmen nicht. Doch
es bleibt dabei:Am beschäftigungsintensivsten
sind klein- und mittelständische Betriebe.
Wie sieht der Arbeitsmarkt 2010 aus?
Für die kommenden zehn Jahre bin ich sehr
optimistisch. Es wird einen deutlichen Rück-
gang derArbeitslosenzahlen geben. Demogra-
fie und das zu erwartende Wirtschaftswachs-
tum sprechen dafür. Vorsichtig bin ich aber,
wie dieser Tage für möglich gehalten, beim
Ziel einer Halbierung der Arbeitslosenzahlen
bis 2005. Ich bin mir aber sicher, dass ich noch
in meinem aktivenArbeitsleben die Rückkehr
zur Vollbeschäftigung erleben werden.
Sie haben in der Vergangenheit in der freien
Wirtschaft als Personalberater gearbeitet, wa-
ren dann als Politiker sehr erfolgreich, sind
jetzt 53 Jahre alt. Wird Ihre heutige Tätigkeit
ein berufliches Lebenswerk abrunden oder
gibt es da noch andere Pläne?
Ich habe einen Fünf-Jahres-Vertrag und stelle
mich auch auf diese Zeit ein. Der Vertrag ist
verlängerbar, nach der Vertragsgestaltung ist
dies sogar der Wunsch der Bundesregierung.
Fünf Jahre sind keine lange Zeit für die Um-
gestaltung einer so großen Einrichtung, wie
es die Bundesanstalt fürArbeit ist. Ob ich noch
einmal in die Politik oder Wirtschaft wechse-
le, weiß ich nicht. Ich hoffe nur, dass ich dann
nicht ausgebrannt bin. Ich erwähne immer
wieder, dass 60-Jährige fit wie ein Turnschuh
sind. Ich hoffe, dass dies auch für mich gelten
wird.
Sie eröffnen im Oktober die durch die HwK
Koblenz initiierte Messe „Jobs und Fachkräf-
te“. Wie beurteilen Sie die Unterstützung am
Arbeitsmarkt durchWirtschaft undVerbände?
Ich kann ohne Übertreibung und als Kenner
der regionalen Situation sagen, dass die Hand-
werkskammer Koblenz ein besonders gutes
Beispiel für die regionale Betreuung sowohl
der Betriebe als auch der Menschen gilt, die
für das Handwerk gewonnen werden müssen.
Sie macht es mit originellen Mitteln. Die
Handwerksmesse ist durch ihre zeitgemäße
Ansprache junger Menschen ein Renner. Ich
bin sicher, dass die neue Messe „Jobs und
Fachkräfte“ auch großen Zuspruch finden
wird, denn das Engagement der Handwerks-
kammer in Arbeitsmarktprojekten überzeugt.
Sie hat hier erfolgreich schwächere Jugendli-
che „mitgenommen“, die nicht von vornher-
ein fit für die duale Ausbildung waren. Da ist
auch viel soziale Sensibilität am Werk.
Drehen wir die Uhr um knapp 40 Jahre zu-
rück: Wie würde ihr beruflicher Werdegang
heute aussehen?
Wenn ich noch einmal vor der Wahl stünde
würde ich eher Volkswirtschaft studieren und
wahrscheinlich in die Wirtschaft gehen. Ich
bin heute Grenzgänger zwischen Wirtschaft
und Politik, glaube aber inzwischen an eine
tiefere Bedeutung desAusspruchs: „DieWirt-
schaft ist unser Schicksal.“ Ich bin heute über-
zeugter denn je, dass Wirtschaft das Zentrum
des gesellschaftlichen Geschehens ist.
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