Handwerk Special Nr. 87 vom 25. Mai 2002 - page 16

Lehrlinge mit außergewöhnlicher Nebenbeschäftigung
25. Mai 2002
Nr. 87
Martin Gillessen, 17 Jahre, aus Meuspath, 1. Lehrjahr Maurer,
zugleich Vize-Europameister und Deutscher Meister im Rollskilauf.
Als ich sechs Jahre alt war, fing ich mit dem Rollskilauf an. Der Grund: Ich
hatte meinen Cousin, der die Sportart ausübt, beobachtet und Gefallen
daran gefunden. Mittlerweile trainiere ich jeden Tag, absolviere dabei
jeweils ca. 30 Kilometer. Übungsstrecken gibt es
zuhauf, bei mir liegt ein Gewerbegebiet um die
Ecke, das sich optimal zum trainieren
eignet. Der Aufwand zahlt sich
sportlich aus: Bei der letzten WM
war ich Teilnehmer und mit
unserer Mannschaft haben wir
den 3. Platz belegt, in der
Staffel wurde ich Vize-
Europameister und
Deutscher Meister in
meiner Altersklasse.
Aber natürlich muss
man den Blick nach
vorne richten. Mein
nächstes großes Ziel
ist die diesjährige
WM-Qualifikation in 3
Wochen. Die Möglichkeit,
problemlos an allen Turnieren
teilnehmen zu können oder auch
mal zusätzlich zu trainieren, gibt mir
mein Chef bei Martin Nett Hoch- und Tiefbau.
Der ist Gott sei Dank selbst sportbegeistert und findet
gut, was ich da mache. Übrigens hört sich meine
Sportart zwar ziemlich exotisch an, sie ist aber immer
mehr im Kommen. Gerade die Wintersportprofis, z.B.
Stephania Belmondo, üben den Sport als Ausgleich
und Training aus, genauso wie ich im Winter zum
Ausgleich Langlauf betreibe. Das Schöne daran:
Man lernt die Leute, die man sonst nur aus dem
Fernsehen kennt, auch einmal persönlich kennen.
„Frühlingsgefühle“ sind bei mir eindeutig positiv:
endlich kann bei schönem Wetter trainiert
werden, das Lauftraining macht auch
wieder Spaß und natürlich beginnt
jetzt die Wettkampfsaison in meiner
Sportart.
Wir haben keine Lust auf Stillstand!
Überbetriebliche Lehrunterweisung bei der HwK Koblenz: Hier kom-
men junge Handwerker vieler Betriebe aus unterschiedlichsten Regio-
nen zusammen. Doch es ist nicht nur das Handwerk, was die jungen
Leute „mitbringen“. Es sind Hobbies, Leidenschaften & Fähigkeiten:
Und so lernen & arbeiten in den
Ausbildungszentrenplötzlichneben
berufliche Rollskiläufer und Laien-
schauspieler, Gardetänzer und Feuerwehrleute. Wir fragten nach, was
genau das für den Einzelnen bedeutet und warum man dafür eine 70
- Stundenwoche in Kauf nimmt.
Nur was für Jungs!
Frank Börger, 17 Jahre, aus
Strauscheid, 1. Lehrjahr
Straßenbauer,zugleichErster
Trompeter und Gardetänzer.
Vor fünf Jahren habe ich ange-
fangen Trompete zu lernen, seit
einem Jahr spiele ich in unseremMu-
sikverein die Erste Trompete. Mein
Lieblingsstück ist „I did it my way“ von
Frank Sinatra. Das ganze Jahr über gebenwir,
meist an den Wochenenden, Konzerte zu al-
len möglichen Anlässen, die es in unserer Ge-
meinde so gibt. Das geht natürlich nicht ohne
entsprechende Vorbereitung; konkret bedeutet
das einmal pro Woche Einzelunterricht und frei-
tags Probe mit dem ganzen Orchester. Außerdem
bin ich Gardetänzer in unserem Karnevalsverein.
Seit April läuft jetzt schon die Vorbereitung
auf die nächste Saison, bei der wir
ungefähr 15 Mal am Start sind.
DamitdieHebefigurengelingen,
ist auch hier Übung angesagt:
Wir treffen uns zweimal in der
Woche.Klar,dassmancheGarde-
tanz bei Männern oder auch Trom-
petespielenalbernfinden,aberdasmacht
mir nichts aus. Trotz des Zeitaufwandes macht
mir alles noch jede Menge Spaß, da ist mir das
Gerede anderer ziemlich egal. „Frühlingsgefühle“
bedeutet bei meinen Hobbys: Beginn der Konzert-
und Trainingssaison.
Philip Bläser, 17 Jahre, aus
Schuld, 2. Lehrjahr Kfz-Me-
chaniker, zugleich Schauspie-
ler.
Schauspieler sindwir inmei-
ner Familie in der 4. Generation.
Seit ich zehn Jahre alt binmache
ich aktiv in unserer Laienspiel-
schar, derenMitbegründer mein
Uropa war, mit. Alles Mögliche
steht bei uns auf demProgramm,
meist Stücke, die für die ganze
Familie spannend sind, z.B.
Robin Hood. Meine Lieblings-
rolle war, als ich bei unserer
Fassung der „Aristocats“ einen
Hund gespielt habe. Alles ge-
schieht in Eigenarbeit: Bühnen-
bild, Kostüme usw. Ein profes-
sionellerRegisseurausKölnhilft
uns dieses Jahr bei Inszenierung
und Probe. Trotz Lampenfieber
vor den 15 Aufführungen in der
Saison und Textlernen macht es
immerwieder Spaß, auf derBüh-
ne zu stehen. Sich selbst erpro-
ben und kreativ zu sein ist eine
tolle Erfahrung, die ich nicht
mehr missen möchte. Weil wir
eine offene Bühne sind, bedeu-
ten„Frühlingsgefühle“natürlich
Beginn der Proben und Vorbe-
reitung auf dieAufführungen im
Sommer.
Christian Jähng, 18 Jahre, aus Bad Breisig, 2. Lehrjahr Kfz-Mechaniker, zugleich Radsport-
bundesligist.
Seit sechs Jahren betreibe ich Radrennsport, zuerst in Bad Neuenahr-Ahrweiler,
neuerdings beim Bundesligisten Düsseldorf. Für Training und Wettkämpfe „opfere“ ich meine
komplette Freizeit, ca. 25 Stunden in der Woche, nach der Arbeit jeden Tag drei bis vier Stunden,
je nach Trainingsplan. Klar gibt es manchmal Zeiten, in denen man denkt, man will alles
hinschmeißen. Andererseits macht es auch unheimlich viel Freude, sich auf Turnieren mit
anderen zu messen oder beim Training abzuschalten. Mein letzter großer Erfolg war der 1.
Platz
beim Großen Sparkassenpreis Bad Neuenahr-Ahrweiler jetzt im April. Das
nenne ich dann „Frühlingsgefühle“.
Alexander Fehr, 19 Jahre, aus
Niederzissen, 2. Lehrjahr Kfz-
Mechaniker, zugleich Feuer-
wehrmann.
Anstoß, mich bei
der Freiwilligen Feuerwehr zu
engagieren war, dass ich eine
Alternative zumsinnlosenRum-
hängen gesucht habe, wie es in
unserem Ort bei Jugendlichen
z.T. „chic“ war.
Ich nehme meine Arbeit bei der
Feuerwehr sehr ernst, das ist
nicht irgendein Hobby, sondern
ich fasse das als Beruf auf. Man
erlebt bei den rund 300 Einsät-
zen, die wir im Jahr haben, viele
unangenehme und traurige Din-
ge. Wenn ich z.B. zu einem Un-
fall auf der Autobahn gerufen
werde, ist das meist mit extre-
men psychischen Belastungen
verbunden, gerade wenn es sich
um verunglückte Altersgenos-
sen handelt. Aber es ist ein schö-
nes Gefühl, wenn man anderen
helfenkann. Deshalbmöchte ich
die Feuerwehr auch nachmeiner
Ausbildung zum Beruf machen.
Von“Frühlingsgefühlen”möch-
te ich eigentlich nicht reden; au-
ßer, dass im Frühjahr wieder die
„Unfallsaison“ beginnt, weil das
Wetter zum Rasen verführt.
Frank Börger,
17 Jahre, Straßen-
bauerlehrling und
Trompeter und
Gardetänzer.
Philip Bläser,
17 Jahre, Kfz-
Mechanikerlehrling
und zugleich
Schauspieler.
Christian Jähng,
18 Jahre, Kfz-
Mechanikerlehrling
und Radsport-
bundesligist.
Alexander Fehr,
19 Jahre, Kfz-
Mechanikerlehrling
und Feuerwehr-
mann.
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